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Zeitschrift für christliche Kunst — 4.1891

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https://doi.org/10.11588/diglit.3823#0154

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221

1891.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST

Nr. 7.

222

Romanisch nenne ich die ganze Bauweise
des germanischen Mittelalters vor dem Auftreten
der Gothik, aber nicht jeder Verwendung ein-
zelner damals gebräuchlicher Formen. Der ro-
manische Stil trägt ganz entschieden das Ge-
präge des Massigen, während ihm gegenüber
der gothische Bau wesentlich sich als Glieder-
bau kennzeichnet. Darin liegt gewifs für den
romanischen Stil eine Unvollkommenheit, aber
darin liegt auch seine Eigenthümlichkeit und,
sage ich sogar, zum grofsen Theil seine Schön-
heit. Gebe ich aber einmal so wesentliche
Merkmale des Stiles auf, dann bin ich nicht
mehr berechtigt, meine Erzeugnisse mit dem-
selben Namen zu bezeichnen.

Gewifs, jene alten Kirchen machen einen
überwältigenden Eindruck durch die ernste, hehre
Majestät der mächtigen, kräftig geschiedenen, in
geheimnifsvolles Dämmern eingehüllten Hallen
im Innern, wie durch die breitgelagerten man-
nigfaltig gruppirten thurmreichen Massen im
Aeufsern. Solch' ein Bau

Eine „Kirche, wo die Pfeiler
Wie gebannte Hünen ragen,
Die das schwere Steingewölbe
Keuchend auf den Schultern tragen",
trägt eine gewisse Schönheit an sich, welche
dem leichten, luftigen Bau der spätgothischen
Pfarrkirche abgeht.

Nun vergleichen Sie — ich sage nicht mit
jenen Domen — sondern mit einfachen roma-
nischen Kirchen, deren wir ja im Rheinland
so viele noch besitzen, unsere sogenannten ro-
manischen der neuesten Zeit. Gerade das, was
die ergreifende Majestät der alten ausmacht,
jene stille, weihevolle Ruhe der Architektur,
jene bescheidene und doch so wirkungsvolle
Harmonie der kräftigen Massen, das fehlt den
neueren fast gänzlich. Diese in dem weiten



öden Raum verlorenen schwindsüchtigen Pfeiler
stehen in einem seltsamen Widerspruch zu den
weitgeschwungenen schweren Bögen und der
kahlen Mauerfläche, jene weiten Fensteröffnungen
gähnen uns wie hungernd aus den papierenen
Mauern an, welch letztere unter dem scheinbar
schwer lastenden Gewölbe zusammenzuknicken
drohen — und das soll Andacht wecken oder
ästhetische Befriedigung gewähren? An dem
unvollkommeneren Stil hält man fest, aber seine
Schönheit streift man ihm ab. Das ist nicht
berechtigt und kann nicht berechtigt sein.
Allerdings sind an manchen alten Bauwerken
die Bautheile so massig, dafs eine Verringerung
ohne Gefährdung des Charakters möglich und
darum zulässig erscheint. Aber das ist doch
nur bis zu einem gewissen Grade der Fall.
Geht man darüber hinaus, so tritt man in un-
lösbaren Widerspruch mit dem Stile selbst.
Will man also romanisch bauen, so mufs man
sich an die Formensprache des mittelalterlichen
romanischen Stiles nicht nur, wenn ich so sagen
soll, in einzelnen Wörtern und Satzkonstruk-
tionen, sondern in dem ganzen Laut- und Wort-
bildungssystem und der ganzen Syntax ihrem
wesentlichen Inhalt nach anschliefsen. Verein-
zelt geschieht das ja auch, und die obige Schil-
derung modern-romanischer.Kirchen gilt gewifs
nicht von allen neueren Bauten. Es wäre
darum nunmehr zu untersuchen, ob denn —
das Vorhandensein der entsprechenden Geld-
mittel vorausgesetzt — der wirkliche roma-
nische Stil unter unsern heutigen Verhältnissen
neben dem gothischen berechtigt oder vielleicht
gar demselben vorzuziehen sei, oder ob sich
nicht etwa der romanische Stil unserer fortge-
schrittenen Technik entsprechend weiterbilden
liefse. Darüber nächstens. (Forts, folgt.)

Essen. J. Prill.

,:..'■

Fensterverbleiungen aus der Kirche der Ursulinerinnen zu Maaseyck

Mit 11 Abbildungen.

inen eigentümlichen Reiz bietet das

geistreiche Spiel mit geometrischen
Linien, welche in stetem Wechsel
und doch in streng gebundener Art
eine Fläche füllen und beleben. Von den ersten
Anfängen der Kultur bis hinauf zu den glanz-
reichsten Zeitabschnitten geläuterter Kunst zier-

ten sie in stets wechselnden Formen die Er-
zeugnisse der menschlichen Hand. Mäander
und Akanthusranken sind treue Begleiter antiker
Kunstwerke. Nicht zufrieden mit rein geome-
trischen Motiven, brachten die antiken Künstler
auch die Naturformen, besonders Blätter und
Blumen in leichter und gefälliger Art zu Lagen
 
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