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Brauer, Ludolph [Hrsg.]; Mendelssohn Bartholdy, Albrecht [Hrsg.]; Meyer, Adolf [Hrsg.]
Forschungsinstitute, ihre Geschichte, Organisation und Ziele (2. Band) — Hamburg: Paul Hartung Verlag, 1930

DOI Artikel:
Betz, Albert: Das Kaiser Wilhelm-Institut für Strömungsforschung, verbunden mit der Aerodynamischen Versuchsanstalt in Göttingen
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https://doi.org/10.11588/diglit.57254#0266

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DAS KAISER WILHELM-INSTITUT FÜR
STRÖMUNGSFORSCHUNG, VERBUNDEN MIT DER
AERODYNAMISCHEN VERSUCHSANSTALT
IN GÖTTINGEN
Von
Professor Dipl.-Ing. Dr. phil. ALBERT BETZ
Direktor des Kaiser Wilhelm-Instituts für Strömungsforschung und der Aerodynamischen
Versuchsanstalt in Göttingen
DIE Entstehung dieses Instituts geht auf die Anfänge der Luftfahrt zurück, und
auch die weitere Entwicklung hängt eng mit den praktischen Bedürfnissen der
Luftfahrt zusammen. Im Jahre 1906 beauftragte die Motorluftschiff-Studiengesell-
schaft auf Vorschlag des bekannten Mathematikers und Organisators der Wissen-
schaft Felix Klein den jetzigen Direktor des Instituts Prof. Prandtl, ein Projekt
für eine Modellversuchsanstalt für Luftfahrt auszuarbeiten. Eine solche Anstalt hat
den Zweck, die Strömungserscheinungen, die bei der Bewegung eines Körpers
relativ zur umgebenden Luft auftreten, zu erforschen und insbesondere die bei
einer solchen Bewegung auftretenden Kräfte zu ermitteln. Hierzu dient ein künst-
lich erzeugter Luftstrom, ein Windkanal, in dem der zu untersuchende Körper
(meist ein verkleinertes Modell des interessierenden Körpers, z. B. eines Flug-
zeuges) der Wirkung dieses Luftstromes ausgesetzt wird. Der Körper ist meist an
Waagen aufgehängt, an denen die auftretenden Kräfte gemessen werden können.
Außerdem kann man die auf seine Oberfläche wirkenden Drücke durch geeignet
angebrachte Bohrungen messen und auch sonstige Erscheinungen beobachten (etwa
durch Einleiten von Rauch in die Luftströmung oder durch hineingehaltene Seiden-
fäden). Die von Prof. Prandtl entworfene Anlage, die dann auch bald zur Aus-
führung kam, enthielt einen Windkanal von rund 2X2 m Querschnitt bei maximal
etwa 10 m/sek Windgeschwindigkeit, wozu 34 PS erforderlich waren. Diese An-
stalt war vom Herbst 1909 bis Herbst 1918 ununterbrochen im Betrieb und hat
sehr erfolgreiche Forschungsarbeit geleistet.
Als im Kriege die Anforderungen an die Leistungsfähigkeit der Versuchsanstalt
ganz außerordentlich stiegen, wurde mit Mitteln der Heeresverwaltung in den
Jahren 1915 bis 1917 eine erheblich größere Anlage erbaut. Sie hat einen Luftstrom
von 4 m2 Querschnitt, dessen Geschwindigkeit bis 50 m/sek beträgt, wozu eine
Leistung von 300 PS zur Verfügung steht. Die alte kleine Anstalt wurde 1918 um-
gebaut; der Luftstrom wurde auf etwa 1,2 m2 verkleinert, dafür aber die Geschwin-
digkeit auf nahezu 30 m/sek erhöht. In dieser veränderten Form tut diese Anlage
noch heute gute Dienste. Nach dem Kriege, insbesondere während der Inflations-
zeit, hatte die Anstalt schwer um ihre Existenz zu kämpfen. Es gelang aber durch
Arbeiten für die verschiedensten Zweige der Technik, die Mittel für das stark ver-
kleinerte Personal einigermaßen zu beschaffen. An eine nennenswerte Forschungs-
tätigkeit war während dieser Zeit allerdings nicht zu denken. Neben diesem Ausfall
an Versuchsergebnissen hat diese Zeit aber noch einen weit schwerwiegenderen Aus-
fall mit sich gebracht, indem die Personalausbildung unterbrochen wurde. Die
hieraus sich ergebenden Schäden sind noch heute fühlbar.

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