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Zeitschrift für christliche Kunst — 4.1891

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https://doi.org/10.11588/diglit.3823#0113

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161

1891.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST

Nr. 5.

1G2

In welchem Stile sollen wir unsere Kirchen bauen?

eber diese Frage sind in der »Zeit-
schrift für christliche Kunst« bereits
mehrere Abhandlungen erschienen.
Während in Bd. II Sp. 124/25 und
Bd. III Sp.168, 258/60 die Gotliik als die für den
Kirchenbau angemessenste Stilform hingestellt
worden ist, sucht der Verfasser eines in Bd. III
Sp. 377 ff. erschienenen Aufsatzes auch dem
romanischen Stil für gewisse Fälle eine Berech-
tigung zu wahren. Wenn es nun wohl nicht
angebracht sein dürfte, hier nochmals in eine
eingehendere Erörterung dieser Frage einzu-
treten, so möge es doch erlaubt sein, wenigstens
einen Umstand, welcher bei dieser Frage von
nicht geringer Bedeutung ist, noch besonders
zu betonen. Da derselbe zu Gunsten der Gothik
in die Wagschale fällt, so sei im Voraus be-
merkt, dafs diese Zeilen dennoch keineswegs
aus Abneigung gegen den romanischen Stil ge-
schrieben sind. Wird doch gerne anerkannt,
dafs so viele Bauwerke aus der Blüthezeit der
romanischen Kunst sich in hohem Grade durch
eine eigenartige monumentale Schönheit aus-
zeichnen. Namentlich in Bezug auf feierliche
Ruhe und kraftvolle Würde, welche bei einem
Bauwerke so aufserordentlich wohlthuend wir-
ken, werden die romanischen Kirchen kaum von
den Schöpfungen irgend eines anderen sog.
Bogenstils übertroffen. Die schweren Pfeiler
und gewaltigen Mauermassen mit ihren spär-
lichen Durchbrechungen sind besonders für den
Eindruck, den wir im Innern der Kirchen em-
pfangen, von gröfstem Vortheil, indem sie den
Gewölben eine für unser Gefühl derart kraft-
volle Stütze verleihen, dafs selbst durch diese
über unserem Haupte ausgespannten Stein-
massen, so schwer sie auch sein mögen, selten
ein beunruhigendes Gefühl entsteht, der Ein-
druck der Ruhe, den das ganze Gebäude athmet,
gestört wird. Bei keinem der sog. Bogenstile
ist das Verhältnifs zwischen Stütze und Last
ein so angemessenes als in der romanischen
Baukunst. Namentlich gilt dies von denjenigen
spätromanischen Kirchen, in welchen die Ge-
wölbe schon eine etwas leichtere Form ange-
nommen, ohne dafs Pfeiler und Wände in
gleichem Mafse an Stärke verloren haben.

Diesen ästhetischen Vorzügen des romani-
schen stehen aber manche andere des gothischen
Stils gegenüber. Vor Allem dürften hier sehr

gewichtige technische und praktische Nachtheile
in Betracht kommen, welche bei Bauten im ro-
manischen Stil sich ergeben. Dafs die umfang-
reichen Pfeiler den freien Durchblick vielfach
zu sehr behindern, dafs die gewaltigen Mauer-
massen eine grofse Materialverschwendung be-
dingen, ist wohl zu beachten. Doch noch aus
einem anderen Grunde mufs der romanische
Stil für die Bedürfnisse unserer Zeit als ein un-
praktischer bezeichnet werden. Dieser Grund
liegt in den verhältnifsmäfsig kleinen Fenstern,
welche den romanischen Kirchen eigen sind. Wie
solche im Mittelalter mit einer farbigen Vergla-
sung versehen wurden, so ist man heute glück-
licherweise wieder auf den Standpunkt gelangt,
diesen Fensterschmuck als eine unerläfsliche
Zierde eines vollkommen künstlerisch ausge-
schmückten Gotteshauses zu betrachten. Vermag
ja nichts so sehr den Gesammteindruck, den das
Innere einer Kirche hervorruft, zu heben als die
in glühender Farbenpracht erstrahlenden Licht-
öffnungen, vorausgesetzt, dafs diese Farben gut-
gewählte und harmonische sind (was freilich
bis jetzt leider zu den gröfsten Seltenheiten
gehört). Nun ist aber eine romanische Kirche
mit ihren verhältnifsmäfsig kleinen Fenstern,
wenn diese eine stilgemäfse Bemalung erhalten,
so schwach erhellt, dafs hierdurch ein grofser
Uebelstand hervorgerufen wird. Im Mittelalter,
als die Buchdruckerkunst noch nicht erfunden
war, hatte jener Umstand noch keine wesent-
liche Bedeutung. In der Gegenwart verlangt
man aber seine Andacht vorzugsweise aus einem
Gebetbuche zu verrichten, und wenn eine mit
kleinen Fenstern versehene Kirche selbst an
hellen Tagen nur höchst mangelhaft erleuchtet
ist, und beim Morgengottesdienst immer noch
Dunkelheit oder Dämmerlicht herrscht, da
schon in einem mit gröfseren Fenstern ver-
sehenen Gotteshause die künstliche Beleuchtung
der natürlichen gewichen ist, so darf dies gewifs
als ein Uebelstand bezeichnet werden, welcher
durchaus nicht zu Gunsten der romanischen
Kirchen spricht. Die Fenster in wesentlich
gröfseren Verhältnissen anzulegen, ist aber —■
abgesehen davon, dafs ein grofses, rundbogiges,
nicht mit Pfosten und Mafswerk versehenes
Fenster sehr unschön ist — wohl nicht zu-
lässig. Technische Bedenken dürften zwar hier
nicht entgegenstehen, wenn man die Gewölbe
 
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