IBERO-AMERIKANISCHE FORSCHUNGSINSTITUTE
Von
Privatdozent Dr. RUDOLF GROSSMANN
Direktor des Ibero-amerikanischen Instituts in Hamburg
DER bedeutungsvolle Wiederaufstieg des spanisch-portugiesischen Kulturkreises,
der besonders aus seinen ehemaligen Tochterländern jenseits des Atlantik neues
Leben sog, als diese in der Zeit um den Weltkrieg in das zweite Jahrhundert ihres
staatlichen Eigenlebens traten und gleichzeitig nicht nur politisch, sondern auch
wirtschaftlich und geistig ihren Aktionsradius erheblich zu erweitern begannen,
hatte zunächst in den Vereinigten Staaten und Spanien zur Gründung besonderer
Körperschaften geführt, die sich mit dem Studium dieses Kulturkreises beschäf-
tigen sollten. So entstand die großzügig angelegte Hispanic Society of America in
Neuyork und der Centro de Estudios Histöricos in Madrid. Aber auch die deutsche
Wissenschaft trat auf den Plan, um ihrerseits zu dem Problem ,,Ibero-Amerika“
Stellung zu nehmen. Das Hamburger Ibero-amerikanische Institut war nicht die
einzige Stätte, die unter diesem Eindruck zur Knüpfung der geistigen Fäden mit der
iberischen Welt bei uns gegründet wurde. Seine Entwicklung ist aber vornehmlich
in organisatorischer Hinsicht aufschlußreich gewesen und mag daher auch im Vor-
dergrund der folgenden Darstellung stehen.
Das Ibero-amerikanische Institut Hamburg entsprang der genialen Idee
des Romanisten Schaedel, aus der Atmosphäre der Welthafenstadt heraus eine in
Richtung seiner Disziplin liegende regionale Forschungsanstalt zu begründen. Als
wissenschaftliche Allgemeinbasis für eine solche Forschungsstätte bestand hier be-
reits das Kolonialinstitut, das von vornherein, entgegen älterer Hochschultradition,
Lehre und Forschung mit den praktischen Aufgaben der deutschen Weltgeltung
verbunden hatte und daher engste Zusammenhänge zwischen Wissenschaft und
Wirtschaft wahrte. Durch den Weltkrieg gingen die Kolonien dem Reich verloren;
auf der Suche nach neuen praktischen Ausstrahlungsgebieten wurde die Hansestadt
naturgemäß auf das durch sehr alte Handelsbande und überwiegend wohlwollende
politische Einstellung während des Weltkriegs gleichermaßen ihr nahegerückte
iberische Ausland hingewiesen. So gründete Schaedel im Jahre 1917 das Ibero-
amerikanische Institut, noch ehe eine Hamburgische Universität in die Erschei-
nung getreten war, und gab ihm einen doppelten Aufgabenkreis: dem Deutschen
das ibero-amerikanische Ausland forschend näherzubringen und im Ibero-Ameri-
kaner das Verständnis für deutsche Art und deutsche Geistigkeit zu wecken.
