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1891.
ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 11.
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gebracht worden, dafs der Bau in die Zeit Ludwig's des
Deutschen wohl gehören kann und wahrscheinlich so-
gar dahin gehört. Ueber die für diese Ansicht spre-
chenden Momente geht Adamy zu rasch hinweg, als
dafs sie Jemand für beseitigt erachten müfste. Die Be-
zeichnung der zu Ludwig's Zeit erbauten Kirche als
varia, deutsch vehe = gescheckt, spricht doch sehr
stark dafür, dafs dieselbe, auch wenn sie nicht mit dem
jetzigen Bau identisch war, doch ganz ähnliche Technik
aufwies, was dann doch auch einigermafsen für gleich-
zeitige Entstehung in die Wagschale fallen dürfte. Die
höchst auffällige Thatsache, dafs die fertige ecclesia
varia fast ganze 200 Jahre ungeweiht blieb, und andere
Umstände scheinen nicht hinreichend berücksichtigt zu
sein. Auch die den Altar umrahmende Architektur hätte
detaillirter zur Darstellung gebracht werden müssen;
vielleicht ist sie für die Frage gar nicht so gleichgültig.
Der mir zugemessene Raum gestattet es mir indefs nicht,
meine in diesem Punkt von Adamy abweichende An-
sicht näher zu begründen, ich will auch nur die M ö g -
lichkeit einer nicht unbegründeten anderen Auffassung
betont haben; vielleicht später einmal darüber mehr.
Wenn der Schwerpunkt der Arbeit in der Unter-
suchung der Eingangshalle ruht, so hat dies seinen
natürlichen Grund darin, dafs die ursprüngliche Kloster-
kirche im Jahre 1090 durch Brand vollständig zerstört
worden ist. Gleichwohl ist dem Scharfsinne des Ver-
fassers in Verbindung mit zweckmäfsig angeordneten
und geleiteten Untersuchungen der Nachweis gelungen,
dafs die alte Klosterkirche eine dreischiffige, flachge-
deckte Basilika war, die mit zwei Thürmen und einer
Vorhalle ausgestattet war, an welche sich dann das
Atrium mit dem Prachtthore anschlofs. Auch von dem
Neubau, der sich im XII. Jahrh. an Stelle der abge-
brannten Kirche erhob, sind nur die drei letzten (West-)
Joche des Mittelschiffes übrig geblieben. Sie werden
gegenwärtig als Tabakscheune benutzt; aber was Adamy
an Abbildungen davon gibt, reicht hin, um ihm aufs
lebhafteste darin beizustimmen, dafs diesen Resten bald
eine bessere Erhaltung und eine würdigere Benutzung
zu Theil werden möge.
Freiburg (Schweiz). E ff mann.
Das Kleid des Herrn auf den frühchristlichen
Denkmälern. Von A. de Waal. Mit 2 Tafeln und
21 Textbildern. Freiburg in Baden 1891, Verlag
von Herder.
