DIE ORGANISATION DER FORSCHUNG IN JAPAN
Von
Dr. HANS UEBERSCHAAR
Medizinische Akademie Osaka und Kaiserliche Universität Kyoto
Im Japanischen heißt Forschung kenkyu, Forscher kenkyuka, Forschungsinstitut
kenkyusho, während das Wort kenkyushitsu mehr unserm Universitätsseminar oder -Insti-
tut entspricht. So heißt das bekannte Forschungsinstitut für Physik und Chemie in Tokio
„rikagakukenkyusho“. Gelegentlich werden auch Laboratorien besonders der pharma-
zeutischen Industrie aus reklamepsychologischen Gründen mit kenkyusho bezeichnet, was
streng genommen unzulässig ist. Laboratorium im eigentlichen Sinne ist jikkenshitsu
(Experimentierzimmer); nähert sich der Begriff der Bedeutung Prüfungsanstalt, so wird
dafür shikensho gebraucht. Also: shinrigakujikkenshitsu = psychologisches Laboratorium,
kogyoshikensho = technische Prüfungsanstalt; die japanisch-amtliche Übersetzung von
kogyoshikensho ins Englische ist industrial laboratory. In diesem Aufsatze wird aus prak-
tischen Gründen bei allen großen Instituten der Name deutsch und englisch angegeben; der
japanische Name nur, wenn eine besondere Notwendigkeit vorliegt; die Ortsangabe ist
meistens erfolgt.
I. DIE NATÜRLICHEN UND KULTURELLEN BEDINGUNGEN
AUSSERHALB des abendländisch-christlichen Kulturkreises und der von ihm
L 1 herrschaftsmäßig oder sonstwie abhängigen Gebiete ist Japan das einzige Land,
das in größerem Maßstabe Forschungsinstitute besitzt. Es ist bis jetzt das orien-
talische Volk, das die Organisation seiner Forschung nicht nur in Anlehnung an
abendländische Muster, sondern auch selbständig schöpferisch durchgeführt hat.
Nicht nur politisch betrachtet sich dieses Volk als erstes der Orientalen, dem es
gelungen ist, dem Zugriff abendländischer Großmächte entgangen und souverän
geblieben zu sein, auch kulturell erhebt es — unter gelegentlichem Beifall1 großer
und kleiner Asiaten — den Anspruch, für sie Beispiel, Förderer, ja auch Geber zu
sein. Daß es gerade das z. B. gegenüber China, der Mandschurei, Korea und Formosa
schon seit länger als zwei Jahrzehnten geworden ist, kann nicht bestritten werden.
Für ein Land wie Japan, das zu mehr als zwei Dritteln gebirgig, in diesen Teilen
meist unbewohnbar2 und weniger oder gar nicht anbaufähig3 ist, aber einen jähr-
lichen Geburtenüberschuß von rund 800 000 bei einer Bevölkerung von etwa
64 Millionen4 (eigentliches Japan ohne Kolonien) hat, das eine hochentwickelte
Spinn- und Webindustrie besitzt, aber selbst so gut wie keine Baumwolle erzeugt
und solche aus Indien, Ägypten und Amerika importieren muß, das eine immer
wachsende Maschinen- und Schiffbauindustrie hat, aber nur ungenügende Erz-
schätze aufweist, für ein solches Land ist die Forschung ultima et suprema ratio.
