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Zeitschrift für christliche Kunst — 4.1891

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https://doi.org/10.11588/diglit.3823#0205

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299

1891.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 10.

300

Die Cölestiner-Klosterkirchen-Ruine Oybin bei Zittau.

Mit 24 Abbildungen.

ie auf dem Felsberge Oybin bei Zit-
tau gelegene, wohl erhaltene und
höchst malerische Ruine der be-
reits öfters kunsthistorisch gewür-
digten Klosterkirche ist eine Gründung des
Cölestinerordens; Kaiser Karl IV. ermächtigte
im Jahre 1366 den Orden, auf genanntem Berge
ein Kloster zu gründen. Unter gleichzeitiger
Benutzung bezw. Einrichtung der vorhandenen
Räume der Burg und Landesveste zu seinen
Wohnungen, zum Refektorium und Amtshaus,
erübrigte ihm nur der Neubau einer würdigen
Klosterkirche.

Nachdem im Frühjahr 1366 die Ausführung
des Zittauer Baumeistern und Handwerkern an-
vertrauten Baues nach den Plänen des von
1360—1384 zu Prag als Kaiserlicher Hof- und
Dombaumeister thätigen, genialen Peter von
Gemünd, der Sohn Heinrichs von Gemünd,
des Werkmeisters vom Kölner Dome, begonnen
wurde, erfolgte 18 Jahre später, 1384, die Voll-
endung und am 6. Nov. desselben Jahres die
feierliche Einweihung der Kirche durch den
Prager Erzbischof Johannes von Genstein.1)

Fast 200 Jahre hat die zu herrlicher Pracht
gediehene Kirche ihren Zwecken gedient, als
sie nebst anderen Baulichkeiten im Jahre 1577
infolge Blitzentzündung ein Raub der Flammen
wurde; spätere Felsabstürze, Feuersbrünste voll-
brachten den weiteren Verfall der Ruinen2) und
der rastlos und still nagende Zahn der Zeit zer-
störte mehr und mehr die klassische Architektur
dieser Perle der ausgereiften Frühgothik.

') Joh. Ben. Carpzovios »Analecta Fastorum
Zittaviensium« 1716, S. 150: „Nachdem nun der Bau
stark fortgesetzet und die Kirche, welche 15 Ellen
hoch aus gantzen Felsen gehauen, sammt den dreyen
Altären in derselben, und eben so vielen in der Ca-
pellen, welche zur lincken Seiten der Kirchen lieget,
vollents verfertigt ward, so erfolgte im Jahre 1384 d.
6. Nov. die Einweyhung welche der 3 te Ertzbischoff
zu Präge Johannes de Genstein" u. s. w.

?) Carpzovios S. 154: „Folgender ist das Ge-
mäuer sonderlich an der schönen Kirchen, wie auch das
Amtshaus durch Regen und Wind vollents eingefallen,
und als endlich im 30jährigen Krieg viel Volck mit dem
Viehe sich hinauf salviret, ist auch das was von Eisen-
werk übrig geblieben, herausgezogen und Alles gäntz-
lich öde gemacht worden, so dafs von denen vormahls
herrlichen Gebäuden blofse rudera zu sehen, die aber
gleichwohl ihrer antiquitaet wegen noch zu admiriren
sind und denen Liebhabern Vergnügen geben können."

In den letzten 50 Jahren hat sich der Zit-
tauer Magistrat mit dankenswerther Fürsorge
der fortlaufenden Erhaltung und Ausbesserung
der Ruine angenommen, und so wird sie infolge
innigen Verwachsenseins ihrer Architektur mit
den gigantischen Felsbildungen und dem sie um-
gebenden frischen Leben der Berg-Vegetation
noch auf viele spätere Geschlechter den Zauber
echt-deutscher Romantik ausüben.

Bei der Erbauung der Kirche auf dem aus
horizontal und vertikal geklüfteten, riesigen Sand-
steinmassen bestehenden, bienenkorbförmigen
Berge,3)4) hatte man mit denkbar schwierigsten
Terrainverhältnissen zu rechnen, indem man zur
Gewinnung des nöthigen Bauplatzes die Ab-
sprengung von kolossalen Massen (über 1000 cbm)
des anstehenden Quadersandstein-Felsens vor-
nehmen mufste. So gründete man den oberen
Theil der rechten (südlichen) Schiff- und Chor-
mauer auf ca. 12 bis 13 m hoher, 3 m starker,
vom Muttergestein später losgearbeiteter Fels-
wand, während man den der hohen nördlichen
Schiffsmauer als Stütze vorgelegten dreijochigen
Kreuzgang mit seinen darüber befindlichen drei
Kapellen hart an die schroff abfallende Felsen-
schlucht heranrückte. Durch diese Ausnutzung
der Terrainverhältnisse entstand die originelle
Grundrifslösung, der packende Aufbau der gan-
zen Anlage, welche dem reizvollen landschaft-
lichen Bilde so überzeugend angepafst ist.

Als Baumaterial diente das bei den Felsen-
sprengungen gewonnene Quadersandstein-Ma-
terial, welches zu Quadern verarbeitet wurde,
während man für architektonische und ornamen-
tale Arbeiten, Gewändprofilirungen der Thüren
und Fenster, die Gesimse, das Fenstermafswerk,

s) Carpzovios S. 150: „Von der Situation des
Closters: der gantze Berg ist felsicht, und hat allent-
halben hervorragende Klippen und Steine, lieget ab-
gesondert und frey mitten unter denen im böhmischen
Walde befindlichen Bergen."

4) Prof. Breilhaupt «Laus. Mag.« 1846, S. 286:
„Dafs des Oybins eigenartige Bienenkorb- oder Glocken-
form ein Produkt ihn einst umspülender Wassermassen
ist, darf als bekannt angenommen werden, weniger
aber, dafs die Abrundung seiner südlichen, kolossalen
Wandungen auf Abschleifung durch Gletscher zurück-
geführt werden soll. An die urzeitliche Wasserperiode
erinnern auf und am Oybin wiederholt gefundene und
bemerkte Muschelabdrücke, deren sich auch im Thale
und im Sandsteine aller umliegenden Höhen vorfanden."
 
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