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Zeitschrift für christliche Kunst — 4.1891

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https://doi.org/10.11588/diglit.3823#0144

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203

1891.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST

Nr. 7.

204

rückschliefsen dürfen, da jenes sicher für dieses
gemacht worden, wohl unter Umständen neuer,
das gewifs nicht älter ist, als das Werk selbst."

„Der Gegenstand der einzelnen Darstellungen,
welche auf bestimmte Kirchenfeste sich beziehen,
ergiebt sich schon aus den elenden Abbildungen
bei Gori, aus denen Niemand wähne, den Cha-
rakter der Arbeit, das Kunstverdienst weder im
Allgemeinen, noch in den besonderen Bezeich-
nungen und Darstellungen beurtheilen zu können.
Wie wollte man darin die wunderbare Schön-
heit der Gestalt, Bewegung, Gewandung oder
das herrliche Antlitz des Heilandes erkennen,
wo er den Lazarus erweckt; oder auch in dem-
selben Bilde die schönen, richtig verstandenen
Falten, die ausdrucksvollen Köpfe sogar in den
minder gelungenen Figuren der Schwestern,
welche vor Christus zu Boden fallen? Nur im
Bilde des Gekreuzigten dürfte jene rohe Nach-
bildung genügen, um hinreichend darin wahrzu-
nehmen, wie die Griechen diese Vorstellung bei
weitem materieller aufgefafst hatten, als die kunst-
loseren Italiener; wie sie, an grausame Strafen
gewöhnt, eben nur das körperliche Leiden aus-
drücken wollten durch Senkung des Hauptes,
vornehmlich durch seitwärts ausgesenkten, star-
ken, geschwellten Leib, und eben hierdurch
ihrem Kruzifix ein niedriges und gemeines An-
sehen gaben, welches, wie wir sehen werden,
vorübergehend auch in die italienische Malerei
sich eingedrängt hat, und dort überall, wo es
vorkommt, noch obwaltende Nachahmung by-
zantinischer Meister bekundet" (»Italienische For-
schungen« I S. 304 bis 306).

Ich habe vor mehr als dreizehn Jahren die
beiden Tafeln durch Alinari in Florenz photo-
graphiren lassen2) und veröffentliche hiermit auf
Grund dieser Aufnahme eine Reproduktion, die
freilich an Deutlichkeit viel zu wünschen läfst,
aber doch immerhin eine im Allgemeinen adä-
quate Vorstellung von den Originalien giebt

Die Tafeln messen mit der Umrahmung 37 cm
in der Höhe, 28 cm in der Breite; die Bilder
selbst haben 23,5 cm : 17,5 cm. Das Mosaik ist
technisch dadurch hergestellt, dafs der Unter-
grund mit einer Wachsschicht überzogen und

2) Die Firma Alinari, welche für diese beiden Auf-
nahmen 200 Franks berechnete, verpflichtete sich selbst-
verständlich, dem Handel keine Abzüge von diesen aus-
schliefslich für mich angefertigten Cliches zu übergeben.
Sie hat diese Verpflichtung nicht eingehalten, was ich,
Anderen zur Warnung, hiermit bekannt gebe.

die Stein chen bezw. Stifte in diese Wachsdecke
eingelassen sind. An Feinheit und Sauberkeit
der technischen Ausführung dürften diese beiden
Tafeln Alles übertreffen, was uns von ähnlichen
Arbeiten erhalten ist.

Ich kann heute nicht daran denken, eine
erschöpfende Monographie über diese beiden
Mosaiktafeln zu geben; ich beschränke mich
auf einige Andeutungen. •

Dem Sachverständigen braucht nicht gesagt
zu werden, dafs die Ruhmor'schen Bemerkungen
über das Werk ein Stadium der Kunstforschung
wiederspiegeln, welches erst die Elemente der
Betrachtung sammelte und noch weit entfernt
von einer Einsicht in die Entwicklung der altern
Kunst war. Ruhmor kannte so gut wie nichts
von der altchristlichen Kunst und bewegte sich
hinsichtlich der byzantinischen in Vorstellungen,
die der Wirklichkeit wenig entsprachen, die aber
allerdings sehr lange nach ihm und zum Theil
durch ihn die Herrschaft behaupteten. Ueber
diesen Punkt mag man Kondakoffs »Histoire
de FArt byzantin« I p. 44 f. nachlesen.

Zunächst fallen die Tafeln, was ihr Sujet
anlangt, unter die Kategorie jener Bildercyklen,
welche sowohl die griechische wie die abend-
ländische Kunst seit dem Ausgang des Alter-
thums bald auf den Wänden der Kirchen, bald
auf Elfenbeintafeln, bald auf Bronze- und Holz-
thüren u. s. f. für den Gebrauch der Gläubigen
zusammenstellte, und in welchen sie nach Mafs-
gabe des zur Verfügung stehenden Raumes eine
gröfsere oder geringere Anzahl von Gegenstän-
den bezw. Szenen aus dem Alten und Neuen
Testament vereinigte. Ich habe anderwärts dar-
auf hingewiesen, in welchem Zusammenhang mit
dem Comes bezw. mit den an den Sonn- und
Festtagen des Kirchenjahres verlesenen Peri-
kopen (Evangelien und Episteln) diese abbrevi-
irten Bilderbibeln standen. Wo, wie hier, nur
wenig Raum gegeben war, wählte man meist
die wichtigsten Szenen aus dem Leben oder
Leiden des Herrn zur Darstellung aus. Ob
unsere Mosaiktafeln gleich den Elfenbeinplatten
als Diptychen gedacht waren, steht dahin; eben-
so an welchem Orte — ob auf dem Altar? —
sie ihre ursprüngliche Aufstellung hatten.

Ruhmor betrachtet es als ziemlich selbst-
verständlich, dafs die Einrahmung mit den Mo-
saiken gleichzeitig sei; ich halte das für eine
offene Frage. Vergleicht man die in dieser Ein-
fassung vorkommenden dekorativen Motive mit
 
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