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Zeitschrift für christliche Kunst — 4.1891

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https://doi.org/10.11588/diglit.3823#0193

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285

1891.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 9.

286

wir müssen nur fragen, welcher von beiden
höhere Schönheit besitzt. Es kann freilich
sein, dafs irgend ein bestimmter romanischer
Kirchenbau, wie er einmal dasteht, vollkomme-
ner und schöner sein kann, als irgend ein be-
stimmter gothischer Bau. Aber das beweist
nichts. Wollen wir ein vergleichendes Urtheil
fällen, so dürfen wir nur gleichartige Bauten
beider Stile einander gegenüberstellen.

Bei beiden müssen wir uns dann fragen,
worin ihre Schönheit besteht, ob dieselbe auf
Rechnung des Stiles oder etwa der besondern
Fähigkeit des Urhebers oder anderer Umstände
zu setzen sei. Die mächtige äufsere Wirkung
vieler unserer romanischen Prachtkirchen beruht
z. B. auf der Gruppirung der Gebäudetheile,
und in Verbindung damit der Anordnung vieler
Thürme, die untereinander wieder in harmoni-
scher Beziehung stehen. Das war während der
Herrschaft des romanischen Stils sehr beliebt;
aber ist es eine wesentliche und ausschliefsliche
Eigentümlichkeit des Stiles? Keineswegs!
Wenn man später, zumeist aus praktischen
Gründen, auf diesen Thurmreichthum verzichtet
hat, so widerspricht derselbe doch gar nicht
dem gothischen Stile als solchen, und verein-

zelt sind bei gothischen Prachtbauten ähnliche
Thurmanlagen vorgesehen worden. Und was
die Gruppirung der Gebäudetheile angeht, so
ist eine solche in gothischen Anlagen ebenso-
wohl angebracht und geboten als in romani-
schen. Dasselbe liefse sich sagen über viele
architektonische Einzelanordnungen der betref-
fenden Bauwerke. Man darf also nicht ohne
Weiteres alle Vorzüge des einzelnen Bauwerkes
auf den Stil, in welchem es errichtet ist, über-
tragen. Ich möchte Ihnen rathen, einige ganz
schlichte Bauten beider Stile von diesem Ge-
sichtspunkte aus zu untersuchen, und sie dann
in den andern Stil übersetzt sich vorzustellen,
das wird ein klareres Urtheil ermöglichen, als
weitläufige Auseinandersetzungen, und wird Ihnen
zeigen, wie auch für den schlichtesten, einfach-
sten Bau der gothische Stil eine gröfsere ästhe-
tische Wirkung ermöglicht, als der romanische.

Damit ist unsere Frage allerdings noch nicht
ganz beantwortet. Es ist immer noch zu unter-
suchen, ob nicht der gröfsern Abwechslung
wegen der romanische Stil neben dem gothischen
in Geltung und Anwendung bleiben solle. Also
darüber im nächsten Brief. (Forts, folgt).

Essen. J. Prill.

Neuentdeckte romanische Wandgemälde in Regensburg.

Vor Kurzem traten anläfslich baulicher Verände-
rungen in der Dompropstei zu Regensburg Reste von
Wandgemälden zu Tage, welche durch ihr Alter und
ihre künstlerische Bedeutung hohes Interesse bean-
spruchen. Dieselben befinden sich an den Wänden
der nun leider seit einigen Dezennien in Wohnräume
verwandelten Galluskapelle,1) deren schönes spätroma-
nisches Portal heute noch die Front des Propsteihauses
ziert und das Interesse jedes Kunstfreundes wachruft.
An der Westwand im Innern dieser ehemaligen Ka-
pelle sieht man nun nach vorsichtiger Beseitigung des
Bewurfes den Heiland, wie er auf einer Eselin sitzend
in Jerusalem einzieht, hinter ihm Apostelgestalten. Von
rechts her kommen ihm die Bewohner der Stadt ent-
gegen, deren einer sein Gewand auf den Boden breitet.
An der Südwand ist die Versuchung Christi in der
Wüste dargestellt, von links naht der als Teufel cha-
rakterisirte Versucher und zeigt auf drei am Boden
liegende Steine, während er in der Hand ein Spruch-
band hält, dessen Legende leider verwischt ist. Ma-
jestätisch steht ihm der Heiland gegenüber, die Rechte
sprechend erhoben, in der Linken gleichfalls ein Spruch-

!) Ueber dieselbe handelte unlängst Prof. P 0 hlig , «Haus-
kapellen und Geschlechterhäuser in Regensburg«. I. Theü.
Regensburg 1889. (Sonderabdruck aus der »Zeitschrift für bil.
dende Kunst«, Jahrg. 1889.)

band mit verwischter Inschrift tragend. Von der rech-
ten Seite schwebt, in geschickter Benutzung der hier
durch eine hohe, mit flachem Dreieckgiebel geschlos-
sene Thüre verringerten Wandfläche, ein Engel her-
bei, der in seinen mit einem Tuche bedeckten Händen
dem Heilande ein Brod darreicht. Hinter ihm füllt ein
streng stilisirler Baum die rechte Ecke. Den Abschlufs
beider Bilder nach unten bildet ein gemalter Fries,
der in halbkreisförmig umrahmten Feldern abwechselnd
romanisches Laubwerk und Thiergestalten zeigt. Die
Technik dieser künstlerisch gut ausgeführten Gemälde
ist die aus mittelalterlichen Malereien bekannte. Die
Umrisse sind in schlichten kräftigen braunrothen Kon-
turen gezogen, die Felder mit Farben, von denen nur
Weifs, Roth und Gelb noch erkennbar sind, gefüllt.
Der Gesammteindruck ist ein überaus würdiger und
macht den Wunsch rege, es möchte dieser in seinen
alten Bautheilen noch gut erhaltene, einst dem Gottes-
dienste geweihte Raum seiner früheren Bestimmung
zurückgegeben und hierdurch ermöglicht werden, einen
für die mittelalterliche Kunstgeschichte Regensburgs
und Bayerns hochbedeulsamen, dem XIII. Jahrh. an-
gehörigen Gemälde-Cyklus, dessen Spuren in den eben
beschriebenen Resten zu Tage getreten sind, in seiner
ganzen Entfaltung blofszulegen.

Regensburg.

Adalbert Ebner.
 
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