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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 17.1909

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Heft 2
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Loosli, Carl Albert: Eine Staatsrechnung
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Eulenberg, Herbert: Franziskus von Assisi: Worte über ihn bei einer Feier zu seinen Ehren
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https://doi.org/10.11588/diglit.26460#0081

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Der Mmdeftbietende erhält die Arbeit zur Ausführung
unter genauer Umschreibung seiner Pflichten. Eine Stunde
Arbeit des Herrn Kanzleisekrctärs — Fr. 2.26. Der
Herr Kanzleisekretär begibt sich zweimal in die Druckerei,
um sich persönlich vom richtigen Fortgang der Arbeit
zu überzeugen. Den Ausgang ä zwei Stunden ge-
rechnet — Fr. 9.O4. Der Herr Kanzleisekretär erhält
Korrekturabzüge und lieft sie. Eine Stunde Arbeit des
Herrn Kanzleisekretärö — Fr. 2.26.

Die Bogen werden geliesert. Ein Kanzleigehilfe
kontrolliert die Lieserung, braucht dazu einen halben
Tag und verschmiert dabei nur etwa IOO Bogen —
Fr. 2.5O. Er erstattet dem Herrn Kanzleisekretär Bericht
und dieser weist dem Drucker die Zahlung an. Eine
Stunde Arbeit des Herrn Kanzleisekretärs — Fr. 2.26.

Der Drucker weift seine Anweisung der StaatSkasse
vor und balgt sich zwei Stunden mit dem Kassier
herum, bis er endlich sein Gcld kriegt. Zwci Stunden
Arbeit des Kassiers — sagen wir auch zu Fr. 2.26

Fr. 4.52.

Die 5OOO Briefbogen ftellen sich also

dem Staate

wie folgt:

Iirkular an die Buchdrucker . . . > .

Fr. 11.30

Vervielfältigung und Versand . . . .

„ 5.-

Materialverbrauch ........

„ 1.-

Regiftratur und Koftenvoranschläge . . .

„ 4.52

Vergleichung derselben.

„ 2.26

Herftellung des Pslichtenhefteö . . . .

„ 2.26

Zweimaligcr Ausgang des Herrn Kanzlei-
sekretärs .

„ 9.04

Lesen der Korrekturabzüge.

„ 2.26

Kontrolle der Lieserung ......

„ 2.50

Berichterstattung und Zahlungsanweisung .

„ 2.26

Arbcit des Kaffenbeamten.

„ 4.52

Betrag der Faktur dcs Druckers . . . .

„ 35.-

8amMÄ 8ullimÄrum kosten 5OOO Briefbogen

Fr. 81.92

Der Meiftbietende der Drucker hatte die Arbeit auf
Fr. 40.— berechnet, aber der Herr Kanzleisekretär, in-
dem er vcrschiedene Drucker voranschlagen ließ, hat dem
Staate Fr. 5.— erspart. Daß der Drucker bei dem
gedrückten Preise nichts verdiente und noch obendrein
Zeit verlor, kann dem Staat und seinem Herrn Kanzlei-
sekretär durchaus gleichgültig sein. Ohne solche kleine
Ersparnisse würde das Staatsbudget alljährlich noch
unendlich schwerer belaftet, und man kann eS den treuen
Beamten nicht hoch genug anrechnen, daß sie sich auf-
opsern, um dqs Los der armen, fteuerbedrückten Bürger
um cin wenigeö erträglicher zu gestalten. Dadurch
erringen sie wohl ein gewiftes Recht, aus andere Leute
gcringschätzig herabzublicken und sie gelegentlich hoch-
trabend anzuschnauzen. Denn kein Mensch, der nicht
eingeweiht ist, ahnt, was auf den Schultern dieser
Staatsbeamten alles laftet, mit welchcr bewunderungs-
würdigen Ausdauer unsere Beamten ihre besten Arbeits-
und Lebensjahrc drangeben und sie cinsetzen sür das
Wohl des gemeinen Volkes, welches sie noch lange
nicht genug zu würdigen weiß und sie mitunter sogar —
das Herz im Leibe blutet einem, wenn man es nur
niederschreiben inuß — mit Mißachtung, ja oft mit un-
verhohlener Antipathie betrachtet.

ranziskus von Assisi.

