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1891. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 4.
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nannten Theilen des Querbaues, sowie im Chor-
haupte (1) und den beiden ihm nahestehenden
Jochen (2 und 3) befanden sich hohe Fenster.
Dagegen hatten die folgenden Joche (4 bis 8) und
das ganze Mittelschiff westlich von der Vierung
unten hohe Bogen, welche sich in die Seiten-
schiffe öffneten, darüber aber kleine, jenseits der
Vierung noch heute erhaltene Oberfenster.
Die in den Plan eingezeichnete Kreislinie
zeigt, dafs eine zen-
trale Anlage dem
Entwurf zu Grunde
liegt. In der That
ist, wie ein Vergleich
mit den vom Schrei-
ber dieses in dessen
»Gesch. des Baues
der Kirche des hl.
Viktor« S. 78
f. mitgeteil-
ten Grundris-
sen darthut,
der ursprüng-
liche Plan der
Roermonder
Kathedrale
eine Weiter-
entwicklung
des in St.
Yved en Braine,
Trier, Xanten und
Ypern befolgten Sy-
stems. Der Roer-
monder Meister hat
jedoch, weil er bil-
lig, einfach und mit
Ziegelsteinen bauen
sollte, die östlich
neben dem Chor
liegenden Kapellen
(a, c, d und/) nicht, wie es in den genannten
Kirchen der Fall ist, polygon, sondern nur qua-
dratisch gebildet. Zweifelsohne war sein Grund-
rifs eine glückliche Verwerthung jener altern,
aber reichern und theuerern, meist in Sandstein
errichteten Vorbilder. Er erhielt eine Kirche,
in der auch das in den Querschiffen stehende
Volk in's Chor schauen und den vielleicht bei 3
stehenden Pfarraltar zu erblicken vermochte.
Im Beginn des XV. Jahrh. scheint der Bau
vollendet gewesen zu sein. Etwa um 1470 wollte
man ihn durch Anfügung eines für den Sakra-
mentsaltar bestimmten Chores vergröfsern. Wie
ging man dabei voran? Im Chorhaupt sowie
in den Jochen 2 und 3 verlängerte man an der
Nordseite die Fenster bis zum Boden; in den
folgenden Jochen (4 und 5), sowie im Querschiff
(6 und 7) aber liefs man das Mafs- und Stab-
werk der obern Fenster unberührt stehen und
brach nur die punktirten Mauern (bei a und c)
aus. Zwanzig Jahre später wünschte man an der
Südseite ein Mutter-
gottes-Chor zu er-
bauen. Nun wurden
auch auf dieser Seite
die Fenster bei 1, 2
und 3 verlängert,
sowie bei d und /
die untern Theile
der Mauern durch-
brochen.
Jetzt
aber ent-
fernte
man
auch die
zwischen
e und /
stehende
Säule.
Dadurch
ward man gezwun-
gen, zwei Gewölbe
des Querschiffes (bei
8) zu ändern und
sie dem Vierungs-
gewölbe gleich zu
formen. Beide Sei-
tenchöre erhielten
die volle Höhe des
Mittelbaues und des
Querschififes.
Bald genügte der Raum wiederum nicht mehr.
Im XV. und XVI. Jahrh. liebte man es, neue
Altäre zu dotiren, diese aber in besonderen
Seitenkapellen aufzustellen. So wurden allmälig
neben der untern Hälfte des Langschiffes Kapellen
aufgeführt. Wie diese nach und nach entsranden,
zeigt der Grundrifs zur Genüge. — Trotz aller
dieser Veränderungen ist der Eindruck ein durch-
aus harmonischer. Jeder der drei grofsen Chöre
wirkt für sich und steht doch mit den anderen
in so enger Beziehung, dafs der Gottesdienst sich
frei entfalten kann. Steph. Beisse] S. J.
1891. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 4.
122
nannten Theilen des Querbaues, sowie im Chor-
haupte (1) und den beiden ihm nahestehenden
Jochen (2 und 3) befanden sich hohe Fenster.
Dagegen hatten die folgenden Joche (4 bis 8) und
das ganze Mittelschiff westlich von der Vierung
unten hohe Bogen, welche sich in die Seiten-
schiffe öffneten, darüber aber kleine, jenseits der
Vierung noch heute erhaltene Oberfenster.
Die in den Plan eingezeichnete Kreislinie
zeigt, dafs eine zen-
trale Anlage dem
Entwurf zu Grunde
liegt. In der That
ist, wie ein Vergleich
mit den vom Schrei-
ber dieses in dessen
»Gesch. des Baues
der Kirche des hl.
Viktor« S. 78
f. mitgeteil-
ten Grundris-
sen darthut,
der ursprüng-
liche Plan der
Roermonder
Kathedrale
eine Weiter-
entwicklung
des in St.
Yved en Braine,
Trier, Xanten und
Ypern befolgten Sy-
stems. Der Roer-
monder Meister hat
jedoch, weil er bil-
lig, einfach und mit
Ziegelsteinen bauen
sollte, die östlich
neben dem Chor
liegenden Kapellen
(a, c, d und/) nicht, wie es in den genannten
Kirchen der Fall ist, polygon, sondern nur qua-
dratisch gebildet. Zweifelsohne war sein Grund-
rifs eine glückliche Verwerthung jener altern,
aber reichern und theuerern, meist in Sandstein
errichteten Vorbilder. Er erhielt eine Kirche,
in der auch das in den Querschiffen stehende
Volk in's Chor schauen und den vielleicht bei 3
stehenden Pfarraltar zu erblicken vermochte.
Im Beginn des XV. Jahrh. scheint der Bau
vollendet gewesen zu sein. Etwa um 1470 wollte
man ihn durch Anfügung eines für den Sakra-
mentsaltar bestimmten Chores vergröfsern. Wie
ging man dabei voran? Im Chorhaupt sowie
in den Jochen 2 und 3 verlängerte man an der
Nordseite die Fenster bis zum Boden; in den
folgenden Jochen (4 und 5), sowie im Querschiff
(6 und 7) aber liefs man das Mafs- und Stab-
werk der obern Fenster unberührt stehen und
brach nur die punktirten Mauern (bei a und c)
aus. Zwanzig Jahre später wünschte man an der
Südseite ein Mutter-
gottes-Chor zu er-
bauen. Nun wurden
auch auf dieser Seite
die Fenster bei 1, 2
und 3 verlängert,
sowie bei d und /
die untern Theile
der Mauern durch-
brochen.
Jetzt
aber ent-
fernte
man
auch die
zwischen
e und /
stehende
Säule.
Dadurch
ward man gezwun-
gen, zwei Gewölbe
des Querschiffes (bei
8) zu ändern und
sie dem Vierungs-
gewölbe gleich zu
formen. Beide Sei-
tenchöre erhielten
die volle Höhe des
Mittelbaues und des
Querschififes.
Bald genügte der Raum wiederum nicht mehr.
Im XV. und XVI. Jahrh. liebte man es, neue
Altäre zu dotiren, diese aber in besonderen
Seitenkapellen aufzustellen. So wurden allmälig
neben der untern Hälfte des Langschiffes Kapellen
aufgeführt. Wie diese nach und nach entsranden,
zeigt der Grundrifs zur Genüge. — Trotz aller
dieser Veränderungen ist der Eindruck ein durch-
aus harmonischer. Jeder der drei grofsen Chöre
wirkt für sich und steht doch mit den anderen
in so enger Beziehung, dafs der Gottesdienst sich
frei entfalten kann. Steph. Beisse] S. J.