Diese sehr beachtenswerthe Schrift, welche nicht
mir Bekanntes in klarer und übersichtlicher Weise zu-
sammenstellt, sondern auch neue Gesichtspunkte bietet
unter Heranziehung von bis dahin unbekanntem Illustra-
tionsmaterial, ist durch die Ausstellung des hl. Rockes
veranlafst worden, mit welchem sie sich aber nicht
direkt beschäftigt. Ihr Zweck ist eine genaue Unter-
suchung über die Bekleidung des Heilandes. Deswegen
handelt das I. Kapitel über „die römische Kleidung für
die Christusbilder" und liefert den Nachweis, dafs der
Heiland in der Regel mit Tunika und Pallium abge-
bildet wurde und nur ausnahmsweise mit der einen,
oder dem anderen. Das II. Kapitel beschäftigt sich
mit den ältesten „Kreuzigungsbildern", d. h. mit der
Art und Weise, wie der Heiland am Kreuze als mensch-
liche Figur bis ins VI. Jahrh. in Bezug auf seine Be-
kleidung dargestellt wurde, die im Orient fast immer in
einem Colobium bestand, einem dem jüdischen Priesler-
kleide nachgebildeten langen Gewände, während das
Abendland fast nur ein schmales Lendentuch kannte
und erst später die orientalische Bekleidungsart aus-
nahmsweise anwendete, was im III. Kapitel näher er-
örtert wird. Zu höchst interessanten Untersuchungen
fuhrt die „Kleidervertheilung", (die im ersten Jahrtausend
nur höchst selten dargestellt erscheint), im IV. Kapitel,
welches zugleich den Wahrscheinlichkeitsbeweis erbringt,
dafs die Verloosung des hl. Rockes nicht durch das
Würfel- sondern durch das sogen. Mora-Spiel, (also
durch jene eigenthümliche Art des Fingerrathens, welche
noch jetzt in Italien wie im Orient gebräuchlich ist),
bewerkstelligt wurde. — Diese mancherlei Beiträge zur
Lösung einer ebenso wichtigen als schwierigen, jetzt fast
brennend gewordenen Frage erscheinen als ein grofses
Verdienst des Verfassers. Möge es ihm gelingen, mehr
und mehr die Dunkel zu lichten, welche dieselbe immer
noch umgeben! D.
Ein Cyklus christologischer Gemälde aus
der Katakombe der Heiligen Petrus und Marcellinus.
Zum ersten Mal herausgegeben und erläutert von
Joseph Wilpert. Mit 9 Tafeln in Lichtdruck.
Freiburg in Baden 1891, Verlag von Herder.
Dafs dem um die Katakombenforschung wohlver-
dienten Verfasser die schon von Bosio aufgegebene
Deutung der Malereien in der 54. Grabkammer dieser
Katakombe gelungen, ist ein neues Verdienst, denn an
Reichhaltigkeit übertrifft dieser Cyklus christologischer
Darstellungen, (der das Dogma von der Gottheit Jesu
Christi verkündet, von seiner Menschwerdung aus Maria
der Jungfrau, seiner Taufe, seinem Gericht über die
Seelen, von der Gemeinschaft der Heiligen und der
Auferstehung zum ewigen Leben erzählt), erheblich den-
jenigen in den beiden Nachbarkammern 52 u. 53. Die
„praktischen Schlufsfolgerungen", welche der Verfasser
daran knüpft, (in Bezug auf den Stern der Weisen als
Symbol Christi, die Dreizahl der Magier, verschiedene
Epiphaniendarstellungen etc.), sind von ebenso grofser
Bedeutung wie die „ikonographischen Erwägungen",
(welche verschiedene Darstellungen von Wundern des
Heilandes erläutern). Die Untersuchung über „die Be-
deutung der Oranten" läfst diese als Bilder der in der
Seligkeit gedachten Seelen der Verstorbenen erscheinen,
welche für die Hinterbliebenen beten, damit auch diese
das gleiche Ziel erlangen. Als den „Endzweck der
religiösen Katakombengemälde" stellt der Verfasser im
V. Abschnitt fest, dafs „derjenige, der sie ausführen liefs,
durch sie sein Glauben und Hoffen ausgedrückt habe;
dafs sie für den Besucher der Grabstätten wenigstens
thatsächlich eine Aufforderung und Anleitung zum Ge-
bete für die in den Gräbern beigesetzten und in den
Grabschriften genannten Verstorbenen, für das Grab
selbst ein Schmuck waren. — Diese wichtigen Ergeb-
nisse, welche der Verfasser hier vorläufig mittheilt, lassen
seine bereits angekündigten „Studien über die alt.
christlichen Bildwerke", (welche vornehmlich die hier im
Allgemeinen dargelegte Bestimmung der Katakomben-
darstellungen an den Bildercyklen im Einzelnen nach-
weisen sollen), um so sehnlicher erwarten. d.
