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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 2.1888-1889

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Heft 11
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Vom Tage
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Sprechsaal
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https://doi.org/10.11588/diglit.11724#0176

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schon erstmals austreten, während sich heute van dein Ronser-
vatorium aus Leute von 30 Iahren um Anstellung bewerben.

Gerade in Bayreuth wird demnächst eine Oper Lortzings
„wieder ausgegraben", welche „bsans Sachs oder die Meister-
singer" zum vorwurs hat. Ihr Tert ist nach einem dramatischen
Gedichte Deinhardisteins von Reger versaßt, zur Lrstaussührung
kam sie zu Leipzig — also süns Iahre, ehe wagner

den ersten Lntwurs seines werkes niederschrieb. Das Dein-
hardtsteinsche 5tück soll ganz nach der öchablone versertigt sein,
die von Reger unter Lortzings Mitwirkung vorgenommene
Bearbeitung indessen schon in Manchem einen Übergang zu
Wagners allerdings ohne Vergleich mehr durchgeistigtem Merke
bilden.

^ Ioses Ioachim in Berlin, der am t-März (839 als
siebcnjähriger Rnabc in jdest zum ersten Mal öffentlich austrat, ,
beging somit dieser Tage sein sünszigjähriges Aünstlerjubiläum.
Ioachims Größe findet Riemann in seiner ,,Rlassischen Ruhe" :
,,er gehört zu den Meistern, denen die Intention des Aomponisten
das höchste Ideal ist, die den Lffekt verachten, die nicht be-
geistern, bezaubern, sondern belehren, imponiren". Seit er in
Berlin weilt (d. h. seit (866), so schreibt Gumprecht über ihn,
,,hat er uns Iahr sür Iahr aus unerschöpslichen bsänden
eine Fülle der cdelsten Geschenke gespcndet, bald vom Grchester
geleitet, bald als Genosse Alara Schumanns und vor allem
an der Lpitze des durch ihn gegründeten, zu einem unüber-
troffenen Mustcr seiner Art geförderten Onartettvereins."
,,lVie er Alles vorträgt!" rust Lsanslick aus, ,,So klar und
xlastisch ohne xedantische Lteisheit, seelenvoll ohne krankhaste
Lentimentalität, energisch ohne Gewaltthätigkeit. Da klingt
kein Akzent zu schwach oder zu stark, keine Mendung schneller
oder langsamer, als der Romxonist es sich gedacht haben mag.
Von Ioachims erstaunlicher Technik noch eigens zu sprechen,
haben wir uns lange entwöhnt. Dies ist mit sein vornehmster
und eigenster Ruhm. An Ioachim kann man erfahren, von
Ioachim lernen, was im höchsten Sinn musika l ischer
vortrag heißt." Auch an die eigenen Rompositionen des

Rünstlers, besonders an sein „Ronzert in ungarischer weise"
mußte billig an diesem Tage erinnert werden. W.

» Aus dic Berliner Philharmonie stimmt Moskowski
in der „Nation" gelegentlich eines Rückblicks aus ihre Leistungen
ein Loblied an. „wie sich der Linzelkünstler ehedem im
Lcixziger Gewandhaus die höheren weihen holte, so geht
jetzt sein Lhrgeiz dahin, unter Bülows Leitung gehört' zu
werden. wir möchten die vorjahre des Instituts nicht durch
cinseitige Bctonung seiner letzten Triumxhe verleugnen. Seit
seiner Begründung und unter den verschiedenen Direktionen
von kvüllner, Ioachim, Alindworth und Bülow hat es als
Regnlator des musikalischen Gewissens, als Geschmacksläuterer
und Gehörverseinerer gewirkt. Aber mit jedem nenen Iahre
erweitert sich der Machtbereich der philharmonie: immer
häufigcr wird die virtuosität in den Dienst des allgemeinen
Instrumental-Schönen gezwungen, immer energischer wird die
Begeisterung der Genießenden vom Aultus der konzertirenden
Persönlichkeit hinweg nnd zu dem dcr Romposition getrieben.
Die glanzvolle, bis in jede Linzelheit ausgearbeitete Aus-
sührung ist zu einer Selbstverständlichkeit geworden, welche,
weit entsernt davon, die Zlusmerksamkeit zu sxalten, nur den
cinen Zwcck verfolgt und errcicht, den Kontakt zwischen dem
werk und dem tcilnehmenden Runstverstand möglichst innig
zu gestalten."

