DIE PREUSSISCHE BIOLOGISCHE ANSTALT
AUF HELGOLAND1
Von
Professor Dr. WILHELM MIELCK
Direktor der Preußischen Biologischen Anstalt auf Helgoland
HELGOLANDS Bedeutung als Forschungsstätte reicht zurück in die erste Hälfte
des vorigen Jahrhunderts. Hier arbeitete bereits im Jahre 1835 Ehrenberg, der
Erforscher der mikroskopisch kleinen Wasserorganismen, und entdeckte in der
Noctiluca miliaris die Ursache des Meerleuchtens in der Nordsee. Hier hat 1845
der große Naturforscher Johannes Müller die ersten Versuche mit dem später
nach ihm benannten MÜLLERschen Netz gemacht zum Fang der frei im Wasser
schwebenden Organismenwelt — Auftrieb, späterhin Plankton genannt — und die
Untersuchung der merkwürdigen Larvenformen der Seetiere begonnen, z. B. der
Pluteus-Larven und ihrer Verwandlung in Seeigel und Schlangensterne. Seine Auf sehen
erregenden Entdeckungen machten die Insel für viele Jahre zum Standquartier der
Zoologen. Hier entstanden 1846 Freys und Leuckarts Beiträge zur Kenntnis der
wirbellosen Tiere. 1851 fand Max Schultze den Amphioxus in der Helgoländer
Fauna. 1852 begann Pringsheim seine Arbeiten über Morphologie und Geschlechts-
verhältnisse der Meeresalgen. 1854 machte Ernst Haeckel in Begleitung und als
Schüler Johannes Müllers den ersten, später häufig wiederholten Besuch in Helgo-
land zum Studium für seine Protozoen- und Medusen-Werke. Über fast alle Klassen
des marinen Tierreiches sind hier in den vierziger bis sechziger Jahren Arbeiten
bedeutender Naturforscher und dabei viele fundamentale Bausteine entstanden für
die heutige Lehre der Anatomie und Entwicklungsgeschichte. Über Coelenteraten
arbeiteten u. a. Wagner, Taschenberg, Böhm, über Echinodermen Greef, über
Würmer Wilms, Pagenstecher, Krohn, Schneider, Metschnikoff, Ehlers, über
Crustaceen Claus, über Ascidien Gegenbaur und schließlich über die Helgoländer
Vogelwelt und das Wandern der Vögel Gätke, dessen Buch „Die Vogelwarte Helgo-
land“ weltbekannt geworden ist. Die älteste Aufnahme von Meeresforschern auf
Helgoland, Tafel Abb. 1, zeigt einige bekannte Gelehrte.
Obwohl durch hervorragende Erfolge der Beweis der Eignung Helgolands für
solche Forschungen erbracht war, ging der Besuch zu Anfang der siebziger Jahre
zurück, als Anton Dohrn seine zoologische Station in Neapel gegründet hatte. Sie
wurde der Wallfahrtsort der deutschen Biologen, nicht allein wegen der dort viel
größeren Mannigfaltigkeit des Meereslebens, sondern ebensosehr wegen des Vor-
handenseins einer wohlbereiteten Arbeitsstätte, die den Gelehrten alle Mühen der
Beschaffung von Material und technischer Ausrüstung abnahm und ihre Arbeiten
durch den Rat ihrer mit der örtlichen Fauna und Flora vertrauten ständigen Mit-
arbeiter unterstützte. Der Mangel solcher Einrichtungen auf Helgoland erschwerte
die Forschungen um so empfindlicher, je mannigfaltiger und umfangreicher bei
dem Fortschritt der Wissenschaft die Hilfsmittel sein mußten.
