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Zeitschrift für christliche Kunst — 4.1891

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https://doi.org/10.11588/diglit.3823#0089

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123

1891.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 4.

124

Nachrichten.

Zur Charakterisirung des Baumeisters
Friedrich Freiherrn von Schmidt.

Es darf angenommen werden, dafs die Leser dieser
Zeitschrift sich in Kenntnifs des Lebensganges des vor-
stehend bezeichneten Mannes befinden. Haben doch
nicht blofs die der Kunst dienenden Organe, sondern
die Tagesblätter, fast ohne Unterschied, dem Hingeschie-
denen Nachrufe gewidmet, seiner Persönlichkeit, seinem
Wirken und Schaffen die ehrendste Anerkennung, wie
sich's gebührte, zu Theil werden lassen. Solchergestalt
Veröffentlichtes soll hier nicht wiederholt werden; das
Nachfolgende bezweckt vielmehr im Wesentlichen nur
die Klarstellung des stilistischen Glaubensbekenntnisses
des Meisters, wenn der Ausdruck erlaubt ist.1)

Allgemein wird Schmidt, wie es in der »Deutschen
Bauzeitimg« (1891 Nr. 8) heifst, als „das anerkannte
Haupt und nicht zum geringsten Theil als der Schöpfer
der deutschen neugothischen Schule bezeichnet", dar-
über aber, wie sich seine „Neugothik", überhaupt seine
Richtung, zur Golhik der mittelalterlichen Meister ver-
hält, gehen die Stimmen gar sehr auseinander. Zu
den „zünftigen, eingeschworenen Gothikern" gesellt ihn
meines Wissens keine, wenigstens keine der in Fach-
kreisen laut gewordenen. Italienisch-renaissancistische,
ja sicilianische Anklänge gäben in diesen oder jenen
seiner Werke sich kund, ein anderer Bau kennzeichne
sich entschieden als „deutsche Renaissance", in seinem
Rathhausbau erscheine Schmidt als „von der Antike
sanft angeschmeichelter gothischer Künstler, im Sühne-
haus als antiker Künstler in gothischem Gewände" und
sei dies Bauwerk als „sein künstlerisches Testament zu
betrachten" (»Centralblalt der Bauverwaltung«, 1891
Nr. D). Auch eine Hinneigung zum Byzantinischen wird
ihm noch auf Grund seines Fünfhausener Kuppelbaues
beigemessen; ein Wiener Professor, Namens Deininger,
endlich bekundet von ihm die Aeufserung, „er wünsche
noch einmal jung zu sein, um sich dann mit ganzer
Kraft dem romanischen Stil widmen zu können (»D. Bau-
zeitung« Nr. 24 S. 145). So schwankt das Bild unseres
Meisters, je nach dem Zeichner desselben, wie in
Nebelwolken, hin und her; an dem „anerkannten Haupt
der deutschen neugothischen Schule" macht danach
kein entschieden gothischer Zug sich mehr bemerklich.
Mit diesem Bild in Uebereinstimmung ist auch der sog.
neugothischen Bewegung das Horoskop gestellt. So
spricht, um nur einen, aber einen besonders schwer-
wiegenden Beleg hierfür vorzuführen, der Herausgeber
der »Deutschen Bauzeitung*, Herr Fritsch, in der

!) Das religi Öse Gl.iubensbekenntnifs Schmidts, insbeson-
dere seinen Uebertritt zum Katholizismus anlangend, sei gleich
hier bemerkt, dass derselbe nicht, wie die »Kölnische Zeitung«
und die »Deutsche Bauzeitung« berichten, 1849, zur Zeit seiner
Verheirathung mit der Schwester des Dombildhauers Mohr,
erfolgte, sondern unmittelbar vor seiner Abreise nach Mailand,
gegen Ende März 1858. Das erstgedachte Blatt (1891 Nr 32!
Hilfst diesem Schritt einen ,.mystisch-romantischen Zug dama-
liger Zeit" bei. Während seines nachfolgenden Lebens und, am
Schlüsse desselben, durch die Art seiner Vorbereitung zum Tod,
hat aber Schmidt keinem Zweifel darüber Raum gelassen, dafs
demselben klare Erkenntnifs, seiner Bedeutung und tiefe Ueber.
Zeugung zu Grunde lag.

