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Brauer, Ludolph [Hrsg.]; Mendelssohn Bartholdy, Albrecht [Hrsg.]; Meyer, Adolf [Hrsg.]
Forschungsinstitute, ihre Geschichte, Organisation und Ziele (2. Band) — Hamburg: Paul Hartung Verlag, 1930

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Nocht, Bernhard: Das Institut für Schiffs- und Tropenkrankheiten in Hamburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.57254#0092

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Daß die ersten derartigen Institute in Europa und nicht gleich in den Tropen
selbst erstanden, war auch kein Zufall. Die Verhältnisse da draußen waren da-
mals, namentlich in unseren Kolonien, noch reichlich primitiv, das galt auch für
viele britische tropische Besitzungen, z. B. das äquatoriale Westafrika, und selbst
in den ärztlichen Kreisen der großen Städte von Britisch-Indien (Kalkutta usw.)
fehlte damals noch vielfach allgemeineres Interesse und innige Berührung mit
der Bakteriologie und der Mikrobiologie überhaupt, die für viele exotische
Länder eine neue, nur von wenigen geübte Forschungsmethode war. So wähl-
ten auch die Gründer der britischen medizinischen Forschungsinstitute —
Patrick Manson und Ronald Ross — zunächst London und Liverpool als ihren
Sitz. In Deutschland war es Robert Koch, der nach seinen Reisen in unserer
früheren Kolonie Deutsch-Ostafrika zuerst bei den zuständigen Stellen in Berlin
für die Gründung eines tropenmedizinischen Forschungsinstitutes eintrat. Das
Projekt nahm auch dank der Autorität von Robert Koch sehr bald greifbare
Gestalt in Form eines Antrages des Reichskolonialamts (damals noch Kolonial-
abteilung des Auswärtigen Amtes) an den Reichstag an. Der Sitz des beantragten
Instituts sollte in Berlin sein.
Inzwischen hatten die Erfahrungen des Cholerajahres 1892 Hamburg zur
Organisation einer zuverlässigen gesundheitlichen Überwachung des Seeverkehrs
im Hamburger Hafen veranlaßt, mit der der Verfasser betraut wurde. Ich fand
bald, daß bei dieser Überwachung eine Fülle von Material, das zur Beobachtung
und Erforschung der Tropenkrankheiten vorzüglich geeignet war, insbesondere
interessante und seltene Krankheitsfälle zutage kamen und daß das alles für
wissenschaftliche Forschungen besser als bisher ausgenutzt werden konnte, wenn
man es in einem Institut konzentrierte. So entstand auch in Hamburg der Ge-
danke zur Gründung eines der tropenmedizinischen Forschung und Lehre gewid-
meten Instituts, und da die Vorarbeiten dazu beim Bekanntwerden der Pläne des
Reichskolonialamts schon verhältnismäßig weit gefördert waren, gelang es unschwer,
die zuständigen Stellen in Berlin davon zu überzeugen, daß ein solches Institut am
besten in einem Welthafen und in unmittelbarer Verbindung mit dem über-
seeischen Schiffsverkehr seine Bestimmung erfüllen würde. Die Errichtung eines
Instituts in Berlin kam nicht mehr in Frage, die gesetzgebenden Körperschaften
in Hamburg beschlossen im Jahre 1899, das bisherige „Seemannskrankenhaus“
zu einem Institut für Schilfs- und Tropenkrankheiten auszubauen. Dabei sollte
der hafenärztliche Dienst, also die gesundheitliche Überwachung des Schiffs-
verkehrs, entsprechend seiner hohen Bedeutung für die Gewinnung von inter-
essanten Krankheitsfällen und sonstigem Forschungsmaterial, aufs engste mit
dem Institut verbunden bleiben. Der Direktor des Instituts (Verfasser) blieb nach
wie vor auch Leiter der gesundheitlichen Überwachung des Seeschiffsverkehrs.
Erst im Jahre 1906 wurde diese Personalunion aufgehoben. Der hafenärztliche
Dienst verblieb aber in den Räumen des Instituts, was von grundsätzlicher Be-
deutung ist und einen großen Vorzug des Hamburger Instituts vor allen andern
europäischen Instituten für tropenmedizinische Forschung darstellt.
Im Jahre 1914 — eben vor dem Kriege — bekam das Institut einen großen, am
Elbufer gelegenen, weithin sichtbaren Neubau, aus drei Gebäuden bestehend, in
dem es sich jetzt noch befindet.

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