DAS INSTITUT FÜR WELTWIRTSCHAFT
UND SEEVERKEHR IN KIEL
Von
Geheimrat Dr. sc. pol., Dr. iur. h. c. BERNHARD HARMS
o. ö. Professor an der Universität
Direktor des Instituts für Weltwirtschaft und Seeverkehr, Kiel
I.
1.TT'INE Abhandlung über Wesen und Bedeutung des Instituts für Weltwirtschaft und
Seeverkehr knüpft zweckmäßig an die Idee der Hochschulreform an und rückt
diese zugleich in historische Beleuchtung. Als in Preußen im Jahre 1807 die Grün-
dung einer neuen Universität betrieben wurde, die ihren Sitz in Berlin haben sollte,
waren sich alle Beteiligten darüber klar, daß es unter keinen Umständen eine Uni-
versität herkömmlichen Stils werden dürfe, sondern ein Hochschulgebilde eigenster
Art erstehen müsse, eine neue Universität, die sich den „Aufgaben der Zeit“ an-
zupassen verstünde und nicht zuletzt berufen sei, die Heranbildung eines Be-
amtentums zu gewährleisten, dessen Preußen zum Wiederaufbau seines Staats-
lebens bedurfte. Über die Ausgestaltung dieser Universität im einzelnen gingen die
Meinungen allerdings erheblich auseinander. In allen damals erstatteten Gut-
achten (Schmalz, Hufeland, Fichte, Schleiermacher) kam aber die Über-
zeugung von der Notwendigkeit des Beschreitens neuer Wege ungewöhnlich stark
zum Ausdruck. Im besonderen gilt das für Fichte, der in seinem „Deduzierten
Plan einer zu Berlin zu errichtenden höheren Lehranstalt, die in gehöriger Ver-
bindung mit einer Akademie der Wissenschaften steht“, ein umfassendes Projekt
entwickelte, das vom Charakter der alten Universitäten nicht viel übrig ließ1.
Das FiCHTEsche Gutachten ist auch heute noch in vieler Beziehung von Be-
deutung, denn unter den zahlreichen kulturellen Bestrebungen, die seit Beendigung
des Krieges weite Schichten des deutschen Volkes bewegen, steht die „Universitäts-
frage“ immer noch mit an erster Stelle. Vielleicht treten die damals von Fichte
gerügten Mängel des altüberlieferten Lehrbetriebes heute, im Zeichen des Massen-
besuches der Universitäten, sogar schärfer in die Erscheinung als ehedem.
Wesentliche Punkte des Gutachtens könnten ebensogut für die Gegenwart
geschrieben sein, soweit nämlich von Fichte betont wird, daß die Hochschulen in
allem Wesentlichen zu sehr an der Lehrweise der mittelalterlichen Universitäten
festhielten: an der mündlichen Überlieferung des Wissensstoffes. Immer noch er-
achte man es als Pflicht, durch die Universitäten das gesamte „Buchwesen“ der
Welt zu ersetzen und, was schon gedruckt vor jedermanns Auge liege, durph Pro-
fessoren repetieren zu lassen. Dem gedruckten Buchwesen noch ein redendes an
die Seite zu stellen, sei aber nicht nur überflüssig, sondern in seinen Folgen sogar
schädlich. Die Trägheit werde dadurch verleitet, mit Berufung auf das Buch die
Vorlesungen zu versäumen und mit Berufung auf die Vorlesung das Studium der
Bücher zu vernachlässigen — also gar nichts zu lernen. Von den beiden Mitteln
der Belehrung sei das Studium der Bücher das vorzüglichste, „denn das Buch hält
1 Vgl. hierüber: Alois Riehl, Fichtes Universitätsplan. „Akademische Rundschau“.
Jg. 1913/14, H. 7, S. 386 ff. - Ferner meinen Aufsatz: Weltwirtschaftliche Forschung und
Lehre. „Weltwirtschaftliches Archiv“. Jena. IV (1914 II), S. 1 ff.
