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Zeitschrift für christliche Kunst — 4.1891

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https://doi.org/10.11588/diglit.3823#0224

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Abhandlungen.

Christus am Kreuze, altkölnisches
Tafelgemälde aus dem Jahre 1458.l)

Mit Lichtdruck (Tafel XIII).

as Bild des gekreuzigten Heilandes,
welches wir heute unsern Lesern
vorführen, bezeichnet die Grenz-
scheide zweier Zeitalter altkölni-
scher Malerei. Zum letzten Male treten uns
hier in dem Welterlöser, seiner schmerzhaften
Mutter und dem getreuen Jünger Johannes Ge-
stalten entgegen, wie sie etwa aus dem Geiste
Meister Stephans hervorgingen; daneben wird
aber auch ein anderer Name noch auf unsern
Lippen schweben, wenn wir das unbefangen-
ehrliche Streben nach Naturnachahmung gewah-
ren und jener grofsartige Ernst und die feierlich-
erhabene Ruhe uns ergreifen, die diese stumme
Mahnung an das Erlösungswerk des Herrn
ganz erfüllen. Ein leidenschaftlicher Ausbruch
ungestümen Schmerzes ist vermieden, Alles soll
hier nur dazu beitragen, zu weihevoller Andacht
zu stimmen. — Der kräftige Leib des gestorbe-
nen Heilandes erscheint auf schwarzem Grunde.
Das starkknochige, breite Haupt ist auf die
Schulter herabgesunken, das Auge gebrochen,
der Mund vom letzten Sterbeseufzer noch ge-
öffnet. Wo die Dornen in die Stirn und Schläfen
eindrangen, ziehen durch das wirre, dunkle Haar
Bluttropfen ihre langen Fäden, reichlicher ent-
strömen sie den fünf Wunden. Ein weifses Tuch
ist eng und sorgsam um die breiten Lenden
geschlungen. Betrachten wir nun den wohl mo-
dellierten Brustkorb, Schulter, Hals, die todes-
starren Arme und Hände Christi, die gespann-
ten, hart vortretenden Muskeln, das geronnene
Blut, so werden wir uns an Rogier van der
Weyden erinnert sehen, auch wenn wir dessen
eigenthümliche, schlanken, schmalen Formen,
seine langgezogenen, ausgeprägten Gesichtszüge

!) In der älteren Literatur mehrfach erwähnt. Die
Meinungen sind jedoch sehr getheilt. Vergl. Kugler:
»Rheinreise«. Kl. Schriften IL, S. 300 und »Geschichte
der Malerei« L, S. 284; Schnaase: »Geschichte der
bildenden Künste« VIIL, S. 355 (1879); Waagen:
»Handbuch der deutschen und niederländischen Maler-
schulen« I., S. 1G1 u. 1G2; Scheibler: »Anonyme
Meister und Werke der KölnerMnlerschule«,S. 10(1880).

und faltige Haulbehandlung vermissen. Wir
müssen eben darauf verzichten, unsern Künstler
in einen direkten Schulzusammenhang zu dem
grofsen Tragiker in Brabant zu setzen. Auch
die Zeichnung der Beine, namentlich der Kniee,
scheinen auf selbstständiges, eingehendes Natur-
studium zu deuten, welches sich aber keines-
wegs sicher und mühelos bethätigt. — Zur
Linken des Kreuzes steht Maria, gesenkten
Hauptes, und führt ein Tüchlein zu dem thrä-
nenden Antlitz. Ihr weifser Mantel, mit seinen
grau-bläulich schimmernden Schatten, der mit
dem mattrothen Kleide kräftig kontrastiert —
die eingehende und grofsartige Gewandbehand-
lung — haben schon das Auge vieler Betrachter
auf sich gelenkt. Die Motive der Faltengebung
wurden aber bald als „durchaus altkölnisch"
bezeichnet, bald fand man wiederum gerade
hier den Geschmack einer späteren Richtung.
Jedenfalls erscheint mir diese Gewandbehand-
lung reicher und mannigfacher wie in den Bil-
dern Meister Stephans, jedoch noch frei von
allen kleinlichen Brüchen. Es fehlt jener Ge-
wandknäuel, worin man später Naturtreue und
Lebendigkeit erblickte.

Auf der andern Seite des Kreuzes erscheint
Johannes in rothem Gewände. Die Füfse sind
weit auseinander geschoben, um der Gestalt
Schwung und Bewegung zu verleihen. Die Rechte
legt sich wie betheuernd auf die Brust, während
die Linke das Evangelienbuch fafst. Das jugend-
liche Haupt mit blonden Locken ist auf Christus
gerichtet.

Zu Füfsen des Kreuzes kniet der geistliche
Stifter, dessen vorzüglicher, breiter Portraitkopf
Inbrunst fast Spannung verräth. Vorn liegt der
detaillirt behandelte Schädel Adams, und erhe-
ben sich auf fahlem Boden Gras und Kräuter in
spärlichen Büscheln. Grofse, goldene Nimben
mit aufgesetzten Rändern umgeben die Köpfe
der Heiligen.

Neben dem religiösen Ernste der Auffassung
wird uns die derbe Formensprache des Meisters
auffallen, die wir entschieden als eine Fortbildung
des Lochner'schen Typus bezeichnen müssen.
Die Köpfe sind breit und knochig, alle Züge
kurz und herb gebildet. Besonders bemerkens-
 
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