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1891.
ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST
Nr. 5.
140
in welchem man schon längst das des Malers
vermuthet hatte, wobei der letzte Buchstabe
jedoch undeutlich ist, sich durch das gleiche
Zeichen auf-dem Danziger Altar des Meisters
unzweifelhaft als Ib (zwischen beiden ein Mono-
gramm aus VA) lesen läfst. Kämmerer erklärt
das in der Mitte stehende Monogramm durch
Analogie mit „vielen anderen derartigen Bezeich-
nungen" von Niederländern für nichts weiter als
„van" bedeutend, so dafs der Maler also J. van B.
geheifsen hätte. Hoffen wir, dafs durch einen
weiteren glücklichen Fund diese Initialen einmal
zum vollen Namen ergänzt werden; die vielen in
den letzten zwanzig Jahren erfolgten Erörterungen
über den „Meister v. T. M.", wenn sie grofsen-
theils auch nur polemischer Natur waren, hatten
doch die Wirkung, ihm das Interesse der Kunst-
gelehrten besonders lebhaft zuzuwenden, so dafs
zuversichtlich keine sich darbietende Gelegen-
heit, ihm zu seinem vollen Namen zu verhelfen,
versäumt werden wird. Zudem gehört er ja zu
den allerbesten deutschen Meistern seiner Zeit,
und im Bereich der niederländisch-niederrheini-
schen Schule vom ersten Drittel des XVI. Jahrh.
ist er der einzige,- welcher dem grofsen Quintin
Massys gleichgestellt werden kann.
Unser Bild stellt eine thronende Maria mit
dem Kinde dar; links vor ihnen steht ein Tisch-
chen mit Erfrischungen, wie das bei den nieder-
ländischen Malern vom Anfang des XVI. Jahrh.,
namentlich aber bei Massys und dem „Meister
v. T. M." beliebt war. Der Thron zeigt Formen,
die für letzteren Künstler auffallend alterthüm-
lich sind. Denn während dessen frühest datirte
Werke (von 1515 u. 1516, darunter der Altar im
Kölner Museum) schon entwickelte Renaissance-
Architektur haben, bietet die vorliegende Tafel
noch gothische Formen. Dies, in Verbindung
mit später zu Erörterndem, hat mich auf die
Vermuthung gebracht, es könne hier eine freie
Kopie unseres Meisters nach einem älteren vor-
liegen, und zwar wohl nach einem Frühwerk
des Quintin Massys. Der Antwerpener ist in
älterer und neuerer Zeit ja mehrfach als ein
Hauptvorbild des Kölners genannt, und die
Werke beider sind auch oft genug untereinander
verwechselt worden, selbst von guten Kennern.
Ueber die Frühwerke des Massys gestatte
man mir eine kurze Erörterung. Schon Waagen
(»Handbuch« 1862, I, S. 145) hatte drei Bilder
als solche erkannt; erst 1887 jedoch erfolgte
in diesem Punkt ein Fortschritt, als K. Justi
vier grofse Tafeln eines Altars in Valladolid
von 1503 bestimmt für Frühwerke des Massys
erklärte und Waagen bezüglich der kleineren
Madonna in Brüssel (Nr. 75) beistimmte (»Jahr-
buch d. Preufs. Kunstsamml.« 1887, Heft 1). Seit
Uebertragung des grofsen Sippenaltars von 1509
aus Löwen in die Brüsseler Gallerie (1879) war
es nämlich möglich geworden, mit diesem die
beiden früheren Brüsseler Madonnen (Nr. 21 u. 75)
unmittelbar zu vergleichen, wobei es sich für
geschulte deutsche Augen als unzweifelhaft her-
ausstellte, dafs Waagen Recht gehabt. Der über-
vorsichtige Brüsseler Katalog wird freilich noch
einige Jahrzehnte brauchen, bis er zu dieser
Erkenntnifs kommt.
