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Heidelberger Volksblatt (9) — 1876

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Nr. 35 - Nr. 43 (3. Mai - 31. Mai)
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1⁵²

Die bekannte
Rickſchritts-
männer — die
dreigeſchtrenge
Herrn Heilige:
Pankratius,
Servatius un
Bonifacius,
die uns am
Freitag,
Samſtag un
Sunndag ihr
Viſitt im Kal-
lennergemacht.
ſcheine deß Johr
etwas gel in⸗;
dere Wet-
terſeite uffge-
zoge zu hawe,
un mit'm all-
gemeine Frieh-
lingsfoctſchritt
gange zu ſein...
Sie ſinn deſ.
ſemool wenig⸗ ö
ſchtens ozue ———
Froſcht balle vun d'r Reis um's Johr bei uns ankumme,
un bloſe uns 's Maifeier im Offe aus. Sie bringe
alſo allem Anſchein nooch warm Wetter, un die verlore
Hoffnung uff e gut Johr widrer mit. — Wann ma un-
ſer Bauersleitcher uff'm Mark heert, is freilich aweil
ſchurn nit mehr viel zu hoffe. — No, wie ſiehts draus
bet eich aus, Fraache? — frorg ich die Woch eeni vun
unſere hanbigene Landbaroneſſe in d'r friſch g'ſchtärkte
Schtrifflhaub. — Mein, wie kann's ausſehe! — ſeggt
ſe. Ich dhät aach noch frooge! Alles verſoffe, alles ver-
froore, alles kaputt! Deß Zohr kenut'r de Butluffmache,
ihr Schiadtleit! — Wann ich'r alles, was Se mer do
vorliigt, nit haad, glaaw ich'r veß, Weiwele! Daß
mer de Beitl uffmache miſſe! Dann ich meegt wiſſe, in
was forme Johr mer was vun eich g'ſchenkt kricht hawe!
Ihr ſeid die Rechte, die ſich nooch unſera Herrgott ſeim
Seege richte! Ob viel odder wenig wachst, ihr macht uns
immer die Hoor aus de Aage, wann mer frooge, was
d'r Butter koſcht. Die Kerrſche, wäre deß Johr geſſe,
ſaat'r per Exempl heit ſchunn. Weil e paar Beem voll
uff'm heekſchte Oodewald vielleicht verfroore ſinn. Vun
de annere im Dhal herngege, die verblieht hawe wie'n
Blummeſchtrauß imme Glas Waſſer hinner d'r Fenſchter-
ſcheib, redd'r nix. Alles verſoffe, alles verfrore, alles
kaputt! Wann ich ſo was heer! Ich wollt Sie hätt die
Aeppl, Biere un Niß, die nit verfrore finn, deß Johr
all im Maage ligge, odder mißt dran kaue un ſchlucke,
bis an de jiagſchte Dag! — Hochwaſſer! Deß war deß
Johr widder Waſſer uff eier Miepl! Ma meent die ganz

