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Brauer, Ludolph [Hrsg.]; Mendelssohn Bartholdy, Albrecht [Hrsg.]; Meyer, Adolf [Hrsg.]
Forschungsinstitute, ihre Geschichte, Organisation und Ziele (2. Band) — Hamburg: Paul Hartung Verlag, 1930

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Krehl, Ludolf von: Das Kaiser Wilhelm-Institut für medizinische Forschung in Heidelberg
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https://doi.org/10.11588/diglit.57254#0090

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Leiter des anatomischen Instituts, des Instituts für allgemeine Pathologie und
pathologische Anatomie und des hygienisch-bakteriologischen Instituts. Die Zeit-
richtung in der biologischen Forschung geht jetzt nach dem Studium der Funktion.
Die großen Forscher der klassischen Zeit um die Mitte des vergangenen Jahr-
hunderts, die die Wege angaben, auf denen wir wandeln, waren noch zugleich
Morphologen und Physiologen. Wie mir scheint, wird die Bedeutung von Form und
Gestalt des Substrats, an dem die Lebensvorgänge ablaufen, gegenwärtig nicht
selten unterschätzt. Das wollen wir vermeiden und deswegen die nächste Zusam-
menarbeit mit den Morphologen unserer Hochschule suchen.
Die Morphologie hat immer den vergleichenden Gesichtspunkt gepflegt in der
richtigen Erwägung, daß die Bildung der Form nie verständlich sein kann, wenn
wir nicht ihre Entwicklung in der Tierreihe, richtiger gesagt in der Reihe der leben-
den Wesen verfolgen. Wer könnte das in der Stadt Gegenbaurs vergessen! Anatom
und Zoologe vertreten auf der Hochschule die vergleichende Morphologie der Tiere,
der Botaniker untersucht die Struktur und Funktion der Pflanzen. Wir werden also
auch diese Forscher einbeziehen in unsere Bitte gemeinsamen und sich ergänzen-
den Schaffens.
Und die vergleichende Physiologie und Pathologie? Diese beiden Formen der
Forschung gibt es auf der Hochschule nicht. Man hat sie nicht geschaffen in der
gewiß richtigen Annahme, daß sie für den Unterricht von Ärzten und Lehrern vor-
erst entbehrlich sind. Aber sind sie zu missen für die wissenschaftliche Forschung,
die den Lebensvorgängen am gesunden und kranken Menschen auf den Grund
gehen will? Sollten die unendlichen Rätsel, wie sie uns schon jede Teilverrichtung
einer Organfunktion auf gibt, nicht erleuchtet werden können, wenn wir zu unter-
suchen imstande sind, wie die gleiche Aufgabe, die diese Funktion zu lösen hat,
unter ganz andern Bedingungen erfüllt wird? Wie mir scheint, ist eine ver-
gleichende Physiologie auch für das Verständnis der am Menschen ablaufenden
Vorgänge ebenso notwendig, ebenso nützlich und ebenso aussichtsreich wie die
vergleichende Morphologie. Eine vergleichende Physiologie als Wissenschaft ist da,
sie harrt nur noch der näheren Verbindung mit dem Studium der Physiologie des
Menschen bzw. der Laboratoriumstiere, ich will sagen mit der offiziellen Physiologie.
Eine vergleichende Pathologie fehlt meines Wissens, wenigstens in Deutschland.
Die vergleichende Physiologie und Pathologie für unser Institut zu gewinnen, ist
nicht nur eine Zukunftshoffnung von uns, sondern unser fester Plan, wenn ein
gütiges Geschick unserem Vaterlande bessere Zeiten geben wird. Denn wir sind erst
am ersten Anfänge.

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