daß ſie alle zukünftigen Grenzen weit überſtieg, ſo ſchloß
er ihnen den Mund, indem er ſeine Gemeinde mit einem
Fahrzeug verglich, deſſen Bemannung ſeinem Commando
und ſeiner Obhut von Gott anvertraut und die er in
Föllen der Noth mit Gefahr ſeines Lebens zu retten be-
reit ſei. Sie, Männer, wüßten ja ſelbſt recht gut, daß
auf jedem Schiffe ein einheitlicher Wille herrſchen müſſe.
(Fortſetzung folgt.)
Die Frauen und das Trinken.
Eine kulturgeſchichtliche Seizze von R. D.
Wenn wir Montesquieu glauben dürfen, ſo ſteht in
der ganzen Welt das Laſter der Trunkenheit mit der
Kälte und Feuchtigkeit des Klima's in geradem Ver-
hältniß. „Reiſt man“, ſo ſagt dieſer Schriftſteller, „vom
Aequator nach dem Nordpol, ſo findet man jenes Laſter
immer häufiger, und vom Aequator nach dem Süden
iſt der Fall derſelbe.“
Eine für die Trinker beſonders glückliche Lage muß
Deutſchland haben, da ſeine Einwohner ſeit Cäſar und
Tacitus im Rufe der Virtuoſität als Zecher ſtehen.
Wenn der römiſche Geſchichtsſchreiber uns berichtet, daß
die alten Deutſchen beim Trunke Entſchlüſſe gefaßt, weil
der Wein des Menſchen innerſte Gedanken verrathe,
bei nüchternem Verſtande aber die Ausführung beſchloſ-
ſen haben, ſo war bei den Berathungen unſerer Vor-
fahren das Trinken der Anfang, die Mitte und das
Ende. Wie innig das Trinken bei den Deutſchen mit
rer verbunden ſei, beweiſen unter Anderem auch
die Bexeicherungen unſerer Sprache durch Ausdrücke,
welcheesm Trinken und den damit verbundenen Wor-
ten Durſt und Trunkenheit abgeleitet worden ſind. In
ſeinem „patriotiſchen Beitrag zur Mythologie der Deut-
„ſchen“ führt Lichtenberg mehr als 150 Redensarten an,
wollih die Deutſchen die Trunkenheit bezeichnen, wäh-
der Franzoſe nicht einmal einen Ausdruck zur Be-
zeichnung eines ſehr hohen Grades des „Angeheitertſeins“
yat. Neuere Sammler haben durch ihre Forſchungen
erwieſen, daß es in unſerer Sprache ungefähr 300 Aus-
drücke gibt für — ja welche Wendung aus dieſer gro-
ßen Zahl ſoll ich wählen? — für — nun für „etwas
zu tief in's Glas geguckt haben.“ Die feineren Nuan-
cirunzen zwiſchen denſelben herauszufinden, iſt noch eine
ſchwierige Aufgabe der deutſchen Sprachwiſſenſchaft. —
Ebenſo iſt es allgemein anerkannt, daß die conventio-
nellen Geſchenke, mit welchen bei den verſchiedenen Völ-
ö kern kleine Dienſte belohnt werden, mit dem Namen der-
jenigen Sache benannt werden, welche der Nation am
liebſten ift. Was nun in Portugal und Spanien in
dieſer Hinſicht Tabaksgeld, in Rußland Schnapsgeld,
in der Türkei Kaffeegeld heißt, wird in Deutſchland all-
gemein Trinkgeld genannt, ein Wort, das ſogar die Fran-
zoſen in ihrem Ausdruck „pourboire“ angenommen ha-
ben. Ja, ſelbſt der Beamte, welcher die Weingefälle,
als eine der Hauptquellen der Einkünfte, unter ſich hatte,
war nicht nur hoch geachtet, ſondern ſeinem Amtstitel
gab der Wein die Hauptbenennung, denn obgleich das
Korn eben ſo gut, ja noch früher als der Wein unter
ſeiner Verrechnung war, ſo hieß er doch bezeichnend
genug Keller.
Es wäre nun verkehrt, zu behaupten, daß das Trin-
ken ein vom Erzvater Noah her überkommenes aus-
ſchließliches Erbübel der Männer ſei; im Nachfolgenden
ſei das Wageſtück unternommen, auf Grundlage wahr-
heitsgemäßer, geſchichtlich conſtatirter Thatſachen den
den Beweis zu liefern; daß zumal im Mittelalter auch
das zarte Geſchlecht der Frauen den verführeriſchen Ga-
ben eines Bacchis und Gambrinus durchaus nicht ſo
abhold war, als man gewöhnlich zu glauben verſucht iſt.