Natürliche und zivilisatorische Bedingungen haben deshalb die japanische
Forschung besonders in einer Richtung bewegt: in heuristisch-technologischer auf
den Gebieten der reinen und angewandten Naturwissenschaften. Andere geophy-
sische Bedingungen: Häufigkeit schwerer Erdbeben, Taifune, Massenniederschläge
mit katastrophalen Überschwemmungen der kurzen Flußläufe, Vulkanausbrüche,
haben eine international anerkannte seismologische und Vulkanforschung hervor-
gebracht, an die sich die meteorologische mit ihren zahlreichen Stationen würdig
anschließt. Und so ist es kein Wunder, daß die japanische Nation im Kampfe um
1 Z. B. auf den panasiatischen Kongressen.
2 Nur 19 v. H. der gesamten Landesfläche sind bewohnbar.
8 Nur 15,8 v. H. — 6 016 900 ha — sind landwirtschaftlich nutzbar.
4 Bevölkerungsdichte beträgt im Durchschnitt 158 pro qkm.
711
Von
Dr. HANS UEBERSCHAAR
Medizinische Akademie Osaka und Kaiserliche Universität Kyoto
Im Japanischen heißt Forschung kenkyu, Forscher kenkyuka, Forschungsinstitut
kenkyusho, während das Wort kenkyushitsu mehr unserm Universitätsseminar oder -Insti-
tut entspricht. So heißt das bekannte Forschungsinstitut für Physik und Chemie in Tokio
„rikagakukenkyusho“. Gelegentlich werden auch Laboratorien besonders der pharma-
zeutischen Industrie aus reklamepsychologischen Gründen mit kenkyusho bezeichnet, was
streng genommen unzulässig ist. Laboratorium im eigentlichen Sinne ist jikkenshitsu
(Experimentierzimmer); nähert sich der Begriff der Bedeutung Prüfungsanstalt, so wird
dafür shikensho gebraucht. Also: shinrigakujikkenshitsu = psychologisches Laboratorium,
kogyoshikensho = technische Prüfungsanstalt; die japanisch-amtliche Übersetzung von
kogyoshikensho ins Englische ist industrial laboratory. In diesem Aufsatze wird aus prak-
tischen Gründen bei allen großen Instituten der Name deutsch und englisch angegeben; der
japanische Name nur, wenn eine besondere Notwendigkeit vorliegt; die Ortsangabe ist
meistens erfolgt.
I. DIE NATÜRLICHEN UND KULTURELLEN BEDINGUNGEN
AUSSERHALB des abendländisch-christlichen Kulturkreises und der von ihm
L 1 herrschaftsmäßig oder sonstwie abhängigen Gebiete ist Japan das einzige Land,
das in größerem Maßstabe Forschungsinstitute besitzt. Es ist bis jetzt das orien-
talische Volk, das die Organisation seiner Forschung nicht nur in Anlehnung an
abendländische Muster, sondern auch selbständig schöpferisch durchgeführt hat.
Nicht nur politisch betrachtet sich dieses Volk als erstes der Orientalen, dem es
gelungen ist, dem Zugriff abendländischer Großmächte entgangen und souverän
geblieben zu sein, auch kulturell erhebt es — unter gelegentlichem Beifall1 großer
und kleiner Asiaten — den Anspruch, für sie Beispiel, Förderer, ja auch Geber zu
sein. Daß es gerade das z. B. gegenüber China, der Mandschurei, Korea und Formosa
schon seit länger als zwei Jahrzehnten geworden ist, kann nicht bestritten werden.
Für ein Land wie Japan, das zu mehr als zwei Dritteln gebirgig, in diesen Teilen
meist unbewohnbar2 und weniger oder gar nicht anbaufähig3 ist, aber einen jähr-
lichen Geburtenüberschuß von rund 800 000 bei einer Bevölkerung von etwa
64 Millionen4 (eigentliches Japan ohne Kolonien) hat, das eine hochentwickelte
Spinn- und Webindustrie besitzt, aber selbst so gut wie keine Baumwolle erzeugt
und solche aus Indien, Ägypten und Amerika importieren muß, das eine immer
wachsende Maschinen- und Schiffbauindustrie hat, aber nur ungenügende Erz-
schätze aufweist, für ein solches Land ist die Forschung ultima et suprema ratio.
Natürliche und zivilisatorische Bedingungen haben deshalb die japanische
Forschung besonders in einer Richtung bewegt: in heuristisch-technologischer auf
den Gebieten der reinen und angewandten Naturwissenschaften. Andere geophy-
sische Bedingungen: Häufigkeit schwerer Erdbeben, Taifune, Massenniederschläge
mit katastrophalen Überschwemmungen der kurzen Flußläufe, Vulkanausbrüche,
haben eine international anerkannte seismologische und Vulkanforschung hervor-
gebracht, an die sich die meteorologische mit ihren zahlreichen Stationen würdig
anschließt. Und so ist es kein Wunder, daß die japanische Nation im Kampfe um
1 Z. B. auf den panasiatischen Kongressen.
2 Nur 19 v. H. der gesamten Landesfläche sind bewohnbar.
8 Nur 15,8 v. H. — 6 016 900 ha — sind landwirtschaftlich nutzbar.
4 Bevölkerungsdichte beträgt im Durchschnitt 158 pro qkm.
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