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Zeitschrift für christliche Kunst — 4.1891

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https://doi.org/10.11588/diglit.3823#0059

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1891. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 3.

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Märtyrer enthalten und mufsten nach späterer,
allgemeiner Anordnung aus Stein bestehen, wo-
bei jedoch eine hölzerne Umkleidung des Unter-
baues nicht ausgeschlossen war. —

Während in frühester Zeit auf dem Altar-
tische sich aufser den kirchlichen Gefäfsen nur
ein Kreuz und die Leuchter befanden und auch
nur befinden sollten, ging man in der Ent-
wickelungsgeschichte des Altares allmälig weiter,
es wurden zunächst Diptychen, dann auch Re-
liquiarien auf denselben gestellt, oder auch Re-
liquienschreine in einem an der Rückseite des
Altares befindlichen Aufbau niedergesetzt; fer-
ner wurden Tafeln mit bildlichen Darstellungen
(superfrontale, retabulum) von Holz, Metall oder
Stein (auch von gewebten oder gestickten Stoffen)
auf dem Altar angebracht, welche eine Art von
Rückwand bildeten. Hieraus entwickelten sich
dann weiter die Flügelaltäre und im Anschlufs
an diese in späterer Zeit auch die hohen, bis in
das Gewölbe der Kirche ragenden Aufbauten der-
selben. — Das Sakrament wurde zunächst nicht
auf dem Altare aufbewahrt, sondern in besonde-
ren, dafür bestimmten Räumen, später bei den mit
einer Ueberdachung versehenen Altären (Cibo-
rium-Altar) in einem aus der Ueberwölbung frei
herabhängenden Gefäfse (peristerion) und dann
weiter in einem zur Seite befindlichen Schreine
(Sakramentshaus), welches besonders in der Zeit
des gothischen Stiles eine reiche Entwickelung
erhielt. Die Exposition des Sakramentes auf
dem Altar wurde erst im XIII. Jahrh. üblich,
und damit, sowohl um das Sakrament aufzu-
bewahren, als auch um dasselbe dort zu ex-
poniren, wurde das Tabernakel ein wesentlicher
Theil des Altares. — Bei allen Veränderungen
in der geschichtlichen Entwickelung des Altares
zeigt sich jedoch stets das Bestreben, die Vor-
derseite des Altar - Unterbaues mit reichem
Schmuck zu versehen, welcher in der mannig-
fachsten Weise, und zwar unter Anwendung
verschiedener Materialien zur Ausführung ge-
bracht wurde.4) Ueber Vorsatztafeln aus edlen
Metallen, aus Gold und Silber mit künstlerischem
Schmuck und Edelsteinen geziert, wird uns schon
aus dem IV. Jahrh. berichtet, ebenso finden wir
seit dieser Zeit Beschreibungen und Mittheilungen
über Behänge des Altares von kostbaren Stoffen,
mit kunstvollen Stickereien, mit Goldverzierun-
gen, Perlen und dergl. ausgestattet, welche an

4) Bei freistehenden Altären wurden alle vier Seilen
des Unterbaues mit Schmuck verseheu.

der Vorderseite des Altares, an der Platte an-
gebracht wurden. Dann ferner kommen kunst-
reiche Arbeiten aus Stein, Marmor, Schnitzereien
in Holz, Malereien auf Holztafeln, auch auf
Stoffen, Arbeiten in Leder und dergl. zur An-
wendung; kurz in jeder Art und in jedem
Material war man bestrebt, einen reichen und
würdigen Schmuck herzustellen. Da wohl die
Anwendung von reichen Stoffen die am allge-
meinsten übliche war, ist die Bezeichnung Ante-
pendium zum allgemeinen Gebrauch gelangt,
selbst auch für Vorsatztafeln aus festem Material,
die nicht vorgehängt werden. —■ Einen auch
nur ganz flüchtigen Ueberblick zu geben über
die sehr werthvollen oder künstlerisch sehr her-
vorragenden Antependien aus den verschiedenen
Zeiten, welche entweder ganz oder in Theilen
erhalten, oder durch eingehende Beschreibungen
oder Abbildungen unserer Kenntnifs überliefert
sind, würde sehr weit führen und die Grenzen
des hier gebotenen Raumes weit übersteigen, da
seit dem Kaiser Konstantin und seiner Mutter,
der h. Helena, Päpste, Kaiser, Könige und Kir-
chenfürsten, Stifter und reiche Kirchen zu allen
Zeiten die reichsten Mittel zum Schmucke der
Antependien zu verwenden geeifert haben. Bei
dem überaus grofsen Reichthum von Mitthei-
lungen und eingehenden Nachrichten über solche
Werthobjekte und Kunstwerke5) hat sich dennoch
aus dem ersten Jahrtausend von denselben, so-
weit sie aus edlen Metallen, Gold oder Silber,
oder reichen Geweben und kunstreichen Sticke-
reien bestanden, fast nichts bis auf unsere Zeit
erhalten. Nur ist zu erwähnen die mit reichem
Schmelzwerk und Edelsteinen gezierte Altar-
umkleidung in S. Ambrogio zu Mailand aus dem
IX. Jahrh. und die etwa hundert Jahre jüngere,
mit reichen Darstellungen in Email versehene
Palla d'oro in St. Marco zu Venedig. Nahe in
der Zeit zu diesen stehen noch einige hervor-
ragende und sehr bekannte Arbeiten, unter an-
dern das mit Goldblech überzogene Antepen-
dium des Kaisers Heinrich II. im Dome zu
Basel aus dem Anfange des XL Jahrh., welches
im Anfange dieses Jahrhunderts verkauft, sich
jetzt im Musee Cluny zu Paris befindet; die

5) »Liber pontificalis« n. Anastasius Biblio-
thecarius. — Vergl. »Die Schatzverzeichnisse vieler
Kathedralen und anderer Kirchen. — Ferner Dr. B o c k
»Geschichte der liturgischen Gewänder des Mittelalters«,
Bd. III S. 50 u. ff. — Dr. Fr. Dittrich »Zeitschrift
für christliche Kunst«, Jahrg. III Sp. 174.
 
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