Vergleichen wir nun die Photographien zweier
thronenden Madonnen von Massys, der frühen
in Brüssel (Nr. 21 »Schule der van Eyck«) und
der späteren in Berlin, mit dem Kölner Bilde, so
finden wir, dafs es bezüglich des Aufbaues des
Thrones zwischen den beiden anderen steht:
dem Brüsseler ähnelt es besonders im unteren
Theile, nämlich in der Lehne und den Pfosten,
dem Berliner im oberen, nämlich den beiden
seitlichen Säulchen (welche aber bei der Ber-
liner keine Figuren tragen) und dem feinen
gothischen Zierwerk in dem Rundbogen über
Maria. Gerade in diesem Zierwerk zeigt sich
jedoch, dafs der Kölner Meister die ältere,
strengere Weise des Massys in seine modernere,
unruhigere übertragen hat: es ähnelt schon der
in den Frühwerken des Bles beliebten phantasti-
schen Form (man vergleiche dessen Münchener
Verkündigung). Ein Anklang an die spielende
Art der Renaissance findet sich noch bei der
Darstellung am Knopf des rechten Thronpfostens,
wo ein nacktes geflügeltes Kind mit dem Teufel
kämpft, das doch niemand anders als der heil.
Michael sein kann.
Was ferner für ein Vorbild aus der Frühzeit
des Qu. Massys spricht, ist namentlich der Um-
stand, dafs Kleid und Mantel der Maria dieselbe
Farbe tragen, und zwar ein dunkles, stark bräun-
liches Roth, worin Massys bei seinen Frühwerken
die Maria zu kleiden liebt, während mir beim
„Meister v. T. M." nie eine derartige Tracht der-
selben vorgekommen ist. Dann gehört der lange,
schmale Halsausschnitt bei Maria zu Massys'
Gepflogenheiten, wogegen der „Meister v.T. M."
immer die spätere, wesentlich breitere Form
hat. Auch die etwas sehr ruhige, gleichmäfsig
geschwungene Form der Finger Maria's ist durch
1891.
ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST
Nr. 5.
140
in welchem man schon längst das des Malers
vermuthet hatte, wobei der letzte Buchstabe
jedoch undeutlich ist, sich durch das gleiche
Zeichen auf-dem Danziger Altar des Meisters
unzweifelhaft als Ib (zwischen beiden ein Mono-
gramm aus VA) lesen läfst. Kämmerer erklärt
das in der Mitte stehende Monogramm durch
Analogie mit „vielen anderen derartigen Bezeich-
nungen" von Niederländern für nichts weiter als
„van" bedeutend, so dafs der Maler also J. van B.
geheifsen hätte. Hoffen wir, dafs durch einen
weiteren glücklichen Fund diese Initialen einmal
zum vollen Namen ergänzt werden; die vielen in
den letzten zwanzig Jahren erfolgten Erörterungen
über den „Meister v. T. M.", wenn sie grofsen-
theils auch nur polemischer Natur waren, hatten
doch die Wirkung, ihm das Interesse der Kunst-
gelehrten besonders lebhaft zuzuwenden, so dafs
zuversichtlich keine sich darbietende Gelegen-
heit, ihm zu seinem vollen Namen zu verhelfen,
versäumt werden wird. Zudem gehört er ja zu
den allerbesten deutschen Meistern seiner Zeit,
und im Bereich der niederländisch-niederrheini-
schen Schule vom ersten Drittel des XVI. Jahrh.
ist er der einzige,- welcher dem grofsen Quintin
Massys gleichgestellt werden kann.
