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Zeitschrift für christliche Kunst — 4.1891

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Tepe, Alfred; Mengelberg, Wilhelm: Die neue Pfarrkirche zu Jutfaas bei Utrecht
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https://doi.org/10.11588/diglit.3823#0081

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1891. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 4.

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der Laienvvelt gegenüber, welche natürlich immer
die Thurmfronte an der Strafsenseite verlangt,
Stand zu halten.

Der neue Pfarrer von Jutfaas liefs sich aber zu
keinen Konzessionen bewegen und hatte nachher
die Genugthuung, die Durchführung dieses Grund-
satzes von Laien und Fachmännern als richtig und
der Situation entsprechend anerkannt zu sehen.

Nach der Strafse hin bietet sich aber jetzt
der direkte Anblick des Priesterchores und des
Kreuzschiffes mit dem Angelusthürmchen, der
Marienkapelle mit dem zur Orgelbühne füh-
renden Treppenthurm an der Nordseite, und
der Sakristei mit Apsis an der Südseite; nörd-
lich schliefst sich an Quer- und Seitenschiff der
Verbindungsgang, welcher zum Pfarrhaus führt.

Aus der oben beschriebenen Zusammen-
schmelzung von Haus und Kirche in alter Zeit
stammt nämlich in Holland das Bedürfhifs, auch
bei neuen Anlagen eine direkte Verbindung
zwischen beiden herzustellen, welches aufserdem
durch das nafskalte, nebelige Klima der Nieder-
lande gerechtfertigt erscheint. In Jutfaas ist zu
diesem Zwecke ein gewölbter Gang im Charakter
der alten Kreuzgänge in der Länge von 27 m
und der Breite von 2,50 m angelegt, welcher die
Kirche mit dem später ebenfalls in entsprechen-
den Formen aufzubauenden Pfarrhause auch
architektonisch zu einem Ganzen vereinigen soll.
Hinter diesem Verbindungsgang, unter welchem
sich Grabkeller befinden, zwischen Kirche, Pfarr-
haus und Gartenmauer, liegt der Campo-Santo,
in dessen Mitte sich eine Todtenlaterne erhebt,
während am Verbindungsgang, von diesem aus
erreichbar, eine offene Kanzel angebracht ist,
benutzbar bei Prozessionen, welche bekanntlich in
Holland wohl auf eigenem, abgeschlossenem Ter-
rain, aber nicht öffentlich gehalten werden dürfen.

Weitere Erklärungen des Planes werden kaum
erforderlich sein. Bemerkt sei noch, dafs der
Thurm bis zur Mittelschiffhöhe durch keinen
Einbau getheilt, im Innern mit der Kirche ein
Ganzes bildet. Nur bis zur Höhe von ca..3 m
ist er durch ein kunstvolles Gitter abgeschlossen,
sodafs eine Vorhalle entsteht, aus welcher man
auch in den Treppenthurm und die polygone
Taufkapelle gelangt und die bei geschlossener
Kirche als Betraum benutzt werden kann.

Im Aeufsern befindet sich zwischen Treppen-
thurm und Seitenschiffsmauer ein Kalvarienberg.

An der Südseite ist wegen der Lage der
Kirche ein Seitenportal angebracht.

Bei der Sakristei verdient die Gewinnung
der Schränke und des Beichtstuhles Erwähnung,
sowie die Anlage einer kleinen, mit Eichenholz
zierlich bekleideten Loge über dem Sakristei-
portal, von diesem aus erreichbar, welche sich
mit drei kleinen Bogen nach der Kirche hin
öffnet und für etwa fünf Personen Raum bietet.

Bei der Aufrifsentwickelung sollte die im
Mittelalter landesübliche Architektur studirt und
berücksichtigt, namentlich der Backstein nach
altem Muster verwendet werden. Das eigen-
artige schöne Material der Niederlande sollte zur
vollen Geltung kommen, nicht allein, wie dies ja
allgemein üblich, als ausdruckslose Füllmauer
willkommen sein, sondern-sich über sämmt-
liche Mauerwerke, Gesimse, Gewölberippen und
sonstige Gliederungen erstrecken, in dem sonst
schlichten Bau angepafstem Reichthum. Es liegt,
namentlich wo es sich um nicht gerade luxuriöse
Gebäude handelt, ein eigener Reiz und eine ge-
wisse Genugthuung darin, mit dem nächstliegen-
den und anspruchlosesten Material sowohl den
praktischen Bedürfnissen genügen, als eine gute
Gesammtwirkung hervorbringen zu können und
darin findet im hausteinarmen Lande die aus-
gedehnteste Verwendung des Backsteins und
des rationellen Verputzes, der keine Täuschung
bezweckt, ihren Anlafs und ihre Berechtigung.

Nunmehr käme die Besprechung der von
Anfang an geplanten, zum grofsen Theil schon
ausgeführten Ausstattung an die Reihe —■ die
Erwähnung der Glasfenster, des Bodenbelags
und der Polychromie, insoweit sie schon her-
gestellt oder im Entstehen sind, der Hinweis
auf Leuchter, Opferstöcke, Reliquienschränke,
Piszinen und andere kleinere Objekte, die oft
als Nebensache behandelt werden, auf welche
aber der kunstsinnige Pfarrer von Jutfaas sein
besonderes Augenmerk gerichtet, weil sie nach
seiner Meinung wenn richtig aufgefafst, zur
Charakteristik und Vollendung des Kirchen-
innern gar wesentlich beitragen. — Da jedoch
Herr Mengelberg seine die Ausstattung grofsen-
theils umfassende Zeichnung selbst zu erklären
übernommen hat, so will ich hier nur noch
mit einigen Worten die Wirksamkeit des Utrech-
ter Künstlerkreises darstellen, wie sie in Jutfaas
zur Ausübung gelangt ist.

Schon in jener Zeit hatte Herr van Heu-
kelum die Idee gefafst, die später auch in dieser
Zeitschrift zur Geltung gekommen ist, dafs nicht
der Architekt der Allesmacher, -besorger und
 
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