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Zeitschrift für christliche Kunst — 4.1891

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https://doi.org/10.11588/diglit.3823#0037

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Abhandlungen.

Seidenstickerei auf Leinen, deutsch,
XIV. Jahrh.

Lichtdruck (Tafel II).

ebenstehende Lichtdrucktafel zeigt
eine vor Kurzem im Kunst-
handel Süddeutschlands auf-
getauchte, 105 cm br., 75 cm
hohe, Stickerei. Ihr Grund
besteht aus feinem Leinen,
in welches die Darstellungen
nebst den Spruchbändern mit
mehrfarbiger Seide im Stil-
und Ueberfangstich, an ein-
zelnen Stellen auch im Knötchen- und Kreuz-
stich eingetragen sind.

Die beiden dekorativen Spitzbögen, welche
mit grünen Fäden ausgeführt das Ganze bekrö-
nen, scheiden es zugleich in zwei Darstellungen,
denen eine tiefe Symbolik zu Grunde liegt. Diese
sowohl wie die Technik lassen, zumal in Ver-
bindung mit dem Umstände, dafs Klosterfrauen
mit in die Darstellungen hineingezogen sind,
keinen Zweifel darüber, dafs dieses Kunstwerk
in einem weiblichen Kloster entstanden ist. An
ein deutsches Kloster darf hier um so eher ge-
dacht werden, als die Figuren von aufsergewöhn-
lich strengen Formen, namentlich in der Ge-
wandung, und in dieser die Lichter besonders
stark vertreten sind, welche die frühgothischen
Gemälde deutschen Ursprunges kennzeichnen.
Gerade aus dieser Zeit haben sich in deutschen
Frauenklöstern (wie in Lüne bei Lüneburg, in
Altenberg an der Lahn bezw. in Braunfels) zahl-
reiche Leinenstickereien erhalten, die sich durch
reichen sinnbildlichen Figurenschmuck auszeich-
nen (vgl.Aldenkirchen: »Frühmittelalter]. Leinen-
stickereien« in Heft LXXIX S. 256 bis 273 der
»Jahrb. d.Vereins v. Alterthumsfreunden i. Rhein-
lande«). Die Technik derselben ist aber insofern
eine etwas abweichende, als die Leinwand grob,
alle Verzierungen mit ziemlich starken, fast aus-
schliefslich weifslichen Leinenfäden und im engen
Anschlufs an die Textur des Grundes eingetragen
sind. Diese etwas derbere, zugleich aber auch
dem Charakter der Leinwand mehr entsprechende
Behandlung mochte aber auch den Gröfsenver-

hältnissen dieser als Altar- und Lesepult-Decken,
wohl auch als Fastentücher und Katafalk-Behänge
dienenden Stickereien angemessen erscheinen.

Die kleineren Dimensionen des vorliegenden
Behanges und die reichen und detaillirten Dar-
stellungen, die er aufnehmen sollte, mochten
eine feinere Technik empfehlen und defshalb den
Plattstich bevorzugen, der an sich zu der stren-
gen Fadenführung des Leinens um so weniger
passend erscheint, wenn dieser als Grund mit-
wirken soll. Als solcher erscheint er defswegen
auch den Figuren gegenüber nicht fest und glatt
genug. Diese setzen sich zu zwei Gruppen zu-
sammen, welche im Anschlüsse an Isaias LX11I,
1 bis 9 die Erlösung durch das Blut des Gottes-
sohnes versinnbilden. Als Keltertreter steht er
gebeugten Hauptes bluttriefend unter dem Bal-
ken; am Kreuze hängend erscheint er, gemäfs
der schon der romanischen Periode geläufigen
Darstellung, mit dem Vater und dem hl. Geiste
als die zweite Person in der Gottheit. Auf ihn
weist mit den prophetischen Worten aus Isaias
LXIII, 1: quis • est • iste • qui • venu ■ de • edom
das unten in der Mitte befindliche Engelsbrust-
bild hin, worauf der etwas höher aus den Wol-
ken emporragende Engel mit Isaias LXIII, 1:
iste • formosus • in • stola • sua antwortet. Die
weiteren Worte des Propheten (LXIII, 3): ior-
cular ■ calcavi ■ solus legt der Heiland sich
durch das kleine Spruchband zu seinen Häupten
bei, während das darüber sich hinziehende
gröfsere: gräm ■ (gratiam) habere • desideras ■
saguinc- fundo ■ ut ■ liabeas- seine Antwort ent-
hält auf die Bitte:.....gram • cum • gaudio ■

possideo ■ et • qua ■ no • habeo • desidero • der
vor ihm knieenden Nonne, welche in der Rech-
ten einen Rosenkranz hält, mit der Linken das
aus der Kelter fliefsende Blut in einem Kelche
auffängt. — Auf der anderen Seite wendet sich
ebenfalls eine Nonne bittend an die allerheiligste
Dreifaltigkeit, zu deren Füfsen knieend, mit den
Worten: trinilas • Salus • oih • nie • Sana • male •
sanatum, während über dem Kreuzbalken ein
rauchfafsschwingender Engel in das Loblied ein-
stimmt. — Dem reichen und tiefen Inhalte
dieser Darstellungen entspricht vollauf die Form
in Zeichnung und Farbe. Schnfltgea.
 
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