Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Brauer, Ludolph [Hrsg.]; Mendelssohn Bartholdy, Albrecht [Hrsg.]; Meyer, Adolf [Hrsg.]
Forschungsinstitute, ihre Geschichte, Organisation und Ziele (2. Band) — Hamburg: Paul Hartung Verlag, 1930

DOI Artikel:
Herzog, Reginald Oliver: Das Kaiser Wilhelm-Institut für Faserstoffchemie
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.57254#0280

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
sich teils auf von der Industrie — der Textil-, Kunstseide-, Zellstoff-, Papier- und
Holzindustrie — gestellte Fragen bezogen, allmählich aber immer mehr eigenen Im-
pulsen entsprangen. Insbesondere ist über Wolle, Kunstseide und Holz gearbeitet
worden, zum Teil wurden neue technische Verfahren entwickelt. Fast nie hat das
Institut Aufgaben übernommen, deren Bearbeitung die Sache des Betriebslaborato-
riums ist. Die Wechselbeziehungen zur Industrie haben unter anderem auch ver-
hindert, daß nur „allzu theoretische“ Arbeit im Institut geleistet wird, wie ursprüng-
lich von mancher Seite befürchtet wurde.
Die wirtschaftliche Quelle, aus der die Institutsarbeit gespeist wurde bzw. wird,
bildete anfangs eine Stiftung, die allzubald den Weg nahm, den fast alle ähnlichen
Zwecken bestimmte Mittel in der Inflationszeit gegangen sind. In der folgenden
Periode wurde versucht, durch Übernahme bestimmter technischer Aufgaben zu-
gleich die für die rein wissenschaftliche Tätigkeit erforderlichen Summen zu er-
halten. Als dieses Verfahren nach einiger Zeit versagte, gab eine Beorganisation, zu-
nächst freilich nicht ohne starke Einschränkung, die Möglichkeit zu freier wissen-
schaftlicher Arbeit ohne industrielle Verpflichtungen. Allmählich ergab sich dann
eine neuerliche Fühlungnahme mit der Industrie, die den Zufluß an Mitteln nicht
unerheblich zu steigern gestattete, so daß sich der Umfang der Arbeiten allmählich
wieder auf breitere Grundlage stellen ließ, wenn es auch bisher nicht gelang, die
Basis wieder aufzubauen, auf der das Institut geplant und durchdacht war. Der rein-
wissenschaftliche und wissenschaftlich-technologische Betrieb, wie er zur Zeit im
Institut nebeneinander besteht, stellt besondere Ansprüche an den Leiter, aber es
hat sich gezeigt, daß er Vorzüge besitzt. Anfragen, die von Seiten der reinen Wissen-
schaft oder von der Industrie ausgehen, lassen sich auf dieser Grundlage leichter
beantworten; nach beiden Seiten hin strahlen Anregungen aus, und vor allem bringt
das Institut dauernd produktive Arbeit hervor, wenn es auch nicht seine Haupt-
aufgabe darin sieht, ein Motiv bis zur letzten Möglichkeit zu variieren, sondern mehr
durch neue Fragestellungen, Ausbildung von Methoden usw. anregen will. Aus dem
Interesse, das die Industrie an der Aufnahme des Nachwuchses besitzt, der sich in
dem Institut entwickelt, ergibt sich, daß das methodisch kombinierte Verfahren
auch erzieherischen Nutzen zu stiften vermag.
Es wird immer nur besonders glücklichen Verhältnissen zu danken sein, wenn
die Kraft der an einer Stelle versammelten Forscher zugleich zur Analyse und
Synthese des ihnen gestellten Problems ausreicht. Aber sobald produktive For-
schung eingesetzt hat, wird der einmal erteilte Impuls weiterwirken; wo die Früchte
geistiger Arbeit reifen, ist einerlei. Der Wille, die Industrie, die nicht das Fabrik-
laboratorium ihren eigenen Fragen dienstbar gemacht hat, durch reine und an-
gewandte Wissenschaft zu fördern, verlangt im besonderen unbeirrbare Beharr-
lichkeit.

264
 
Annotationen