Schrift: »Slilbetrachtungen« (S. 31) die Ansicht aus,
der gothische Stil habe „den Höhepunkt seiner iu
unserem Zeitalter erlangten neuen Blüthe bereits über-
schritten und werde immer mehr Boden verlieren", ein
Ausspruch sehr angenehmer, beruhigender Art, für das
Heer der grundsatzlosen, der Gothik nicht mächtigen
Stilmenger oder Eklektiker, das Gegenthei! für alle Die-
jenigen, welche, nach wie vor, von der Wiederbelebung
der Gothik, ihrem Grundwesen nach, das Heil für die
Architektur erblicken und weiter erwarten. Darin wer-
den beide Theile wohl übereinstimmen, dafs es sehr
wünschenswerth ist, möglichst Gewifsheit darüber zu er-
halten, ob wirklich der an der neuen Blüthe der mittel-
alterlichen Bauweise in so grofsem Maasse betheiligt
gewesene Meisler mehr oder weniger derselben untreu
geworden ist, sich von ihr, auf Grund innerster Ueber-
zeugung, abgewendet hat. Ein zuverlässigeres Ergebnifs
in jener Beziehung kann selbstverständlich nicht erzielt
werden, als mittels eigener, insbesondere schriftlicher
Aeufserungen desselben. Vor mir liegen nun von ihm
während des Laufes der letzten 25 Jahre (unsere per-
sönliche Bekanntschaft hatte gleich nach seinem Ein-
tritt in die Dombauhütte begonnen) an mich gerichtete
Briefe. Hoffentlich ist die Zeit nicht gar ferne, in
welcher dieselben ihrem ganzen Inhalte nach veröffent-
licht werden können. Es wird sich dann zeigen, wie
sehr Schmidt auch des geschriebenen Wortes
Meister war, wie tief sein Empfinden, wie lebhaft sein
Interesse, wie klar sein Blick auch für aufserhalb des
Kunstgebietes Belegenes. Nachfolgend glaube ich nur
auf die zuvor bezeichnete Frage sich Beziehendes mit-
theilen zu sollen, und zwar auch dieses unter Beiseite-
lassung von allem, dritte, lebende Personen oder ge-
wisse, noch nicht zu völligem Abschlufs gekommene
Verhältnisse Betreffenden, wenngleich meist das allge-
mein Gefafste dadurch gewissermafsen illustrirt, erst so
recht in's Auge springend sich gestalten würde.

Auf die Gefahr hin, als selbstgefällig zu erscheinen,
sei vorerst bemerkt, dafs Schmidt bis an sein Ende bei
jedem durch mein Mitthun zur Förderung der Gothik,
und zwar der streng-mittelalterlichen, sich ihm bieten-
den Anlafs mir seine volle Zustimmung zu Theil wer-
den liefs, mich zum Ausharren im Kampfe für dieselbe
ermuthigend. Ich bin auf die Einwendung gefafst,
dafs dies sein Verhalten wohl mehr in freundlicher Ge-
sinnung für meine Person, als in sachlicher Erwägung
seinen Grund gehabt haben werde. Jedenfalls kann
dies Demjenigen, was nun aus seiner Feder folgen soll,
nicht entgegen gehalten werden.

Dafs Schmidt bis 1865 seinem „grofsen Lehr-
meister", wie er den Kölner Dom in einem seiner
Briefe nannte, treu geblieben und treu zu bleiben ent-
schlossen war, ergiebt sich aus einem am 8. April jenes
Jahres aus Wien mir geschriebenen Briefe, dessen In-
halt sich zugleich um einen Wendepunkt in seinem
Schaffen und Wirken bewegt; darin heifst es, wie folgt:

„Dank einer eigenthümlichen Verkettung der hie-
sigen Verhältnisse war es mir möglich, zunächst ohne
grofses Aufsehen zu erregen, einen festen Grund zu
legen, sowohl für die Kenntnifs als auch für die An-
 
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