Wenn beim Feſtmahle der alten Deutſchen die Frau
den Trank kredenzte, ſo war es ihre Pflicht, erſt re
roſigen Lippen in das goldene Naß zu tauchen)
nicht blos ſie zu benetzen, ſondern einen tüchtigen Schluck
daraus zu nehmen; denn je tiefer ſie in den Poral
hineinſah, deſto ehrenvoller war es für den, dem ſie zu-
trank.
Beretts im Jahre 817 beſtimmte das Concil zu
Aachen ganz genau, wieviel jede Kloſterperſon als Tiſch-
trunk erhalten ſollte. Wenn nämlich das Kloſter reich
ſei und im Lande viel Weinberge ſich befänden, dann
ſolle jeder reguläre Chorherr täglich an Gewicht fünf
Pfund Wein und die Nonne drei bekommen, gäbe es
wenig Weinberge, ſo ſolle erſterer drei Pfund Wein und
ebenſoviel Gewicht an“ Bier erhalten, die Nonne aber
von jedem Getränk zwei Pfund, wogegen da, wo gar
keine Weinberge ſeien, der Chorherr fünf Pfund an Bier,
aber nur ein Pfund an Wein, die Nonne von letzterem
Getränk ebenſoviel, an Bier aber nur drei Pfund be-
kommen ſolle. In weniger reichen Stiften ſolle der Chor-
herr, wenn den Wein im Lande reichlich gebaut werde,
täglich vier Pfund, wenn er ſelten ſei, zwei Pfund mit
drei Pfund Bier, und wo gar keiner gebaut würde, vier
Pfund Bier und ein Pfund Wein erhalten. Sei dagegen
das Stift arm, der Wein aber billig, dann beſtimmle
das Concil für jeden Mönch täglich zwei Pfund Wein,
wo aber kein Wein gebaut werde, zwar ein Pfund Wein,
aber drei Pfund Bier u. ſ. f,
Im Eiderado des mittelalterlichen feinen Lebens, in
Frankreich, finden wir ein altes Gedicht, das „Chastis-
ment des Dames“; darin ſtoßen wir auf die zermal-
menden Verſe:
„Courtoisie, beauté, savoir
ne peut Dame yvre en soi avoir;“
(Hoͤfiſches Weſen, Schönheit, Wiſſen
Wird man bei trunkenem Weib vermiſſen.)
und dann gar weiter:
„Fi de la Dame qui s'enyvre,
elle n'est pas digne de vivre.“
(Pfui über's Weib, dem Trunk ergeben,
Es iſt nicht würdig mehr zu leben.)
(Fortſetzung folgt.)
er ihnen den Mund, indem er ſeine Gemeinde mit einem
Fahrzeug verglich, deſſen Bemannung ſeinem Commando
und ſeiner Obhut von Gott anvertraut und die er in
Föllen der Noth mit Gefahr ſeines Lebens zu retten be-
reit ſei. Sie, Männer, wüßten ja ſelbſt recht gut, daß
auf jedem Schiffe ein einheitlicher Wille herrſchen müſſe.
(Fortſetzung folgt.)
Die Frauen und das Trinken.
Eine kulturgeſchichtliche Seizze von R. D.
Wenn wir Montesquieu glauben dürfen, ſo ſteht in
der ganzen Welt das Laſter der Trunkenheit mit der
Kälte und Feuchtigkeit des Klima's in geradem Ver-
hältniß. „Reiſt man“, ſo ſagt dieſer Schriftſteller, „vom
Aequator nach dem Nordpol, ſo findet man jenes Laſter
immer häufiger, und vom Aequator nach dem Süden
iſt der Fall derſelbe.“
Eine für die Trinker beſonders glückliche Lage muß
Deutſchland haben, da ſeine Einwohner ſeit Cäſar und
Tacitus im Rufe der Virtuoſität als Zecher ſtehen.
