DAS INSTITUT FÜR UMWELTFORSCHUNG
Von
Dr. JAKOB BARON VON UEXKÜLL
Honorarprofessor an der Hamburgischen Universität
und
Dr. FRIEDRICH BROCK, Hamburg
ES ist kein Zweifel, daß sich die moderne Biologie mehr und mehr der Beobach-
tung des lebenden Tieres zuwendet. In Amerika ist die Lehre von dem „Ver-
halten der Tiere“ schon seit langem zu einem selbständigen, durch eine besondere
Zeitschrift vertretenen Wissenszweig ausgestaltet worden, dessen Bezeichnung „Be-
haviorismus“ auch in Deutschland als Schlagwort bekannt ist.
Der Behaviorismus besitzt keine eigentliche biologische Methode, sondern wird,
soweit er die Biologie betrifft, auf dem von Jennings aufgestellten Prinzip des Ver-
suchs und Irrtums fundiert, anderseits sucht man die Bewegungen der Tiere nach
dem Vorgehen von J. Loeb als Wirkungen chemisch-physikalischer Ursachen der
Außenwelt, als Tropismen und Taxien darzustellen.
Es ist natürlich hier nicht der Ort, die beiden feindlichen Theorien eingehend
zu kritisieren. Es genügt uns vielmehr festzustellen, daß sie der Anstoß für eine
große Menge von Arbeiten auf zoologischem und botanischem Gebiete wurden. In
Deutschland ist es von Uexkuell gewesen, der als erster versucht hat, das „Ver-
halten der Tiere“ methodisch darzustellen. Dabei wurden nicht nur einzelne Be-
wegungen analytisch erfaßt und in ein Schema eingeordnet, wie es mehr oder
weniger bei den vorgenannten Theorien der Fall ist, sondern es wurde versucht,
eine methodische Anleitung zu geben, nach der es gelingt, das Tiersubjekt mit
gewissen Komplexen der Umgebung zu einem einheitlichen Plane zu verknüpfen.
Dieser Plan gestattet einen sinngemäßen Zusammenhang zwischen den Einzel-
bewegungen herzustellen. Das Tier richtet seine Bewegungen auf bestimmte Kom-
plexe der Umgebung, die wir schlechthin als „Beute, Feind, Geschlechtspartner“
usw. bezeichnen. Die vom Tier mittels der Sinnesorgane (Rezeptoren) aus der
Umgebung ausgeschnittenen Komplexe, die durch die Nerventätigkeit individuell
zusammengefaßt werden, bilden die auslösenden Faktoren für die Handlungs-
organe (Effektoren), durch die auf bestimmte Teile der genannten Komplexe
eingewirkt wird. Der hungrige Krebs wittert die Nahrung und begibt sich auf
die Suche nach ihr, um sie beim Auffmden mittels der Scheren und Mundwerk-
zeuge seinem Anfangsdarme zuzuleiten. Die Gesamtheit aller Faktoren und Kom-
plexe der Umgebung eines Tieres, die auf dasselbe in obengenannter Weise ein-
wirken und auf welche das Tier seinerseits einwirkt, stellen, vom Tiersubjekt aus
betrachtet eine Einheit dar, welche die Umwelt genannt wird. Aus dem Gesagten
wird klar, daß die tierische Umwelt nicht offen daliegt, wie die Umgebung, in der
sich das Lebewesen gerade befindet, sondern erst durch geeignete Methoden her-
ausgearbeitet werden muß. Man darf sagen, daß das Verhältnis zwischen Um-
gebung und Umwelt ein ähnliches ist wie dasjenige zwischen dem Wasser, das
unseren Durst stillt, und dem H2O des Chemikers. Da die Umwelt eines Tieres von
seinen Rezeptoren und Effektoren, von der Differenzierung seines Nervensystems,
233
Von
Dr. JAKOB BARON VON UEXKÜLL
Honorarprofessor an der Hamburgischen Universität
und
Dr. FRIEDRICH BROCK, Hamburg
ES ist kein Zweifel, daß sich die moderne Biologie mehr und mehr der Beobach-
tung des lebenden Tieres zuwendet. In Amerika ist die Lehre von dem „Ver-
halten der Tiere“ schon seit langem zu einem selbständigen, durch eine besondere
Zeitschrift vertretenen Wissenszweig ausgestaltet worden, dessen Bezeichnung „Be-
haviorismus“ auch in Deutschland als Schlagwort bekannt ist.
Der Behaviorismus besitzt keine eigentliche biologische Methode, sondern wird,
soweit er die Biologie betrifft, auf dem von Jennings aufgestellten Prinzip des Ver-
suchs und Irrtums fundiert, anderseits sucht man die Bewegungen der Tiere nach
dem Vorgehen von J. Loeb als Wirkungen chemisch-physikalischer Ursachen der
Außenwelt, als Tropismen und Taxien darzustellen.
Es ist natürlich hier nicht der Ort, die beiden feindlichen Theorien eingehend
zu kritisieren. Es genügt uns vielmehr festzustellen, daß sie der Anstoß für eine
große Menge von Arbeiten auf zoologischem und botanischem Gebiete wurden. In
Deutschland ist es von Uexkuell gewesen, der als erster versucht hat, das „Ver-
halten der Tiere“ methodisch darzustellen. Dabei wurden nicht nur einzelne Be-
wegungen analytisch erfaßt und in ein Schema eingeordnet, wie es mehr oder
weniger bei den vorgenannten Theorien der Fall ist, sondern es wurde versucht,
eine methodische Anleitung zu geben, nach der es gelingt, das Tiersubjekt mit
gewissen Komplexen der Umgebung zu einem einheitlichen Plane zu verknüpfen.
Dieser Plan gestattet einen sinngemäßen Zusammenhang zwischen den Einzel-
bewegungen herzustellen. Das Tier richtet seine Bewegungen auf bestimmte Kom-
plexe der Umgebung, die wir schlechthin als „Beute, Feind, Geschlechtspartner“
usw. bezeichnen. Die vom Tier mittels der Sinnesorgane (Rezeptoren) aus der
Umgebung ausgeschnittenen Komplexe, die durch die Nerventätigkeit individuell
zusammengefaßt werden, bilden die auslösenden Faktoren für die Handlungs-
organe (Effektoren), durch die auf bestimmte Teile der genannten Komplexe
eingewirkt wird. Der hungrige Krebs wittert die Nahrung und begibt sich auf
die Suche nach ihr, um sie beim Auffmden mittels der Scheren und Mundwerk-
zeuge seinem Anfangsdarme zuzuleiten. Die Gesamtheit aller Faktoren und Kom-
plexe der Umgebung eines Tieres, die auf dasselbe in obengenannter Weise ein-
wirken und auf welche das Tier seinerseits einwirkt, stellen, vom Tiersubjekt aus
betrachtet eine Einheit dar, welche die Umwelt genannt wird. Aus dem Gesagten
wird klar, daß die tierische Umwelt nicht offen daliegt, wie die Umgebung, in der
sich das Lebewesen gerade befindet, sondern erst durch geeignete Methoden her-
ausgearbeitet werden muß. Man darf sagen, daß das Verhältnis zwischen Um-
gebung und Umwelt ein ähnliches ist wie dasjenige zwischen dem Wasser, das
unseren Durst stillt, und dem H2O des Chemikers. Da die Umwelt eines Tieres von
seinen Rezeptoren und Effektoren, von der Differenzierung seines Nervensystems,
233