Unser Bild stellt eine thronende Maria mit
dem Kinde dar; links vor ihnen steht ein Tisch-
chen mit Erfrischungen, wie das bei den nieder-
ländischen Malern vom Anfang des XVI. Jahrh.,
namentlich aber bei Massys und dem „Meister
v. T. M." beliebt war. Der Thron zeigt Formen,
die für letzteren Künstler auffallend alterthüm-
lich sind. Denn während dessen frühest datirte
Werke (von 1515 u. 1516, darunter der Altar im
Kölner Museum) schon entwickelte Renaissance-
Architektur haben, bietet die vorliegende Tafel
noch gothische Formen. Dies, in Verbindung
mit später zu Erörterndem, hat mich auf die
Vermuthung gebracht, es könne hier eine freie
Kopie unseres Meisters nach einem älteren vor-
liegen, und zwar wohl nach einem Frühwerk
des Quintin Massys. Der Antwerpener ist in
älterer und neuerer Zeit ja mehrfach als ein
Hauptvorbild des Kölners genannt, und die
Werke beider sind auch oft genug untereinander
verwechselt worden, selbst von guten Kennern.
Ueber die Frühwerke des Massys gestatte
man mir eine kurze Erörterung. Schon Waagen
(»Handbuch« 1862, I, S. 145) hatte drei Bilder
als solche erkannt; erst 1887 jedoch erfolgte
in diesem Punkt ein Fortschritt, als K. Justi
vier grofse Tafeln eines Altars in Valladolid
von 1503 bestimmt für Frühwerke des Massys
erklärte und Waagen bezüglich der kleineren
Madonna in Brüssel (Nr. 75) beistimmte (»Jahr-
buch d. Preufs. Kunstsamml.« 1887, Heft 1). Seit
Uebertragung des grofsen Sippenaltars von 1509
aus Löwen in die Brüsseler Gallerie (1879) war
es nämlich möglich geworden, mit diesem die
beiden früheren Brüsseler Madonnen (Nr. 21 u. 75)
unmittelbar zu vergleichen, wobei es sich für
geschulte deutsche Augen als unzweifelhaft her-
ausstellte, dafs Waagen Recht gehabt. Der über-
vorsichtige Brüsseler Katalog wird freilich noch
einige Jahrzehnte brauchen, bis er zu dieser
Erkenntnifs kommt.
Vergleichen wir nun die Photographien zweier
thronenden Madonnen von Massys, der frühen
in Brüssel (Nr. 21 »Schule der van Eyck«) und
der späteren in Berlin, mit dem Kölner Bilde, so
finden wir, dafs es bezüglich des Aufbaues des
Thrones zwischen den beiden anderen steht:
dem Brüsseler ähnelt es besonders im unteren
Theile, nämlich in der Lehne und den Pfosten,
dem Berliner im oberen, nämlich den beiden
seitlichen Säulchen (welche aber bei der Ber-
liner keine Figuren tragen) und dem feinen
gothischen Zierwerk in dem Rundbogen über
Maria. Gerade in diesem Zierwerk zeigt sich
jedoch, dafs der Kölner Meister die ältere,
strengere Weise des Massys in seine modernere,
unruhigere übertragen hat: es ähnelt schon der
in den Frühwerken des Bles beliebten phantasti-
schen Form (man vergleiche dessen Münchener
Verkündigung). Ein Anklang an die spielende
Art der Renaissance findet sich noch bei der
Darstellung am Knopf des rechten Thronpfostens,
wo ein nacktes geflügeltes Kind mit dem Teufel
kämpft, das doch niemand anders als der heil.
Michael sein kann.
Was ferner für ein Vorbild aus der Frühzeit
des Qu. Massys spricht, ist namentlich der Um-
stand, dafs Kleid und Mantel der Maria dieselbe
Farbe tragen, und zwar ein dunkles, stark bräun-
liches Roth, worin Massys bei seinen Frühwerken
die Maria zu kleiden liebt, während mir beim
„Meister v. T. M." nie eine derartige Tracht der-
selben vorgekommen ist. Dann gehört der lange,
schmale Halsausschnitt bei Maria zu Massys'
Gepflogenheiten, wogegen der „Meister v.T. M."
immer die spätere, wesentlich breitere Form
hat. Auch die etwas sehr ruhige, gleichmäfsig
geschwungene Form der Finger Maria's ist durch