Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 4.1891

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3823#0123

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
171

1891.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 6.

172

Die neue St. Rochus-Kapelle bei Bingen am Rhein.

Mit 8 Abbildungen.

m Pfingstmontage dieses Jahres wurde
durch den hochwürdigsten Herrn
Diöcesanbischof Dr. Paulus Haffner
in Gegenwart des hochwürdigsten
Herrn Bischofs Dr. Felix Korum, der geistlichen
und weltlichen Behörden, eines zahlreichen Kle-
rus und ungezählter Volksmenge der Grundstein
zum Neubau der St. Rochus-Kapelle bei Bingen
am Rhein in feierlicher Weise gelegt.

Der durch einen Blitzstrahl entzündete Brand
vom 12. Juli 1889 hatte die alte Kapelle bis
auf die nackten Mauern in Asche gelegt. Das
ganze Inventar, die erst kürzlich mit vielen
Opfern beschafften Glasmalereien der Fenster,
die prächtigen vom Maler Martin ausgeführten,
kaum vollendeten Wandmalereien, Alles war ein
Raub des verheerenden Elementes geworden,
und mit genauer Noth konnten nur die Reli-
quien, die Rochusstatue und einige Bilder ge-
rettet werden.

Alsbald bildete sich unter der Führung des
Herrn Pfarrers Engelhardt und des Herrn Bür-
germeisters Allmann aus der Mitte der Bingener
Bürgerschaft ein Komite für die Wiedererrich-
tung der abgebrannten Kapelle. Nach fast zwei-
jähriger Arbeit hatte dasselbe am 18. Mai die
Freude und Genugthuung, durch die Grundstein-
legung die Bauangelegenheit aus dem Stadium
der Vorbereitung in dasjenige der Ausführung
hinübergeführt zu sehen. Nicht minder grofs
war die Freude der gesammten Bingener Bür-
ger- und der näheren und entfernteren Nachbar-
schaft, welche Alle mit gleicher Verehrung und
Liebe an dieser über zwei Jahrhunderte alten
Andachtsstätte hangen.

Die erste Arbeit des Komite's war die Auf-
stellung eines umfassenden Bauprogramms. Da
die Wiederherstellung der abgebrannten Kapelle
ausgeschlossen war, so mufste ein Neubau in's
Auge gefafst werden. Selbstverständlich sollten
an diesem alle Einrichtungen zur Verwirklichung
gelangen, welche sich im Laufe der Zeit als
nothwendig oder wünschenswert!! herausgestellt
hatten.

Im Weiteren wurde eine Anzahl Archi-
tekten aus der Heimath- und den Nachbar-
Diöcesen veranlafst, nach dem festgesetzten Bau-
programm Skizzen zu entwerfen und zu engerer
Konkurrenz vorzulegen. Als Berather bei der

Auswahl unter den eingegangenen Skizzen stan-
den dem Komite zur Seite aufser dem Geh.
Oberbaurath v. Leins in Stuttgart die Herren
Dr. August Reichensperger und Domkapitular
Alexander Schnütgen in Köln. Das Ergebnifs
des Wettstreites ist der in unseren Abbildungen
wiedergegebene Entwurf, nach welchem die Aus-
führung vorgenommen wird. Es ist mit nur
unwesentlichen und kleinen Aenderungen der-
selbe, den der Verfasser als Konkurrenz-Entwurf
eingereicht hatte.

Der Rochusberg ist ein im Osten der Stadt
Bingen sich etwa 110 m über dem Rheinspiegel
erhebender, von Westen nach Osten dem Ufer
entlang ziehender schmaler Bergrücken, der auf
den nördlichen und östlichen, dem Flufs zuge-
kehrten Seiten steil abfällt, während er nach
Süden sich in sanft geneigten Rebengeländen
in das Thal verflacht. Die Breite seines Kam-
mes beträgt 45 bis 50 m, die Länge, soweit
das zur Rochus-Kapelle gehörende Terrain in
Betracht kommt, etwa 200 m. Ziemlich in der
Mitte desselben, auf dem höchsten Punkte liegt
die Kapelle und zwar mit ihrer Längsachse
quer über das Plateau, das Chor nach Norden,
dem Rhein zu gerichtet.

Ob diese Lage eine zufällige ist, oder ob
bereits die ersten Erbauer der Kapelle die Thei-
lung des umgebenden Platzes in der Weise und
für den Zweck im Auge hatten, für welchen
dieselbe sich nachher so gut bewährt hat, dar-
über ist Nichts bekannt. Auffallend ist es ge-
wifs, dafs man damals von der Orientirung ab-
gewichen ist, in einer Zeit, wo das höchst selten
geschah; um so auffallender, weil die Terrain-
verhältnisse und die Bodenbeschaffenheit keinen
Anlafs dazu gaben. Im Gegentheil, die Form
des Bergrückens hätte den Gedanken nahe legen
müssen, die Längsachse der Kapelle parallel
mit derjenigen des Plateau's zu legen. Es würde
dann der Eingang der Stadt Bingen zugekehrt
und das Chor nach Osten gerichtet worden sein.

Die Verehrung des hl. Rochus in Bingen und
der ganzen Umgegend ist eine so allgemeine,
dafs zu den alljährlichen Festen, welche oben
gefeiert werden, die Andächtigen prozessions-
weise zu Tausenden herbeiströmen. 6- bis 8000
Pilger sind an solchen Tagen keine Seltenheit.
Die grofse Zahl dieser Andächtigen aufzunehmen,
 
Annotationen