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Zeitschrift für christliche Kunst — 4.1891

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https://doi.org/10.11588/diglit.3823#0017

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1891. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 1.

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Neue Vorbilder für Kirchenausstattung im alten Geiste.

gewesen.

ür den Schmuck des Gotteshauses
Anleitung und Vorbilder zu geben,
ist von Anfang an eine der Haupt-
bestrebungen unserer Zeitschrift
Ihrem Programm gemäfs haben dabei
die drei letzten Jahrhunderte des Mittelalters
als die Glanzzeit der kirchlichen Kunst vor-
nehmlich Berücksichtigung erfahren, ohne dafs
jedoch die vorhergehenden und nachfolgenden
Jahrhunderte unbeachtet geblieben wären. Aus
den verschiedensten Gebieten, aus denen der
Wand-, Tafel-, Miniatur- und Glasmalerei, der
Stein- und Holzplastik, der Stickerei, der me-
tallischen Künste u. s. w. sind gerade solche
Muster ausgewählt worden, welche für die Nach-
ahmung besonders brauchbare Gesichtspunkte
bieten. Diese wurden in dem Texte, welcher
die Abbildungen als beschreibender Kommen-
tar zu begleiten pflegt, stets hervorgehoben.
Damit dürfte bei unseren Lesern ein besseres
Verständnifs für die alten Kunstgegenstände,
damit eine gerechtere Würdigung der neuen
Kirchen-Möbel und -Geräthe angebahnt und
herbeigeführt sein, die im Geiste der alten ge-
dacht und gemacht sind. Auf diesen Geist
kommt es vor Allem an, und nur derjenige
Künstler wird Befriedigendes zu schaffen ver-
mögen, der ihn in ernstem Studium in sich auf-
genommen hat. Auf die Belebung und Förde-
rung dieses Geistes bei den Kunsthandwerkern
wie Interessenten haben wir defswegen auch bis
jetzt den Hauptwerth gelegt; gerade ihr sollten
die mit Sorgfalt ausgewählten und mit Mühe
beschafften alten Vorbilder dienen, von denen
man zu viel verlangte, wenn man von ihnen
unmittelbare Verwendbarkeit in jedem einzelnen
Falle erwartete. . Sie wollten das Nachdenken
anregen, erleichtern, leiten, nicht es überflüssig
machen. In letzterem Falle würde das Bestre-
ben, praktisch zu sein, die Schablonenhaftigkeit
und damit die Geistlosigkeit gefördert haben,
welche das Grab aller wahren Kunstthätigkeit
ist. —■ Dieser Grundsatz mag immerhin die Be-
rechtigung des mehrfach geäufserten Wunsches
nicht ausschliefsen, den Künstlern Muster ge-
boten zu sehen, welche eine noch gröfsere
Brauchbarkeit im Sinne der heutigen kirchlichen
Bedürfnisse bezeichnen. Es läfst sich gewifs
nicht verkennen, dafs für manche kirchliche Ge-
brauchsgegenstände unserer Tage es an mittel-

alterlichen Vorbildern gänzlich fehlt, wie für
Kommunionbänke, Beichtstühle u. s. w., dafs
für andere, wie für Tabernakel, Kirchenbänke
u. s. w. den Anforderungen, sei es durch ver-
änderte liturgische Bestimmungen, sei es durch
eingetretene rechtmäfsige Gewohnheiten, die
überlieferten Muster nicht mehr genügen. In
diesen wie in manchen anderen Fällen wird es
sich darum handeln, im Sinne der modernen
Bedürfnisse und der alten Formen neue Gestal-
tungen zu ersinnen, die um so besser sein wer-
den, je mehr sie den neuen Vorschriften bezw.
Wünschen genügen und doch in den alten For-
menkreis sich eingliedern. — Da diese Aufgabe
zu schwer ist^um von allen oder auch nur von
den meisten Kunstjüngern selbstständig gelöst
werden zu können, da hierzu vielmehr aufser-
gewöhnliche Erfahrung und Fertigkeit erforder-
lich ist, so hat gewifs der Wunsch seine Be-
rechtigung, es möge, was einzelne ältere und ge-
übtere Künstler in dieser Beziehung Geschicktes
und Gelungenes erfunden und entworfen haben,
zum Gemeingute gemacht werden. Diese Ent-
würfe dürften aber, wenn sie in weiteren Kreisen
Nutzen schaffen sollen, weder zu reich noch zu
komplizirt sein, vielmehr würden gerade solche,
die sich durch Einfachheit wie im Ganzen, so
im Einzelnen auszeichnen, nicht nur den meisten
Anklang finden, sondern auch die besten Früchte
tragen. Gerade für minder bemittelte Kirchen
ist die Beschaffung einer würdigen und stilge-
rechten Ausstattung am schwierigsten, gerade
die anspruchsloseren Kunsthandwerker, die sich
ihr widmen, sind der Unterweisung in der Regel
am bedürftigsten und am allermeisten in Noth,
wenn sie nach Vorbildern suchen, denn die mei-
sten aus dem Mittelalter überlieferten zeichnet
ein gewisser Reichthum aus. Je einfacher aber
die Muster sind, um so richtiger und bestimmter
müssen sie sein, besonders in der Konstruktion
und in den Profilen, aus denen sie ja vor-
nehmlich bestehen, die ihnen wenigstens ihren
eigentlichen Charakter geben. In Bezug auf sie
finden sich zugleich bei den Künstlern, nament-
lich bei den Bildhauern, auf die es hier vor-
nehmlich ankommt, die gröfsten Mängel, sei es,
weil es ihnen zu deren Verständnifs an aller
Anleitung gefehlt hat, was bei den sogen. Figu-
risten die Regel ist, welche gewöhnlich am ehe-
sten sich für berufen erachten, sich als Kirchen-
 
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