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Zeitschrift für christliche Kunst — 4.1891

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https://doi.org/10.11588/diglit.3823#0110

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155

1891.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 5.

156

europäischen Sammlungen, welche ich bis jetzt
kennen gelernt habe, eine bemalte geschnittene
Nufs nicht begegnet ist, die Liebe der Spanier
aber für Polychromirung plastischer Arbeiten be-
kannt ist, so dürfte vielleicht auch in diesem Um-
stände ein Hinweis auf Spanien gesucht werden
können. Eine Meisterbezeichnung suchen wir
auf der Nufs selbst eben so vergeblich, wie auf
der Fassung. Aber ebenso sehr wie wir erwarten
dürften, sie auf letzterer zu finden, ebenso wenig
hatten wir Hoffnung, ihr auf ersterer zu begegnen,
dennVerfertigerzeichen sind auf den geschnittenen
Nüssen sehr selten. Ich kenne deren nur zwei.
W mit einem T über der Mitte, dahinter das F
für fecit auf einem Nufsbecher von 1588 bei
-j- Baron Carl von Rothschild (Frankfurt) und der
volle Namen des niederländischen Goldschmiedes
„Johan van Merlin fec. Jjpp" auf einem ähn-
lichen Stücke bei S. Addington, London.

Den Charakter der Fassung als spanisch an-
zusprechen liegt weder Grund noch Hindernifs
vor, es ist daher sehr erfreulich, dafs wenig-
stens zwei an dem Becher vorkommende gra-
vierte Zeichen auf den einstmaligen Besitzer

Figur 6.
Figur 5.

hinweisen: im Spiegel des Deckels ist das eine
(Fig. 5) mit COS, im Fufse das andere (Fig. 6) mit
CO und 154.J graviert. Die gothische Fassung
läfst sich nur schwer mit dieser späten Jahres-
zahl in Einklang bringen, besser pafst zu ihr der
offenbar jüngere Deckel. Marc Rosenberg.

Zur Geschichte der Wessobrunner Skulpturen.

u den bedeutendsten mittelalterlichen
Werken, welche das bayerische Na-
tional - Museum bewahrt, gehören
ohne Zweifel die romanischen Stein-
skulpturen aus dem Kloster Wessobrunn südlich
vom Ammersee. Ausgrabungen, die in dem Pfarr-
garten des Ortes in den Jahren 1862 bis 1864
stattfanden, förderten eine grofse Anzahl B'au-
theile und mehr oder minder beschädigte Bild-
werke zu Tage. Unter letzteren ragen elf Apostel-
und zwei weibliche Statuen hervor, lauter in Sand-
stein gehauene vollrunde sitzende Figuren von
Dreiviertellebensgröfse, mit einfachem, aber meist
trefflichem Faltenwurf und vielfach lebensvoll
in der Bewegung. Dazu kommt noch der Torso
einer stehenden weiblichen Gewandfigur, ein rei-
zender Engel, der die Kniee beugt und ein Kreuz
hält, und mehrere Bruchstücke, darunter ein Kopf
mit einer Binde um die Augen, auf eine Personi-
fikation der Synagoge deutend. In jüngster Zeit
gelang es auch, eines der beiden Hauptstücke der
ganzen Folge, die hl. Maria mit dem Kinde, nahe-
zu unversehrt in einer Dorfkapelle aufzufinden.
Es ist natürlich von grofsem Interesse, zu
wissen, wo und wie diese Bildwerke, die in der
Geschichte der romanischen Plastik eine ausge-
zeichnete Stelle einnehmen, angebracht waren.
Eine kurze Nachricht darüber bietet P. Cölestin
Leutner in der »Historia monasteriiWessofontani«

1753, p. 491 bis 492. Er beschreibt die Marien-
figur, die allein zu seiner Zeit noch übrig war, und
weifs auch von Apostelstatuen zu erzählen, die
einst dazu gehörten, im Laufe der Zeiten aber
durch Unbill oder Sorglosigkeit zerbrochen wor-
den seien. Nach seiner Meinung mochte das
Marienbild leicht in die Anfänge des Klosters,
also in das VIII. Jahrh. zurückreichen. Als den
ursprünglichen Standort der Figuren nennt er die
Marienkapelle, die um 753 erbaut wurde und mit
wenig Veränderungen sich bis zum Jahre 1707
erhalten hatte. Als dieselbe damals abgebrochen
wurde, um Platz für den Neubau der Konvents-
gebäude zu gewinnen, übertrug man die Marien-
figur, die unter demNamen „Maler SanctaeSpei"
besondereVerehrung genofs, in die grofse Kloster-
kirche. Wo die Skulpturen in der Marienkapelle,
welche gewöhnlich „das alte Münster" genannt
wurde, gestanden, giebt Leutner nicht an; er sagt
nur, die Madonna sei ehemals nicht auf einem
Altar, sondern an einem anderen Orte des
Tempels gesehen worden und vermuthet, dafs
dieselbe bei der Restauration der Kapelle unter
Abt Paul in den Jahren 1471 bis 1474 von ihrer
ursprünglichen Stelle entfernt worden sei.

In bewufsten Gegensatz zu Leutner's An-
gaben stellte sich nun Konservator Dr. Hugo
Graf. Nach eingehender Untersuchung der Skulp-
turen sowie der Bautheile aus Wessobrunn ge-
 
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