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Zeitschrift für christliche Kunst — 4.1891

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https://doi.org/10.11588/diglit.3823#0101

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Abhandlungen.

Ein neues Bild des Meisters vom
Tode Maria.

Mit Lichtdruck (Tafel VI).

or Kurzem sah ich in Köln ein
Madonnenbild wieder (augen-
blicklich in Privatbesitz), bei wel-
chem ich früher wegen der star-
ken Uebermalung nicht hatte in's Reine kommen
können, ob dasselbe von dem in's Auge ge-
fafsten Künstler selbst herrühre, oder ob es eine
alte Kopie nach ihm sei. Ich erkannte jetzt,
wo es mir in einem wesentlich besseren Zu-
stande entgegentrat (es ist kürzlich von Fridt
in Köln gut gereinigt worden), dafs meine
Vermuthung betreffs der Kunstweise richtig ge-
wesen und ferner, dafs hier ein eigenhändiges
Werk des Meisters vorliege.

Es ist der bekannte Meister vom Tode
Maria, bei den Kunstforschern unter diesem
Namen bekannt schon seit Anfang der vierziger
Jahre, als man durch endliches Auftauchen eini-
ger beglaubigten Werke des Jan van Scorel zur
Erkenntnifs kam, dafs die Gebrüder Boisseree
jenen Kölner Meister seit 1811, als der grofse
Altar des Marientodes in ihre Sammlung über-
ging, ohne Spur einer Berechtigung für Scorel
erklärt hatten. Eine ausführliche Erzählung dieser
merkwürdigen Vorgänge habe ich im »Repertor.
f. Kunstwissensch.« (VII, S. G4/GG) geliefert; es
ergiebt sich daraus, dafs selbst die ängstlichsten
Konservirer altehrwürdiger Irrthümer nun keine
Veranlassung mehr hatten, am vorliegenden fest-
zuhalten, da Sulpiz Boissere'e selbst, gleich nach-
dem er die echte Ütrechter Madonna Scorel's
kennen gelernt, die Unhaltbarkeit seiner dreifsig
Jahre hindurch gepflegten Lieblings-Hypothese
einsah (vgl. seinen Briefwechsel »Sulpiz Boisseree«
I, S. 800 11. 803). Die seit den vierziger Jahren
rasch wachsende Anzahl der vom „Meister v.
T. M." jeweilig bekannt gewordenen Werke giebt
übrigens einen hübschen Beleg für die Fort-
schritte der Künstforschung: konnte S. Boisseree
zuletzt (1838) deren erst 5 aufzählen, so nannte
Passavant 1841 schon 11, Waagen 1802 14,
Woermann 1881 21, welchen ich 1883 noch 29
hinzufügte, darunter allerdings einige Schul-

kopien (»Repertor.f. Kunstwissensch.«VII, S. 04);
und jetzt sind mir wieder 13 weitere bekannt ge-
worden (wobei das Ehepaar Nr. 303 a im Kölner
Museum; vgl. die gediegene neue Schrift von
E. Firmenich-Richartz über B. Bruyn, S. 100).
Der Meister steht gegenwärtig also als einer der
fruchtbarsten seiner Zeit da; er ist in fast allen
grofsen Gallerien vertreten, von Madrid bis
Petersburg und von Neapel bis England.

In den beiden letzten Jahrzehnten sind zwei
Versuche gemacht worden, ihm einen bestimmten
Namen zu geben. Zuerst 1874 durch O. Eisen-
mann, der ihn für Jan Joest erklärte; kam dieser
auch später selbst von seiner Annahme zurück,
so hatte sie doch die gute Wirkung, dafs man
auf den Zusammenhang beider Meister aufmerk-
sam wurde. Mehr Staub wirbelte A. von Wurz-
bach auf, der zu Anfang der achtziger Jahre drei
Identitäts-Hypothesen steigen liefs, wovon es
jedoch nur die auf unsern Meister bezügliche zu
einer winzigen Anhängerschaft brachte. Es sollte
wieder einmal der seit 1840 fallen gelassene
Scorel sein, und zwar nur in seiner voritalie-
nischen Frühzeit, aus welcher kurz vorher der
beglaubigte Obervellacher Altar von 1520 ent-
deckt worden war. Jenen Häufen von Bildern
hätte Scorel demnach vor seinem römischen
Aufenthalt (seit Anfang 1522), also vor seinem
27. Jahre gemalt. Ein Präger Advokat, H.Toman,
ging noch weiter, indem er zwei Broschüren zu-
sammenschrieb (1888 u. 1889), um nachzuweisen,
dafs die Gemälde, welche die neuere Forschung
für spätere Werke Scorels hält, diesem gar nicht
angehörten, so dafs also die Bilder des bisherigen
„Meisters v. T. M." auf die ganze lange Lebens-
zeit Scorel's zu vertheilen wären. Einen solchen
vermeintlichen Nachweis konnte Totnan jedoch
nur auf Grund seiner ganz unzulänglichen Kennt-
nifs der beglaubigten Werke Scorel's und einer
starken Dosis Beiseitelassung des gesunden Men-
schenverstandes unternehmen. Bei allen Sach-
verständigen fanden diese Sensations-Broschüren
dieselbe Aufnahme, wie jetzt das Machwerk von
Lautner über Rembrandt. Erfreulich ist dagegen
der Fund von L. Kämmerer, welcher darthut
(»Jahrbuch d. Preufs. Kunstsamml.« 1890, Heft 3),
dafs das auf dem Kölner Altar stehende Zeichen,
 
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