Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 4.1891

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3823#0163

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Abhandlungen.

Die neue Bronzethüre an der Nord-
seite des Kölner Domes.

Mit Lichtdruck (Doppeltafel X).

,eitdem Prof. Hugo Schneider in
Kassel mit der in dieser Zeitschrift
(Jahrg. 1889 Sp. 241 bis 248) ein-
gehend beschriebenen Erzthüre
diesen Portalschmuck dem Kölner
Dome einzugliedern begonnen,
hat diese Ausstattungsarbeit an
demselben nicht geruht. Die Süd-
seite erglänzt bereits im Schmucke sämmtlicher
von derselben Hand herrührender acht Thür-
flügel, die sehr einheitlich, aber auch etwas ein-
förmig wirken, weil das Programm auffallender-
weise gerade an dieser architektonisch so bevor-
zugten Seite dem Künstler die engsten Fesseln
angelegt hatte. Augenblicklich ist derselbe be-
schäftigt, zu der Eingangs erwähnten Erstlings-
thüre die ihr sehr ähnlich gehaltene Parallele
an der Westseite einzufügen, und er hofft noch
vor Schlufs dieses Jahres dem Hauptportale seine
Vollendung zu geben durch vier auch mit figür-
lichen Reliefs versehene Flügel.

Inzwischen hat auch der Bildhauer Wil-
helm Mengelberg in Utrecht, dem die Aus-
stattung der Nordseite übertragen ist, seine um
Vieles dankbarere Aufgabe bereits zu lösen an-
gefangen, um sie voraussichtlich bis zum näch-
sten Frühjahre zum Abschlüsse zu bringen.
Schon drei Monate schliefst hier die westliche
Oeffhung des Mittelportals eine reiche Thüre.
Ihr Reichthum gerade an dieser Stelle ist etwas
befremdlich, denn die Nordseite des Domes
zeichnet sich, wie an so vielen Kirchen, durch
grofse Einfachheit in der architektonischen An-
lage und in dem ornamentalen Schmuck aus.
Auch in Bezug auf die Zugänglichkeit unter-
liegt sie grofsen Beschränkungen und ihre Ein-
gänge werden dem Interdikte, welches über
sie verhängt ist, wohl noch lange unterliegen.
Das Befremden aber, hier einer so reich aus-
gestatteten Thür zu begegnen, macht ohne
Weiteres der Befriedigung darüber Platz, dafs
dem künstlerischen Können, welches hier sich
zu entfalten berufen war, nicht zu enge Grenzen

gezogen wurden durch ein ödes Programm,
welches leider den in Bezug auf Erfindung wie
Ausführung gleich vorzüglichen Leistungen an
der West- und noch vielmehr an der Südseite
arge Beschränkungen auferlegt hatte.

An der Mengelberg'schen Thüre, von
der hier den Lesern eine nur durch die Er-
richtung eines Gerüstes für die photographische
Aufnahme in dieser Vollendung erreichbare
Lichtdrucktafel vorgelegt wird, wirkt der figür-
liche und der monumentale Schmuck, mag letz-
terer in Blatt- oder Rankenwerk, in phantasti-
schem Thier- oder Fratzenwerk bestehen, so
gegenseitig sich ergänzend, so mannigfaltig und
doch so einheitlich zu gleicher Zeit, dafs man
aus diesem harmonischen Gebilde nichts, aber
auch gar nichts entbehren möchte. Hier athmet
alles in vollendetem Mafse den so realistischen
und doch wiederum so phantasievollen Formen-
geist des XIV. Jahrh. der rheinischen Plastik
in der so wunderbaren Eigenart, welche sie im
Kölner Dom, seinen Stein- und Holzskulpturen
angenommen hat. Die innigste Vertrautheit mit
diesen so charakteristischen Formen war erfor-
derlich, wenn die Thüre des Domes in alleweg
würdig sein sollte. Und sie ist es bis zu dem
Mafse,. dafs die Behauptung nicht gewagt er-
scheint, selbst in der Ursprungszeit des Domes
würde die Plastik auch in stilistischer Be-
ziehung vielleicht wohl ein strengeres, aber kaum
ein anmuthigeres und befriedigenderes Gebilde
zu Stande gebracht haben. Ein eigentlicher
Vergleich ist freilich in dieser Hinsicht nicht
möglich; denn die gothische Periode hat in
Deutschland, mit Ausnahme der Grabfiguren,
kein gröfseres Bronzegufswerk geschaffen, zumal
keine Thüren (wie in Italien). Die Bronzethüren,
welche das spätere Mittelalter uns hier zurück-
gelassen hat, bestehen in kleinen Tabernakei-
verschlüssen, welche die Form von durchbro-
chenen Mafswerkfüllungen haben. Es sind rei-
zende, aus einer Form gewonnene Gufsstücke,
welche den ohnehin schon naheliegenden Ge-
danken befestigen, die gothische Periode würde
wohl auch gröfsere Thüren nur als einheitliche
Gufswerke behandelt haben nach dem Vorbilde
der von der romanischen Kunst geschaffenen
 
Annotationen