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Zeitschrift für christliche Kunst — 4.1891

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https://doi.org/10.11588/diglit.3823#0114

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163

1891.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 5.

164

in leichterem Material (in Schwemmsteinen, wie
in Bd. III Sp. 383 vorgeschlagen ist) ausführte.
Zugleich mit dem Material wird man aber, ohne
Gefahr vom romanischen Stil wesentlich abzu-
weichen, nicht wagen dürfen, die Form der ro-
manischen Gewölbe, welche mehr oder weniger
den Eindruck der Schwere hervorrufen, wesent-
lich abzuändern. Solche Gewölbe verlangen
aber schon aus ästhetischen Gründen eine kräf-
tige Unterstützung mittels starker, nur in ge-
ringem Mafse durchbrochenen Mauermassen. Es
möge hier die treffliche Bemerkung in Bd. III
Sp. 168 zu wiederholen erlaubt sein: „Kein Stil
ist darin auch empfindlicher und gestattet weniger
eine freiere Auffassung und Disposition: werden
diese strengen, ganz unabänderlichen Ueber-
lieferungen nur im Geringsten verlassen, erlaubt
man sich leichtere Pfeiler oder Säulen, gröfsere
Fensteröffnungen, sofort ist der neuromanische,
der Kasernenstil da, und vor dem bewahre uns
der Himmel. Die meisten sogen, romanischen
Kirchen unserer Zeit, ich möchte sagen, fast
alle, mit nur winzigen Ausnahmen, tragen leider
nur allzusehr dieses Gepräge". Wer durchaus
gewisse konstruktive Mittel der Neuzeit (ein-
schliefslich Eisen und Schwemmsteine) in einer
diesen Mitteln angemessenen Weise anwenden
will, wird, und darin mag der Verfasser der
Abhandlung in Bd. III Sp. 377 ff. in vollem
Mafse Recht haben, wohl eher zu befriedigen-
den Resultaten gelangen, wenn er nicht an go-
thische, sondern an romanische Formen an-
knüpft; aber im Grofsen und Ganzen werden
diese Schöpfungen nicht mehr den Charakter
des romanischen Stils besitzen.

Wenn nun genügend grofse Fenster als eine
für den neuzeitlichen Kirchenbau unerläfsliche
Bedingung hingestellt werden, so lassen sich
die Lichtöffnungen in der Gothik durchaus hin-
reichend, ja sogar so grofs herstellen, dafs die
ganzen Aufsenwände bis auf äufserst geringe,
für die Gewölbstützen nothwendigen Mauer-
theile durchbrochen werden. Je weiter man
aber in dieser Beziehung geht, desto eher setzt
man sich freilich der Gefahr aus, dem Gebäude
jenen Ernst und jene ruhige Würde zu nehmen,
welche im Anfange dieser Zeilen als eine der
schönsten Vorzüge des romanischen Stils be-
zeichnet worden ist. Denn bei Betrachtung des
Innern got Irisch er Kirchen kommt ein Theil
der Gewölbstützen, d. h. Strebepfeiler und Strebe-
bögen, weil sie aufserhalb des Gebäudes an-

gebracht sind, auf den Beschauer nicht zu un-
mittelbarer Wirkung. Doch es ermöglicht auch
hier die so viel Freiheit gestattende Elasti-
zität des gothischen Stils, die Stützen zur Last
im vollsten Einklang zu bringen (wie dies auch
thatsächlich bei manchen Kirchen, namentlich
des XIII. und auch noch des XIV., seltener
des XV. Jahrh. geschehen ist). Denn abgesehen
davon, dafs die Gewölbe, Rippen und Kappen
viel leichter und zierlicher konstruirt werden
können als im romanischen Stil, vermag man
die Kraft der Stützen — auch vom Innern der
Kirche aus betrachtet — genügend kräftig zu
gestalten. Da solches indessen bei neuen go-
thischen Kirchen in der Regel nicht in dem
Mafse geschieht, wie dies m. E. im Interesse
einer befriedigenden Wirkung wünschenswerth
erscheint, so dürften hier vielleicht einige Vor-
schläge gestattet sein.

Um zunächst von der Hallenkirche zu
sprechen, beschränke man die freistehenden,
die Schiffe theilenden Säulen — vorausgesetzt,
dafs nicht eine Materialersparnifs geboten ist
— nicht auf das äufserst zulässige Mafs, und
statt den Aufsenwänden drei einfache Dienste
oder nur ein Rundsäulchen vorzulegen,, oder
die Rippen auf Konsolen zu setzen, oder gar,
wie vielfach in der Spätgothik, in die Wand-
flache einschneiden zu lassen, wende man den
freistehenden Säulen entsprechende Halbsäulen
bezw. halbe Bündelsäulen an oder ziehe einen
Theil der Strebepfeiler nach innen, so dafs die
Dienste sich (glatten oder profilirten) Wand-
pfeilern anlehnen, welche oberhalb der Fenster
mittels Schildbögen verbunden werden. Es
kann dann keinenfalls der äufserst unangenehme
Eindruck entstehen, dafs die eingespannten Ge-
wölbe mit ihrem senkrechten und besonders
auch ihrem seitlichen Druck keinen genügenden
Widerstand fänden. Sollten beim theilweisen
Einziehen der Strebepfeiler diese in ihrer äufsern
Wirkung beeinträchtigt werden, d. h. hier zu
schwach erscheinen, so bliebe freilich nichts
anderes übrig, als diese Pfeiler in einer Stärke
anzulegen, welche das in konstruktiver Hinsicht
erforderliche Mafs überschreitet.

Bei Kirchen im Kathedralsystem kann man
in gleicher Art in den Seitenschiffen verfahren,
ein entsprechendes Resultat aber auf irgend
eine Weise auch im Mittelschiff erzielen, indem
man zunächst die Säulen (bei Bündelsäulen
mindestens in der Querachse der Kirche; ahn-
 
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