Entsprechend der Erkenntnis, die in den letzten Jahrzehnten für die organisa-
torische Gestaltung freier Forschungsinstitute mehr und mehr maßgebend wurde,
daß nämlich der Staat zu stark in Anspruch genommen sei, um derartige Anstalten
allemal aus seinen Mitteln heraus wirksam zu fördern, wurde für die Gründung
des Ibero-amerikanischen Instituts in Hamburg die private Initiative in Anspruch
genommen. Es bildete sich eine Förderer-Gesellschaft aus Hamburger Wirtschafts-
kreisen, die 1917 zur Errichtung des Instituts schritt und es bis zum Jahre 1923
finanziell allein betreute. Der katastrophalen Währungszerrüttung des letzten In-
flationsjahres konnten allerdings die Kräfte dieser Privatgesellschaft nicht mehr
standhalten, obgleich es sich bereits gezeigt hatte, daß in Hamburg auf dem Gebiet
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Von
Privatdozent Dr. RUDOLF GROSSMANN
Direktor des Ibero-amerikanischen Instituts in Hamburg
DER bedeutungsvolle Wiederaufstieg des spanisch-portugiesischen Kulturkreises,
der besonders aus seinen ehemaligen Tochterländern jenseits des Atlantik neues
Leben sog, als diese in der Zeit um den Weltkrieg in das zweite Jahrhundert ihres
staatlichen Eigenlebens traten und gleichzeitig nicht nur politisch, sondern auch
wirtschaftlich und geistig ihren Aktionsradius erheblich zu erweitern begannen,
hatte zunächst in den Vereinigten Staaten und Spanien zur Gründung besonderer
Körperschaften geführt, die sich mit dem Studium dieses Kulturkreises beschäf-
tigen sollten. So entstand die großzügig angelegte Hispanic Society of America in
Neuyork und der Centro de Estudios Histöricos in Madrid. Aber auch die deutsche
Wissenschaft trat auf den Plan, um ihrerseits zu dem Problem ,,Ibero-Amerika“
Stellung zu nehmen. Das Hamburger Ibero-amerikanische Institut war nicht die
einzige Stätte, die unter diesem Eindruck zur Knüpfung der geistigen Fäden mit der
iberischen Welt bei uns gegründet wurde. Seine Entwicklung ist aber vornehmlich
in organisatorischer Hinsicht aufschlußreich gewesen und mag daher auch im Vor-
dergrund der folgenden Darstellung stehen.
Das Ibero-amerikanische Institut Hamburg entsprang der genialen Idee
des Romanisten Schaedel, aus der Atmosphäre der Welthafenstadt heraus eine in
Richtung seiner Disziplin liegende regionale Forschungsanstalt zu begründen. Als
wissenschaftliche Allgemeinbasis für eine solche Forschungsstätte bestand hier be-
reits das Kolonialinstitut, das von vornherein, entgegen älterer Hochschultradition,
Lehre und Forschung mit den praktischen Aufgaben der deutschen Weltgeltung
verbunden hatte und daher engste Zusammenhänge zwischen Wissenschaft und
Wirtschaft wahrte. Durch den Weltkrieg gingen die Kolonien dem Reich verloren;
auf der Suche nach neuen praktischen Ausstrahlungsgebieten wurde die Hansestadt
naturgemäß auf das durch sehr alte Handelsbande und überwiegend wohlwollende
politische Einstellung während des Weltkriegs gleichermaßen ihr nahegerückte
iberische Ausland hingewiesen. So gründete Schaedel im Jahre 1917 das Ibero-
amerikanische Institut, noch ehe eine Hamburgische Universität in die Erschei-
nung getreten war, und gab ihm einen doppelten Aufgabenkreis: dem Deutschen
das ibero-amerikanische Ausland forschend näherzubringen und im Ibero-Ameri-
kaner das Verständnis für deutsche Art und deutsche Geistigkeit zu wecken.
Entsprechend der Erkenntnis, die in den letzten Jahrzehnten für die organisa-
torische Gestaltung freier Forschungsinstitute mehr und mehr maßgebend wurde,
daß nämlich der Staat zu stark in Anspruch genommen sei, um derartige Anstalten
allemal aus seinen Mitteln heraus wirksam zu fördern, wurde für die Gründung
des Ibero-amerikanischen Instituts in Hamburg die private Initiative in Anspruch
genommen. Es bildete sich eine Förderer-Gesellschaft aus Hamburger Wirtschafts-
kreisen, die 1917 zur Errichtung des Instituts schritt und es bis zum Jahre 1923
finanziell allein betreute. Der katastrophalen Währungszerrüttung des letzten In-
flationsjahres konnten allerdings die Kräfte dieser Privatgesellschaft nicht mehr
standhalten, obgleich es sich bereits gezeigt hatte, daß in Hamburg auf dem Gebiet
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