-x- Die Zusammenstellung der pariser „Zulassungs-
Inr^ sür die internationale Sektion der schönen Aünste der
weltausstellung" wird vom „Iourn. off." veröffentlicht: sie
ist in mehrfacher Beziehung zu lehrreich, als daß wir die
Ramen nicht gleichsalls wiedergeben sollten. Der Ausschuß
wird bestehcn aus den perren Lasenestre, Ronservator des
Louvre-Museums, den Malern Maignan, Lhaxlin, peilbuth,
Max Liebermann, Lhelmonski nnd Schenk, dem Rritiker
ksamel, den Bildhauern Antokolski und Rodin, dem Architekten
von Bandot, dem Graveur Goeneutte. Nur Liner der Ge-
nannten ist nicht in Paris ansässig: Liebermann.


Lpreclisttttl.

(Atnter sacblicber vcrantwortung der Derren Linsender.)

Nochmals in Sachen: phrasirungs bez eichnung.

Gewiß, es war hohe Zeit für die musikalische
Theorie, Nletrik uud Nhythmik in der Musik tiefer
ins Auge zu fassen. Und ohne Zweifel hat sich kfugo
Niemann in dieser Beziehung große Berdienfte er-
worben. Auch ich erkenne das willig an, foweit sich
seine Schriften auf die rhythmische Theorie uud theo-
retische Lormenlehre beziehen. wenn nun aber Nie-
mann sagt: „was ursprünglich nur als ein versuch
der wiederbelebung der rhythmischen Theorie gedacht
war, gestaltete sich bald ungewollt zu einer Neform
der Notenschrift", so heißt das: er hat den Boden der
Theorie verlassen und den der „Bortragslehre" be-
treten. Lsier stimme ich nun zwar im sdrinzip mit
ihm überein, — auch ich meine, wir können Znter-
punktionszeichen gebrauchen —; weiche aber durch-
aus ab in der wahl der Attttel und ihrer Anwen-
dung.

Herr Niemann, welcher meint, ich übersehe, daß
die kleinen, die worte trennenden Spatien zur Znter-
punktion gehören —, er hält es für das Notwen-
digste, die Grenzen der „Motive", welche den
„worten" der wlusik entsprecheu, deutlich zu machen.
Die Wotive sollen die „worte" der Attisik fein? Das

wort ist gleichsam ein Nagel, an dem ein Bündel
vorstellungen hängt; es ist „der Aörper des Begriffs" ;
es ermäglicht das Abstrakte von aller Anschauung
losgelöste Denken. Und nun das „Motiv." Lin kleines
Teilchen eines musikalischen Satzes; durchaus konkret;
vom Romponisten für einen besonderen Lall geschaffen,
jeder Allgemein-Gültigkeit entbehrend. Bollen hier
Bergleiche mit der Bücherschrift gezogen werden, so
ist der einzelne Ton, die einzelne Note, dem worte
gleichzustellen, unbeschadet des möglichen Linwandes:
die worte bestehen aus mehrereu ^ilben und Buch-
staben. Bergleiche hinken eben! Uebrigens ist die
einzelne Note nichts so einfaches wie der Buchstabe.
Sie drückt einen Doppelwert aus: durch ihre Btelluug
im Liuienfystem die Lföhe, dnrch ihre Gestalt die
Dauer des Tones. Das Wotiv aber ist nicht dem
worte zu vergleichen, sondern dem Satzteil! wie nun
aber die, die einzelnen worte trennenden Spatien
nichts über die Satzteile aussagen, so brauchen wir
auch in unserer Notenschrift nicht Zeichen, welche die
„wlotive" trennen. Zm Gegenteil, es werden der-
artige Zeichen nur hiuderlich sein. Attr liegt Mozart's
ODur-Louats !dlr. I in der Niemannschen phra-
sirungsausgabe vor. Da müssen nach meiner Auf-



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