Forschungsinstitute II, 20.
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UND SEEVERKEHR IN KIEL
Von
Geheimrat Dr. sc. pol., Dr. iur. h. c. BERNHARD HARMS
o. ö. Professor an der Universität
Direktor des Instituts für Weltwirtschaft und Seeverkehr, Kiel
I.
1.TT'INE Abhandlung über Wesen und Bedeutung des Instituts für Weltwirtschaft und
Seeverkehr knüpft zweckmäßig an die Idee der Hochschulreform an und rückt
diese zugleich in historische Beleuchtung. Als in Preußen im Jahre 1807 die Grün-
dung einer neuen Universität betrieben wurde, die ihren Sitz in Berlin haben sollte,
waren sich alle Beteiligten darüber klar, daß es unter keinen Umständen eine Uni-
versität herkömmlichen Stils werden dürfe, sondern ein Hochschulgebilde eigenster
Art erstehen müsse, eine neue Universität, die sich den „Aufgaben der Zeit“ an-
zupassen verstünde und nicht zuletzt berufen sei, die Heranbildung eines Be-
amtentums zu gewährleisten, dessen Preußen zum Wiederaufbau seines Staats-
lebens bedurfte. Über die Ausgestaltung dieser Universität im einzelnen gingen die
Meinungen allerdings erheblich auseinander. In allen damals erstatteten Gut-
achten (Schmalz, Hufeland, Fichte, Schleiermacher) kam aber die Über-
zeugung von der Notwendigkeit des Beschreitens neuer Wege ungewöhnlich stark
zum Ausdruck. Im besonderen gilt das für Fichte, der in seinem „Deduzierten
Plan einer zu Berlin zu errichtenden höheren Lehranstalt, die in gehöriger Ver-
bindung mit einer Akademie der Wissenschaften steht“, ein umfassendes Projekt
entwickelte, das vom Charakter der alten Universitäten nicht viel übrig ließ1.
Das FiCHTEsche Gutachten ist auch heute noch in vieler Beziehung von Be-
deutung, denn unter den zahlreichen kulturellen Bestrebungen, die seit Beendigung
des Krieges weite Schichten des deutschen Volkes bewegen, steht die „Universitäts-
frage“ immer noch mit an erster Stelle. Vielleicht treten die damals von Fichte
gerügten Mängel des altüberlieferten Lehrbetriebes heute, im Zeichen des Massen-
besuches der Universitäten, sogar schärfer in die Erscheinung als ehedem.
Wesentliche Punkte des Gutachtens könnten ebensogut für die Gegenwart
geschrieben sein, soweit nämlich von Fichte betont wird, daß die Hochschulen in
allem Wesentlichen zu sehr an der Lehrweise der mittelalterlichen Universitäten
festhielten: an der mündlichen Überlieferung des Wissensstoffes. Immer noch er-
achte man es als Pflicht, durch die Universitäten das gesamte „Buchwesen“ der
Welt zu ersetzen und, was schon gedruckt vor jedermanns Auge liege, durph Pro-
fessoren repetieren zu lassen. Dem gedruckten Buchwesen noch ein redendes an
die Seite zu stellen, sei aber nicht nur überflüssig, sondern in seinen Folgen sogar
schädlich. Die Trägheit werde dadurch verleitet, mit Berufung auf das Buch die
Vorlesungen zu versäumen und mit Berufung auf die Vorlesung das Studium der
Bücher zu vernachlässigen — also gar nichts zu lernen. Von den beiden Mitteln
der Belehrung sei das Studium der Bücher das vorzüglichste, „denn das Buch hält
1 Vgl. hierüber: Alois Riehl, Fichtes Universitätsplan. „Akademische Rundschau“.
Jg. 1913/14, H. 7, S. 386 ff. - Ferner meinen Aufsatz: Weltwirtschaftliche Forschung und
Lehre. „Weltwirtschaftliches Archiv“. Jena. IV (1914 II), S. 1 ff.
Forschungsinstitute II, 20.
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