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Zeitschrift für christliche Kunst — 4.1891

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https://doi.org/10.11588/diglit.3823#0166

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239

1891. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 8.

240

An dem Obertheile kehrt das Rautenrahmen-
werk mit Blätter- und Bestienmusterungen wie-
der, horizontal durch drei kräftige Bänder mit
phantastischen Figuren begrenzt und geschieden,
vertikal durch die Schlagleiste, welche von einem
Fratzenkopfe ausgeht und in einen solchen mün-
det. — So stellt sich die ganze Thüre als ein aus
zahllosen Einzelheiten zusammengesetztes und
doch durchaus harmonisches Gebilde dar, als ein
nach den Gesetzen von Rahmen und Füllung
streng gegliedertes, dennoch leicht und gefällig
wirkendes Gefüge, als ein glänzender Beweis, dafs
es möglich ist, im engsten Anschlüsse an die
alten Formen und doch in neuer freier Schöpfung
etwas den höchsten Ansprüchen der Gegenwart
Genügendes hervorzubringen. Diese Fähigkeit
setzt aber eine durchaus selbstlose und beharr-
liche Versenkung in die Schöpfungen der frühern
Jahrhunderte voraus, wie sie mit dem jetzigen
kunstgewerblichen Betriebe in Schule und Werk-
statt, mit dem borairten Anspruch, auf Grund
endloser Vorlagen und aus der Ueberfülle der
Vorbildersammlungen heraus in allen Stilen zu
arbeiten, kaum vereinbar ist. Aus dem Atelier
mufs die Erneuerung der Kunst herauswachsen

in der Beschränkung auf einen Stil, in dem
stillen, aber unermüdlichen Streben nach dem
klar erfafsten, tiefempfundenen Ideale. Diesem
durch ein Menschenalter hindurch mit nie nach-
lassender oder gar wankender Begeisterung für
die gothischen Kunstschöpfungen gepflegten
Streben hat Mengelberg seine Erfolge zu-
zuschreiben, welche in Bezug auf diese Stil-
richtung unerreicht dastehen. Bis auf den durch
Stotz in Stuttgart bewerkstelligten Gufs, der in
alleweg, sowohl in Betreff der höchst wirkungs-
vollen röthlichen Färbung des Metalls, wie in
Bezug auf die Korrektheit und Sauberkeit der
Technik das höchste Lob verdient, sind alle
Arbeiten von Mengelberg besorgt, in seinerWerk-
statt ausgeführt worden.

Das Pendant zu dieser Thür, welches sich
von ihr nur durch das figurale Medaillon mit
der Darstellung der klugen Jungfrauen unter-
scheiden soll, geht der Vollendung entgegen.
Nach Monatsfrist soll es seinen Platz einnehmen.
Und bald werden sich die beiden Seitenthüren
anschliefsen, von deren einfacherer Behandlung
die Mannigfaltigkeit zu erwarten ist, die auch an
diesen Stellen nicht fehlen darf. Schnitt gen.

Meister Wilhelm. Eine Studie zur Geschichte der altkölnischen Malerei.

Mit 4 Abbildungen.

des Künstlers befruchtet haben, der uns die
Madonna mit der Bohnenblüthe schenkte!

Dieser Zusammenhang zwischen einer reli-
giösen Stimmung und den lieblichen Schöpfun-
gen aus der Frühzeit unserer kölnischen Tafel-
malerei war den Kunsthistorikern um so werth-
voller, da man für den Urheber dieser hold-
seligen Gestaltungen einen bestimmten Künstler-
namen zu besitzen wähnte; denn nur das Beste,
was sich an alten Gemälden aus ungefähr dieser
Zeit in Köln vorfand schien des Ruhmes Meister
Wilhelm's würdig. Man befreundete sich also
mit dem Kausalnexus der Mystik mit Meister
Wilhelm und verknüpfte die hervorragendsten
Erzeugnisse einer frühen Blütheperiode kölni-
scher Kunst mit diesem gepriesenen Namen. Ein
vorurteilsfreier Vergleich mit dem Stil und
namentlich auch mit dem Empfinden der zeitlich
genauer umgrenzten Kunstweise eines verwandten
deutschen Stammes unterblieb natürlich unter
diesen Umständen. Der Zufall fügte es allerdings

eit Schnaase's epochemachendem
Werke hat man sich daran gewöhnt,
den Stil der kölnischen Malerei,
welchen man mit dem Meister Wil-
helm in Verbindung setzte, als einen Ausflufs
jener religiösen Richtung anzusehen, die mit
dem Namen Mystik bezeichnet wird und deren
Blütheperiode in Köln etwa in die erste Hälfte
des XIV. Jahrh. fällt. — Die Bilder des Leidens
Jesu, die Schilderungen paradiesischer Unschuld
und die einfachen, naiven Erzählungen der
Jugendgeschichte des Heilandes, wie wir sie
namentlich in den Darstellungen des Claren-
altars im Dom zu Köln gewahren, sollen den-
selben Geist der Askese, religiöser Schwärmerei
und Verzückung widerspiegeln, der in Suso's
(f 25. Januar 13G5) »Büchlein von der ewigen
Weisheit« lebt. Die tiefsinnigen Spekulationen
Meister Eckard's (f c. 1329), Tauler's (f IG. Juni
1361) Predigten, wenn er die Gläubigen zur
„Vergottung" auffordert, sollen die Phantasie
 
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