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Zeitschrift für christliche Kunst — 4.1891

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https://doi.org/10.11588/diglit.3823#0030

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37

1891.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 1.

38

wie fern sich die Pfullinger Dekoration von
diesem Fehler hält, wie zart und feinfühlig sie
die architektonischen Glieder, das architekto-
nische Mafswerk aus dem Stein in die Farbe
überträgt; diese malende Hand leitete ein leben-
diges Gefühl davon, dafs sie nicht Architektur
bis zur Täuschung nachzubilden, sondern nur
architektonische Reminiscenzen malerisch zu
verwerthen habe. Darum ist in dieser gemalten
Architektur ein ähnlich ideeller Zug, eine ähn-
liche Grazie, wie in der Architektur der pom-
pejanischen Wandmalereien.

Wie einfach sodann ist die Farbengebung
dieser Temperatechnik! Nicht mehr als drei,
selbst sehr bescheidene Töne: der neutrale
Grundton, das kalte, harte, ruhige Grau, dann
die weifsen Quadrirungs- und Umsäumungs-
linien und das Ockerroth, die mildkräftige,
warme und volle Erdfarbe. Aber welche Wir-
kung erzielen diese sparsamen und einfachen
koloristischen Mittel! Wie vortrefflich harmo-
niert diese Trias; wie wird durch das schim-
mernde Weifs das Dunkel des Wandtons sieg-
reich gelichtet und dessen Kälte durch das
Roth wohlthuend erwärmt! Jetzt noch, ver-
dunkelt durch den Staubschleier, den die Jahr-
hunderte darüber gewoben, üben die Malereien

auf das Auge ihren erfreuenden aber nicht zer-
streuenden Reiz aus. Nur wahre Kunst vermag
mit so kleinen Mitteln so noblen und nach-
haltigen Effekt zu erzielen.

Wenn wir diese nie durch die Tünche ein-
gesargten, aber doch in gänzliche Vergessenheit
gerathenen und erst durch den Landeskonser-
vafor Dr. Paulus wieder entdeckten, durch
Architekt Cades aufgenommenen Wandmalereien
ausführlicher besprochen haben, so leitete uns
dabei nicht blofs ein historisches Interesse,
sondern namentlich auch ein praktisches. Viel-
leicht in keinem Punkte sind wir noch so un-
sicher, wie bezüglich der malerischen Ausstat-
tung der Kirchenbauten. Wo unsere Mittel ge-
ring sind, verfallen wir gerne in rohe und grobe
Formen- und Farbengebung, wo sie reich sind,
in geschmacklose und drückende Ueberladung.
Grofses Unheil entsteht namentlich, wenn man
bei geringer Leistungsfähigkeit der Kasse und
des Künstlers doch um jeden Preis sich über
das Ornamentale hinaus ins Figürliche vorwagt.
Das vorgeführte Beispiel kann uns Selbstbeschei-
dung lehren und Sinn für eine ebenso feine als
einfache, ebenso wirksame als jungfräulich zarte
und bescheidene Weise der Ornamentirung. —

Tübingen. Keppler.

Nachrichten.

f Der Geistliche Rath Ernst Münzenberger,

Stadtpfarrer in Frankfurt am Main, ist seiner so segens-
reichen wie umfassenden seelsorglichenThätigkeit, seiner
so erspriefslichen wie rasilosen Wirksamkeit auf dem
Gebiete der kirchlichen Kunst, die für ihn auch nur
eine andere Art der Seelsorge war, am 22. Dezember
des vorigen Jahres im Alter von 57 Jahren, durch einen
nach menschlicher Berechnung allzufrühen Tod ent-
rissen worden.

Wie seine auf langjährigen Beobachtungen und
Studien beruhenden reichen und gründlichen Kunst-
kenntnisse aus dem lebendigsten Interesse für die Kirche
und ihre Ausstattung hervorgegangen waren, so suchte
er sie auch in der Fürsorge für das Heiligthum und
dessen Schmuck zu verwerthen. Diesem Zwecke dienten
fast ausschliefslich die alten Kunstschätze, welche er
durch unermüdlichen Sammeleifer und grofse Opfer in
seiner Hand vereinigte, wie der persönliche Verkehr,
den er beständig mit den ausübenden Künstlern unter-
hielt, sie ohne Unterlafs anregend, unterweisend, auf
den Weg lenkend, den er in dem Studium und in der
Nachahmung der mittelalterlichen Kunstnachlassenschaft
als den einzig richtigen und zuverlässigen erblickte und
mit unwandelbarer Festigkeit behauptete. Wo es galt,
diese Zwecke zu fördern, erschien ihm kein Opfer zu

grofs, und die wenigen Tage, die er von Zeit zu Zeit
seiner überaus schwierigen Berufsthätigkeit abzusparen
vermochte, stellte er, unter vollständigem Verzicht nicht
blofs auf alle Erholung, sondern sogar auf die aller-
nothwendigsle Ruhe, unverkürzt in den Dienst der kirch-
lichen Kunst, im letzten Jahrzehnt auf forcirten Reisen
das Material mühsam zusammensuchend für sein höchst
verdienstvolles Altarwerk, von welchem wir vor Kurzem
den Abschlufs des ersten Bandes anzeigen konnten.

Unter für ihn nicht minder beschwerlichen Umständen
entstand, was er unserer Zeitschrift, zu deren Vorstand
er zählte, an Beiträgen zuwandte (den letzten in diesem
Hefte leider nur als Bruchstück). An der Zeitschrift
hing er mit grofser Liebe, weil er von ihr und von ver-
schiedenen anderen mit deren Herausgeber wiederholt
geplanten Veranstaltungen die Regenerirung der kirch-
lichen Kunst in Deutschland mit Bestimmtheit erwartete.
Unsere Zeitschrift hat daher an ihm einen ihrer treuesten
Freunde, eine ihrer zuverlässigsten Stützen verloren, die
sie noch oft vermissen wird.

Wenn sie ihm dieses Wort dankbarlicher Erinnerung
erst in diesem Hefte weiht, so hat das seinen Grund nur
in dem ganz ungewöhnlichen Umstände, dafs die vor-
hergehenden Hefle, wegen längerer Abwesenheit des
Herausgebers, bereits zum Abschlüsse gebracht waren.

Der Herausgeber.
 
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