1891.
ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 11.
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gebracht worden, dafs der Bau in die Zeit Ludwig's des
Deutschen wohl gehören kann und wahrscheinlich so-
gar dahin gehört. Ueber die für diese Ansicht spre-
chenden Momente geht Adamy zu rasch hinweg, als
dafs sie Jemand für beseitigt erachten müfste. Die Be-
zeichnung der zu Ludwig's Zeit erbauten Kirche als
varia, deutsch vehe = gescheckt, spricht doch sehr
stark dafür, dafs dieselbe, auch wenn sie nicht mit dem
jetzigen Bau identisch war, doch ganz ähnliche Technik
aufwies, was dann doch auch einigermafsen für gleich-
zeitige Entstehung in die Wagschale fallen dürfte. Die
höchst auffällige Thatsache, dafs die fertige ecclesia
varia fast ganze 200 Jahre ungeweiht blieb, und andere
Umstände scheinen nicht hinreichend berücksichtigt zu
sein. Auch die den Altar umrahmende Architektur hätte
detaillirter zur Darstellung gebracht werden müssen;
vielleicht ist sie für die Frage gar nicht so gleichgültig.
Der mir zugemessene Raum gestattet es mir indefs nicht,
meine in diesem Punkt von Adamy abweichende An-
sicht näher zu begründen, ich will auch nur die M ö g -
lichkeit einer nicht unbegründeten anderen Auffassung
betont haben; vielleicht später einmal darüber mehr.
Wenn der Schwerpunkt der Arbeit in der Unter-
suchung der Eingangshalle ruht, so hat dies seinen
natürlichen Grund darin, dafs die ursprüngliche Kloster-
kirche im Jahre 1090 durch Brand vollständig zerstört
worden ist. Gleichwohl ist dem Scharfsinne des Ver-
fassers in Verbindung mit zweckmäfsig angeordneten
und geleiteten Untersuchungen der Nachweis gelungen,
dafs die alte Klosterkirche eine dreischiffige, flachge-
deckte Basilika war, die mit zwei Thürmen und einer
Vorhalle ausgestattet war, an welche sich dann das
Atrium mit dem Prachtthore anschlofs. Auch von dem
Neubau, der sich im XII. Jahrh. an Stelle der abge-
brannten Kirche erhob, sind nur die drei letzten (West-)
Joche des Mittelschiffes übrig geblieben. Sie werden
gegenwärtig als Tabakscheune benutzt; aber was Adamy
an Abbildungen davon gibt, reicht hin, um ihm aufs
lebhafteste darin beizustimmen, dafs diesen Resten bald
eine bessere Erhaltung und eine würdigere Benutzung
zu Theil werden möge.
Freiburg (Schweiz). E ff mann.
Das Kleid des Herrn auf den frühchristlichen
Denkmälern. Von A. de Waal. Mit 2 Tafeln und
21 Textbildern. Freiburg in Baden 1891, Verlag
von Herder.
