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Brauer, Ludolph [Editor]; Mendelssohn Bartholdy, Albrecht [Editor]; Meyer, Adolf [Editor]
Forschungsinstitute, ihre Geschichte, Organisation und Ziele (2. Band) — Hamburg: Paul Hartung Verlag, 1930

DOI article:
Horneffer, Ernst: Die Stellung der Wissenschaft in Geschichte und Gegenwart
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https://doi.org/10.11588/diglit.57254#0016

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die Darstellung bestimmt worden, die Platon von ihnen gegeben hat. Und diese
Darstellung gipfelt in einem vernichtenden Urteil. Aber es ist verfehlt, sich von einer
geistigen Bewegung, namentlich einer wissenschaftlich-weltanschaulichen Richtung
eine Vorstellung zu machen nach der Auffassung und Schilderung, die die aus-
gesprochenen Gegner von ihr entworfen haben. Wohin sollte es führen, wenn wir
von der Philosophie des deutschen Idealismus, eines Fichte und Hegel, die Dar-
stellung annehmen und gelten lassen wollten, die Schopenhauer von ihnen mit
Ingrimm gezeichnet hat! Philosophen pflegen einander schlecht zu verstehen und
wechselseitig sich nicht gerecht zu werden. Wer stark zu lieben weiß, kann auch
stark hassen. Der Philosoph des Eros konnte sehr leidenschaftlich hassen. Kraft
seines Künstlertums hat Platon ein so hinreißendes Bild von den Sophisten ge-
schaffen, daß er die gesamte Nachwelt überzeugt hat. Aber dieses Bild ist in wich-
tigen Zügen eine aus heftigster Gegnerschaft entsprungene Verunglimpfung und
Verzerrung.
Auf der Höhe der griechischen Kultur, im Perikleischen Zeitalter, entstand ein
leidenschaftliches, geradezu stürmisches Bildungs- und Wissensbedürfnis im
griechischen Volke. Bis dahin hatten die einzelnen Denker völlig abseits gelebt.
Die allgemeinen Vorstellungen von Welt und Menschenleben, die aus alter Zeit über-
kommen waren, herrschten unverändert weiter. Mythos und altüberlieferter Kult
waren nach wie vor die bestimmenden Mächte des sozialen Lebens. Die Gedanken
der Philosophen waren ohne jede Einwirkung auf das öffentliche Leben geblieben.
Nun aber geschah ein plötzlicher Umschwung. Das eine oder andere von den
wunderlichen, überraschenden Meinungen der Philosophen war doch mit der Zeit
ruchbar geworden. Darüber begehrte nun die Allgemeinheit Näheres zu erfahren.
Ein heftiges Verlangen nach Aufklärung, nach Kenntnis der wissenschaftlichen Er-
gebnisse ergriff die führenden Schichten. Die Sophisten waren es, die dieses Be-
dürfnis erkannten, aufgriffen und befriedigten. Darin lag ein weltgeschichtliches
Verdienst. Das griechische Volk hätte an sich auch anders entscheiden können, hätte
grundsätzlich und für immer gegen die Wissenschaft Stellung nehmen können.
Manche Völker haben einzelne Gelehrte, auch wohl Gelehrtengeschlechter hervor-
gebracht, als ganzes Volk aber, als Kultur haben sie die Wissenschaft nicht in sich
aufgenommen, sondern verstoßen. Renan erzählt in seiner Geschichte des Averrois-
mus anschaulich und erschütternd, wie den arabischen Gelehrten von der aber-
gläubischen Menge ihre Häuser mit den Bibliotheken über dem Kopfe angezündet
wurden. Die Versuchung, wissenschaftsfeindlich zu werden, die Bemühungen um
vorurteilslose Erkenntnis aus dem Umkreis der griechischen Bildung zu ver-
bannen, ist auch in Griechenland groß gewesen. Man braucht sich nur der zahl-
reichen Asebie-Prozesse zu erinnern, von denen einer den anderen ablöste, bis zur
Hinrichtung des Sokrates, um die volle Größe dieser Gefahr in der damaligen
Kultur zu ermessen. Im ganzen aber siegte doch der wissenschaftliche Geist, das
Bedürfnis nach wissenschaftlicher Aufklärung. Aber auch dieses Bedürfnis als
solches hätte nicht genügt, wenn nicht die Männer erschienen wären, es zu be-
friedigen. Indem sie es befriedigten, weckten, vertieften und verbreiteten sie es. Ohne
ihre Tätigkeit hätte es weitergeschlummert, es wäre wieder verschwunden, wenn
sie ihm nicht Nahrung gegeben hätten. Die Sophisten, die Vielgeschmähten, haben
die Wissenschaft in das allgemeine Bewußtsein der griechischen und damit der

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