Das Interesse an Helgoland war aber nicht erloschen, und es hat nicht an Be-
mühungen gefehlt, auch hier ein dem Neapeler ähnliches Laboratorium zu er-
richten. Schon drei Jahre nach dessen Gründung, auf der Tagung der deutschen
1 Mit 12 Abbildungen im Tafelanhang.
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AUF HELGOLAND1
Von
Professor Dr. WILHELM MIELCK
Direktor der Preußischen Biologischen Anstalt auf Helgoland
HELGOLANDS Bedeutung als Forschungsstätte reicht zurück in die erste Hälfte
des vorigen Jahrhunderts. Hier arbeitete bereits im Jahre 1835 Ehrenberg, der
Erforscher der mikroskopisch kleinen Wasserorganismen, und entdeckte in der
Noctiluca miliaris die Ursache des Meerleuchtens in der Nordsee. Hier hat 1845
der große Naturforscher Johannes Müller die ersten Versuche mit dem später
nach ihm benannten MÜLLERschen Netz gemacht zum Fang der frei im Wasser
schwebenden Organismenwelt — Auftrieb, späterhin Plankton genannt — und die
Untersuchung der merkwürdigen Larvenformen der Seetiere begonnen, z. B. der
Pluteus-Larven und ihrer Verwandlung in Seeigel und Schlangensterne. Seine Auf sehen
erregenden Entdeckungen machten die Insel für viele Jahre zum Standquartier der
Zoologen. Hier entstanden 1846 Freys und Leuckarts Beiträge zur Kenntnis der
wirbellosen Tiere. 1851 fand Max Schultze den Amphioxus in der Helgoländer
Fauna. 1852 begann Pringsheim seine Arbeiten über Morphologie und Geschlechts-
verhältnisse der Meeresalgen. 1854 machte Ernst Haeckel in Begleitung und als
Schüler Johannes Müllers den ersten, später häufig wiederholten Besuch in Helgo-
land zum Studium für seine Protozoen- und Medusen-Werke. Über fast alle Klassen
des marinen Tierreiches sind hier in den vierziger bis sechziger Jahren Arbeiten
bedeutender Naturforscher und dabei viele fundamentale Bausteine entstanden für
die heutige Lehre der Anatomie und Entwicklungsgeschichte. Über Coelenteraten
arbeiteten u. a. Wagner, Taschenberg, Böhm, über Echinodermen Greef, über
Würmer Wilms, Pagenstecher, Krohn, Schneider, Metschnikoff, Ehlers, über
Crustaceen Claus, über Ascidien Gegenbaur und schließlich über die Helgoländer
Vogelwelt und das Wandern der Vögel Gätke, dessen Buch „Die Vogelwarte Helgo-
land“ weltbekannt geworden ist. Die älteste Aufnahme von Meeresforschern auf
Helgoland, Tafel Abb. 1, zeigt einige bekannte Gelehrte.
Obwohl durch hervorragende Erfolge der Beweis der Eignung Helgolands für
solche Forschungen erbracht war, ging der Besuch zu Anfang der siebziger Jahre
zurück, als Anton Dohrn seine zoologische Station in Neapel gegründet hatte. Sie
wurde der Wallfahrtsort der deutschen Biologen, nicht allein wegen der dort viel
größeren Mannigfaltigkeit des Meereslebens, sondern ebensosehr wegen des Vor-
handenseins einer wohlbereiteten Arbeitsstätte, die den Gelehrten alle Mühen der
Beschaffung von Material und technischer Ausrüstung abnahm und ihre Arbeiten
durch den Rat ihrer mit der örtlichen Fauna und Flora vertrauten ständigen Mit-
arbeiter unterstützte. Der Mangel solcher Einrichtungen auf Helgoland erschwerte
die Forschungen um so empfindlicher, je mannigfaltiger und umfangreicher bei
dem Fortschritt der Wissenschaft die Hilfsmittel sein mußten.
Das Interesse an Helgoland war aber nicht erloschen, und es hat nicht an Be-
mühungen gefehlt, auch hier ein dem Neapeler ähnliches Laboratorium zu er-
richten. Schon drei Jahre nach dessen Gründung, auf der Tagung der deutschen
1 Mit 12 Abbildungen im Tafelanhang.
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