DAS STAATLICHE INSTITUT FÜR EXPERIMENTELLE
THERAPIE UND DAS CHEMOTHERAPEUTISCHE
FORSCHUNGSINSTITUT „GEORG SPEYER-HAUS“
IN FRANKFURT a. M.
Von
Geh. Medizinalrat Dr. WILHELM KOLLE
o. Honorar-Professor an der Universität Frankfurt a. M.
und
Dr. ERWIN STILLING, Frankfurt a. M.
I. ARBEITSGEBIETE, AUFGABEN UND WISSENSCHAFTLICHE
ZIELE DER INSTITUTE
Von
Geh. Medizinalrat Dr.WILHELM KOLLE
FORSCHUNG und Lehre waren bis Mitte des 19. Jahrhunderts in den Hochschulen
nicht nur eng verknüpft; die Forschung wurde auch fast allein an den Universi-
täten und den ihr angegliederten Instituten gepflegt. Die mit exakten Methoden be-
triebene Forschung brach sich zuerst in Physik und Chemie Bahn. Für diese Art der
Forschung kamen aber damals noch relativ kleine Gebiete in Betracht. So war es
möglich, daß die Hochschullehrer neben ihren Lehrverpflichtungen viel Zeit und
Muße auf die Erforschung der Probleme, die sich besonderen Interesses erfreuten,
verwandten. Doch bereits im letzten Drittel des vergangenen Jahrhunderts reifte die
Erkenntnis, daß größere Forschungsaufgaben vielfach nur von solchen Gelehrten
durchgeführt werden könnten, die durch anstrengende Berufspflichten, wie sie
namentlich die Lehrtätigkeit mit sich bringt, befreit waren. Sehr bald setzten sich
diese Ideen ganz durch. Vor allem gaben Entdeckungen auf medizinischem Gebiete
den Anstoß zur Gründung von biologischen und experimentell-medizinischen For-
schungsinstituten, die mit der Lehrtätigkeit an Universitäten nicht in Verbindung
standen. Die großen Entdeckungen von Robert Koch und Louis Pasteur, zu-
sammen mit der Vervollkommnung der mikroskopischen Technik, wiesen den Weg
zur Erforschung der Infektionskrankheiten mit exakten Methoden. Kein Geringerer
als Robert Koch vertrat zuerst und mit aller Entschiedenheit den Standpunkt, daß
die Bearbeitung größerer Probleme mit exakten Methoden, wie die Erforschung der
Infektionskrankheiten, nur möglich ist, wenn in großen Instituten eine Anzahl
Forscher sich nach einheitlichen Ideen ganz dieser Aufgabe widmen kann. So
wurde für ihn das Kgl. Institut für Infektionskrankheiten in Berlin gegründet.
Zwar war auch hier der Zusammenhang mit der Praxis gewahrt, in diesem Falle
mit der praktischen Medizin und deren Bedürfnis nach naturwissenschaftlichen Be-
obachtungen. Die Anregung zu solchen Forschungen und auch zum weiteren Ein-
dringen und zur Vervollkommnung der Entdeckungen muß von der klinischen
Medizin ausgehen. Es soll hier aber besonders betont werden, daß die Aufgaben von
Forschungen nicht in erster Linie nur den Bedürfnissen der Praxis dienen müssen.
Sie sollen vielmehr aus den Forderungen der Wissenschaft hervorgehen.
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THERAPIE UND DAS CHEMOTHERAPEUTISCHE
FORSCHUNGSINSTITUT „GEORG SPEYER-HAUS“
IN FRANKFURT a. M.
Von
Geh. Medizinalrat Dr. WILHELM KOLLE
o. Honorar-Professor an der Universität Frankfurt a. M.
und
Dr. ERWIN STILLING, Frankfurt a. M.
I. ARBEITSGEBIETE, AUFGABEN UND WISSENSCHAFTLICHE
ZIELE DER INSTITUTE
Von
Geh. Medizinalrat Dr.WILHELM KOLLE
FORSCHUNG und Lehre waren bis Mitte des 19. Jahrhunderts in den Hochschulen
nicht nur eng verknüpft; die Forschung wurde auch fast allein an den Universi-
täten und den ihr angegliederten Instituten gepflegt. Die mit exakten Methoden be-
triebene Forschung brach sich zuerst in Physik und Chemie Bahn. Für diese Art der
Forschung kamen aber damals noch relativ kleine Gebiete in Betracht. So war es
möglich, daß die Hochschullehrer neben ihren Lehrverpflichtungen viel Zeit und
Muße auf die Erforschung der Probleme, die sich besonderen Interesses erfreuten,
verwandten. Doch bereits im letzten Drittel des vergangenen Jahrhunderts reifte die
Erkenntnis, daß größere Forschungsaufgaben vielfach nur von solchen Gelehrten
durchgeführt werden könnten, die durch anstrengende Berufspflichten, wie sie
namentlich die Lehrtätigkeit mit sich bringt, befreit waren. Sehr bald setzten sich
diese Ideen ganz durch. Vor allem gaben Entdeckungen auf medizinischem Gebiete
den Anstoß zur Gründung von biologischen und experimentell-medizinischen For-
schungsinstituten, die mit der Lehrtätigkeit an Universitäten nicht in Verbindung
standen. Die großen Entdeckungen von Robert Koch und Louis Pasteur, zu-
sammen mit der Vervollkommnung der mikroskopischen Technik, wiesen den Weg
zur Erforschung der Infektionskrankheiten mit exakten Methoden. Kein Geringerer
als Robert Koch vertrat zuerst und mit aller Entschiedenheit den Standpunkt, daß
die Bearbeitung größerer Probleme mit exakten Methoden, wie die Erforschung der
Infektionskrankheiten, nur möglich ist, wenn in großen Instituten eine Anzahl
Forscher sich nach einheitlichen Ideen ganz dieser Aufgabe widmen kann. So
wurde für ihn das Kgl. Institut für Infektionskrankheiten in Berlin gegründet.
Zwar war auch hier der Zusammenhang mit der Praxis gewahrt, in diesem Falle
mit der praktischen Medizin und deren Bedürfnis nach naturwissenschaftlichen Be-
obachtungen. Die Anregung zu solchen Forschungen und auch zum weiteren Ein-
dringen und zur Vervollkommnung der Entdeckungen muß von der klinischen
Medizin ausgehen. Es soll hier aber besonders betont werden, daß die Aufgaben von
Forschungen nicht in erster Linie nur den Bedürfnissen der Praxis dienen müssen.
Sie sollen vielmehr aus den Forderungen der Wissenschaft hervorgehen.
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