Worte über ihn bei einer Feier ;u seinen
Ehren.

Iwei Laienpriefter aus der guten Stadt Prag in
Boheim hatten sich Anno I2IZ selbander aus die Beine
gemacht, um nach Rom zu pilgern und alldort Seiner
Heiligkeit, dem gcwaltigen Papst Jnnocenz III-, die
Füße zu küffen und seinen Ablaß und apostolischen
Segen zu empfahen. Sie hatten schon viele Wege-
meilen hinter sich und dreimal ihre Sohlen schon völlig
abgelausen, als sie an cinem lauen Maienabend in der
Stadt Terni, noch sünf Tagereisen vor der ewigen
Stadt, ankamen. Sie wandten sich an den Podesta
des Orteö, wie man in Welschland den „Schulzen"
heißt, und bekamen von ihm eine bescheidene Herberge
hinter dem Dom angewiesen. Sie wuschen sich die
staubige Landstraße von Spoleto nach Terni von ihren
Gesichtern ab, verfluchten ganz hcimlich, daß nur der
Teufel es hörte, die ewigen Makkaroni, die man ihnen
austischte, tranken „agcm", biö sie einen Frosch im
Magen zu haben glaubten, und wandelten dann ge-
meinsam einträchtiglich nebeneinander auf den Domplatz
heraus, um Gott zu dienen. Vor einem großen schwarzen
Kruzifix aus Byzanz in einer finftern Nische am Dom
warsen sie sich nieder und betetcn wohl über eine Stunde
lang zu dem Gott, der sie von dem goldentorigen Prag
durch sremde Menschen und Städte hindurch glücklich
bis aus dieses Pslafter geleitet hatte, und der ihnen nun
bald seinen leibhaftigen Stellvertreter von Angesicht zu
Angesicht zeigen würde. Als sie nun schon sehr lange
auf den Knieen gelegen hatten, begartn der ältere von
ihnen, der schon mit Friedrich Barbarossa im heiligen
Lande gewesen war, Kreuzschmerzen zu verspüren. Er
stund also auf und fing an, cin wenig im Schatten des
Domes herumzugehen und den Tauben auf dem Platz
zuzusehen, als er auf einmal das größte Wunder er-
blickte, was er von Prag bis Jerusalem jemals er-
schauet hatte.

Es war nämlich ein Mann aus einem Esclein an-
geritten gekommen, der eine braune Kutte gleich den
Bettlern trug, die unser Böhme wohl aus den Land-
straßen von Perugia gesehen hatte. Sein Gesicht war
ganz bleich und abgezehrt, und ein blonder Bart hing
wirr daran, ohne nach einem Bader zu sragen. Das
Sonderbarfte an ihm war aber für dcn srommen Laien-
priester auö Prag, daß er ganz wie er eine Tonsur ins
Haupthaar geschnitten hatte, also geistlich war gleich
ihm. Ehe er sich darüber ausgewundert hatte, fing —
o himmlisches Entsetzen! — der braune Mann aus dem
Eselein laut und herrlich an zu singen, und nicht etwa
das „üzwio Llsis" oder daö „8tat>at matsr", sondern
ein weltlich Lied, das die Sonne am Himmel und die
Freude aus Erden pries, und dessen Echo der Dom wie
ein aufgewachter Riese vielsach weitergab.

Der Böhme wollte sich voll sittlichcr Empörung
aus den singenden Reiter Gotteö ftürzen: „Bruder!
Was treibest du da?", als plötzlich wie auf einen Be-
sehl vom Himmel alle Tauben vom Platz und vom
Dach des Domes aus den Mann in der Kutte hernieder-
 
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