Welt wär verſoffe, wann ma eier G'ſichter uff'n Mark

bedracht! Ball zu naſſ, ball zu drucke! Ihr habt 's ganz

Johr e Ausredd, wann'd'r uns Schtadtleit foddert, daß
eem die Aage iwerlaafe. — Verſchtaune, Weiwele! —
Buckt mich die Scheierkomteſſ groß an, als Sotterſchbrich:
Was geht dann deß Alles Sie an? — Gewiß, ſag ich,
haw ich g'ſagt, geht mich deß Alles an. For deß bin
ich die alt Nagglmaiern, die 's ganz Johr die Katz durch
de Bach zu ſchleefe hott! Die ſich um Alles bekimmere
muß! Die ke ruhigi Schtund mehr hott, for lauter
Kläger un Bittſchteller, die däglich beve Audienz
verlange. Die for Alles ſorge, un ball dem un ball
ſellem uff de Buckl ſchteige ſoll. Mit eem Wort: Wann
Se mich noch nit kennt — ich bin die Heidlberger
Schtadtbas! Die Generalvollmacht vun d'r ganze
Schtadt hott, hauptſächlich eierm ſuvräne Eier⸗ un Butter-
adel, der do rein uff de Mark kummt, un ſchunn im
Monat Mai die ſchwarz Hungersnooth an de Himml
male will, alsemool uff die bochwohlleebliche Atzlaage
zu treete. — Winkt mer die Madamm in d'r Schtriffl-
haub ab un macht's Kreiz vor'mer, Leitcher! — Dhut
nirx, ſag ich haw ich g'ſagt. Schlag Sie aach e Kreiz
vor'mer! Dernderwege bir ich noch lang nit em Deifl
ſem Großmutter. Awer wie g'ſagt: Die alt Naggl-
matern, die ke Blatt vor's Maul nimmt, un eich drei-
genätzte Glanzberkaalſchtaatsmadammcher uff'm Kraut-
un Kartofflacker alsemool die Wohrheit ſeggr. — Soo-
dele. Jetzt babt'r widder uff e Weil Ruh vor mer.
Adies Weiwele! ö
Iwer die drei geſchtrenge Herrn Pankratius, Ser-
vatius un Bonifacins, mit denne ich heit mein Woche-
capitel eingeleit, iwerigens die drei annere Herra d'r
Welt nit zu vergeſſe, die gegewärtig in Beclin unſer
bollitiſch Gemies koche. Was werd widder aus dem
Hex⸗keſſt kumme, Leitchen? E guti Summerſaat odder

en krumme Derkeſeewlſalat. D'r Deifl weeß'es! Dann

der is widder loos! D'r lewendige Kriegsdeifl, der
aweil in d'r Derkei ſchbaziere geht, un wer weeß wenn
als noch binnernanner beingt. — Zum Zuſchbitze noch
e „Handlsg'ſchäftche,“ odder: Wie eener vun „unſere
Leit“ ke Mittl unverſucht loßt, um de greeſchte Brofitt
zu mache, neemlich:
Zwei alte Geſchäftsfreunde Nathan aus Wien und Jacob aus
Frankfurt am Main Beide Juwelenhändler trafen ſich alljährlich in
Leipzig auf der Meſſe. Diesmal bot Nathan dem Jacob eine Schnur
ortentaliſcher Perlen zum Verkauf an, die Letzterem ungemein gefie-
len, deren Preis 1500 Thaler ihm aber viel zu hoch ſchien. Nach
langem Handeln hatten Beide ſich ſoweit geeinigt, daß Nathan 1200
Thaler forderte, Jacob aber nur 1000 Thaler geben wollte. Näher
wollten ſich Beide trotz aller gegenſeitig aufgebotenen Beredſamkeit
nicht rücken, trotzdem der Tag der gegenſeitigen Trennung heranrückte.
Bei der Abreiſe ſagte Jacob, er wolle die Perlen mitnehmen und
dieſelben dann entweder behalten oder zurückſenden. Nathan war
damit einverſtanden. Darauf erhält Nathan, der ſchon einige Zeit
wieder in Wien angekommen war, einen Brief von Jacob, worin
derſelbe ſchreibt, daß in beifolgender Schachtel die Perlen ſeien.
Wolle Nathan dieſelben ihm zum Preiſe von 1000 Thaler laſſen ſo
möchte er die Schachtel der Porto⸗Erſparniß wegen uneröffnet zurück-
ſchicken, den geforderten Preis von 1200 Thaler könne er beim be-
ſten Willen nicht dafür zahlen. Wer beſchreibt aber Nathan's Er-
ſtaunen, als er, unzufrieden mit dem Gebote, die Schachtel öffnet
und darin keine Perlen, wohl aber einen Zettel von Jacobs Hand
findet, der nur die Worte enthält:
„Ich nehm' ſe doch for 1200 Thaler.“

Druck, Verlag und für die Redaction verantwortlich: G. Geiſendörfer.
 
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