Diese sehr beachtenswerthe Schrift, welche nicht
mir Bekanntes in klarer und übersichtlicher Weise zu-
sammenstellt, sondern auch neue Gesichtspunkte bietet
unter Heranziehung von bis dahin unbekanntem Illustra-
tionsmaterial, ist durch die Ausstellung des hl. Rockes
veranlafst worden, mit welchem sie sich aber nicht
direkt beschäftigt. Ihr Zweck ist eine genaue Unter-
suchung über die Bekleidung des Heilandes. Deswegen
handelt das I. Kapitel über „die römische Kleidung für
die Christusbilder" und liefert den Nachweis, dafs der
Heiland in der Regel mit Tunika und Pallium abge-
bildet wurde und nur ausnahmsweise mit der einen,
oder dem anderen. Das II. Kapitel beschäftigt sich
mit den ältesten „Kreuzigungsbildern", d. h. mit der
Art und Weise, wie der Heiland am Kreuze als mensch-
liche Figur bis ins VI. Jahrh. in Bezug auf seine Be-
kleidung dargestellt wurde, die im Orient fast immer in
einem Colobium bestand, einem dem jüdischen Priesler-
kleide nachgebildeten langen Gewände, während das
Abendland fast nur ein schmales Lendentuch kannte
und erst später die orientalische Bekleidungsart aus-
nahmsweise anwendete, was im III. Kapitel näher er-
örtert wird. Zu höchst interessanten Untersuchungen
fuhrt die „Kleidervertheilung", (die im ersten Jahrtausend
nur höchst selten dargestellt erscheint), im IV. Kapitel,
welches zugleich den Wahrscheinlichkeitsbeweis erbringt,
dafs die Verloosung des hl. Rockes nicht durch das
Würfel- sondern durch das sogen. Mora-Spiel, (also
durch jene eigenthümliche Art des Fingerrathens, welche
noch jetzt in Italien wie im Orient gebräuchlich ist),
bewerkstelligt wurde. — Diese mancherlei Beiträge zur
Lösung einer ebenso wichtigen als schwierigen, jetzt fast
brennend gewordenen Frage erscheinen als ein grofses
Verdienst des Verfassers. Möge es ihm gelingen, mehr
und mehr die Dunkel zu lichten, welche dieselbe immer
noch umgeben! D.
Ein Cyklus christologischer Gemälde aus
der Katakombe der Heiligen Petrus und Marcellinus.
Zum ersten Mal herausgegeben und erläutert von
Joseph Wilpert. Mit 9 Tafeln in Lichtdruck.
Freiburg in Baden 1891, Verlag von Herder.
Dafs dem um die Katakombenforschung wohlver-
dienten Verfasser die schon von Bosio aufgegebene
Deutung der Malereien in der 54. Grabkammer dieser
Katakombe gelungen, ist ein neues Verdienst, denn an
Reichhaltigkeit übertrifft dieser Cyklus christologischer
Darstellungen, (der das Dogma von der Gottheit Jesu
Christi verkündet, von seiner Menschwerdung aus Maria
der Jungfrau, seiner Taufe, seinem Gericht über die
Seelen, von der Gemeinschaft der Heiligen und der
Auferstehung zum ewigen Leben erzählt), erheblich den-
jenigen in den beiden Nachbarkammern 52 u. 53. Die
„praktischen Schlufsfolgerungen", welche der Verfasser
daran knüpft, (in Bezug auf den Stern der Weisen als
Symbol Christi, die Dreizahl der Magier, verschiedene
Epiphaniendarstellungen etc.), sind von ebenso grofser
Bedeutung wie die „ikonographischen Erwägungen",
(welche verschiedene Darstellungen von Wundern des
Heilandes erläutern). Die Untersuchung über „die Be-
deutung der Oranten" läfst diese als Bilder der in der
Seligkeit gedachten Seelen der Verstorbenen erscheinen,
welche für die Hinterbliebenen beten, damit auch diese
das gleiche Ziel erlangen. Als den „Endzweck der
religiösen Katakombengemälde" stellt der Verfasser im
V. Abschnitt fest, dafs „derjenige, der sie ausführen liefs,
durch sie sein Glauben und Hoffen ausgedrückt habe;
dafs sie für den Besucher der Grabstätten wenigstens
thatsächlich eine Aufforderung und Anleitung zum Ge-
bete für die in den Gräbern beigesetzten und in den
Grabschriften genannten Verstorbenen, für das Grab
selbst ein Schmuck waren. — Diese wichtigen Ergeb-
nisse, welche der Verfasser hier vorläufig mittheilt, lassen
seine bereits angekündigten „Studien über die alt.
christlichen Bildwerke", (welche vornehmlich die hier im
Allgemeinen dargelegte Bestimmung der Katakomben-
darstellungen an den Bildercyklen im Einzelnen nach-
weisen sollen), um so sehnlicher erwarten. d.