Wenn der römiſche Geſchichtsſchreiber uns berichtet, daß
die alten Deutſchen beim Trunke Entſchlüſſe gefaßt, weil
der Wein des Menſchen innerſte Gedanken verrathe,
bei nüchternem Verſtande aber die Ausführung beſchloſ-
ſen haben, ſo war bei den Berathungen unſerer Vor-
fahren das Trinken der Anfang, die Mitte und das
Ende. Wie innig das Trinken bei den Deutſchen mit
rer verbunden ſei, beweiſen unter Anderem auch
die Bexeicherungen unſerer Sprache durch Ausdrücke,
welcheesm Trinken und den damit verbundenen Wor-
ten Durſt und Trunkenheit abgeleitet worden ſind. In
ſeinem „patriotiſchen Beitrag zur Mythologie der Deut-
„ſchen“ führt Lichtenberg mehr als 150 Redensarten an,
wollih die Deutſchen die Trunkenheit bezeichnen, wäh-
der Franzoſe nicht einmal einen Ausdruck zur Be-
zeichnung eines ſehr hohen Grades des „Angeheitertſeins“
yat. Neuere Sammler haben durch ihre Forſchungen
erwieſen, daß es in unſerer Sprache ungefähr 300 Aus-
drücke gibt für — ja welche Wendung aus dieſer gro-
ßen Zahl ſoll ich wählen? — für — nun für „etwas
zu tief in's Glas geguckt haben.“ Die feineren Nuan-
cirunzen zwiſchen denſelben herauszufinden, iſt noch eine
ſchwierige Aufgabe der deutſchen Sprachwiſſenſchaft. —
Ebenſo iſt es allgemein anerkannt, daß die conventio-
nellen Geſchenke, mit welchen bei den verſchiedenen Völ-
ö kern kleine Dienſte belohnt werden, mit dem Namen der-
jenigen Sache benannt werden, welche der Nation am
liebſten ift. Was nun in Portugal und Spanien in
dieſer Hinſicht Tabaksgeld, in Rußland Schnapsgeld,
in der Türkei Kaffeegeld heißt, wird in Deutſchland all-
gemein Trinkgeld genannt, ein Wort, das ſogar die Fran-
zoſen in ihrem Ausdruck „pourboire“ angenommen ha-
ben. Ja, ſelbſt der Beamte, welcher die Weingefälle,
als eine der Hauptquellen der Einkünfte, unter ſich hatte,
war nicht nur hoch geachtet, ſondern ſeinem Amtstitel
gab der Wein die Hauptbenennung, denn obgleich das
Korn eben ſo gut, ja noch früher als der Wein unter
ſeiner Verrechnung war, ſo hieß er doch bezeichnend
genug Keller.
Es wäre nun verkehrt, zu behaupten, daß das Trin-
ken ein vom Erzvater Noah her überkommenes aus-
ſchließliches Erbübel der Männer ſei; im Nachfolgenden
ſei das Wageſtück unternommen, auf Grundlage wahr-
heitsgemäßer, geſchichtlich conſtatirter Thatſachen den
den Beweis zu liefern; daß zumal im Mittelalter auch
das zarte Geſchlecht der Frauen den verführeriſchen Ga-
ben eines Bacchis und Gambrinus durchaus nicht ſo
abhold war, als man gewöhnlich zu glauben verſucht iſt.
Wenn beim Feſtmahle der alten Deutſchen die Frau
den Trank kredenzte, ſo war es ihre Pflicht, erſt re
roſigen Lippen in das goldene Naß zu tauchen)
nicht blos ſie zu benetzen, ſondern einen tüchtigen Schluck
daraus zu nehmen; denn je tiefer ſie in den Poral
hineinſah, deſto ehrenvoller war es für den, dem ſie zu-
trank.
Beretts im Jahre 817 beſtimmte das Concil zu
Aachen ganz genau, wieviel jede Kloſterperſon als Tiſch-
trunk erhalten ſollte. Wenn nämlich das Kloſter reich
ſei und im Lande viel Weinberge ſich befänden, dann
ſolle jeder reguläre Chorherr täglich an Gewicht fünf
Pfund Wein und die Nonne drei bekommen, gäbe es
wenig Weinberge, ſo ſolle erſterer drei Pfund Wein und
ebenſoviel Gewicht an“ Bier erhalten, die Nonne aber
von jedem Getränk zwei Pfund, wogegen da, wo gar
keine Weinberge ſeien, der Chorherr fünf Pfund an Bier,
aber nur ein Pfund an Wein, die Nonne von letzterem
Getränk ebenſoviel, an Bier aber nur drei Pfund be-
kommen ſolle. In weniger reichen Stiften ſolle der Chor-
herr, wenn den Wein im Lande reichlich gebaut werde,
täglich vier Pfund, wenn er ſelten ſei, zwei Pfund mit
drei Pfund Bier, und wo gar keiner gebaut würde, vier
Pfund Bier und ein Pfund Wein erhalten. Sei dagegen
das Stift arm, der Wein aber billig, dann beſtimmle
das Concil für jeden Mönch täglich zwei Pfund Wein,
wo aber kein Wein gebaut werde, zwar ein Pfund Wein,
aber drei Pfund Bier u. ſ. f,
Im Eiderado des mittelalterlichen feinen Lebens, in
Frankreich, finden wir ein altes Gedicht, das „Chastis-
ment des Dames“; darin ſtoßen wir auf die zermal-
menden Verſe:
„Courtoisie, beauté, savoir
ne peut Dame yvre en soi avoir;“
(Hoͤfiſches Weſen, Schönheit, Wiſſen
Wird man bei trunkenem Weib vermiſſen.)
und dann gar weiter:
„Fi de la Dame qui s'enyvre,
elle n'est pas digne de vivre.“
(Pfui über's Weib, dem Trunk ergeben,
Es iſt nicht würdig mehr zu leben.)
(Fortſetzung folgt.)