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Heidelberger Volksblatt (9) — 1876

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Nr. 35 - Nr. 43 (3. Mai - 31. Mai)
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15¹

ſtellungslönder vortrug, dann folgte Richard Wagner's

Einweihungemarſch, den die Ausſtellungscommiſſion für

1000 LHſtr. erworben hatte und der allgemein gefiel.
Biſchof Mathew Simpſon, ein Methodiſt, hielt eine
Predigt, welcher eine von 1000 Sängern vorgetragene
Einweihungshymne folgte. Dieſe muſikaliſchen Leiſtun-
gen ſollen durchweg vortrefflich geweſen ſein, während
militäriſche Aufzüge und Paraden in Amerika nie recht
gelingen wollen und ſelten den beabſichtigenden imponi-
renden Eindruck gewähren. John Welſh, der Präfident
des Finanzausſchuſſes, überlieferte darauf das Unter-
nehmen in einer kurzen Rede der Ausſtellungscommiſſion,
und deren Präſident, General Hawley, hinwiederum dem
Präſidenten der Vereinigten Staaten. General Hawley
detonte, daß das Unternehmen, vor 21 Monaten be-
gonnen, nunmehr 190 Gebäude umfaſſe, von denen 180
im letzten Jahre entſtanden ſeien, und daß trotz der
großen Anzahl der Ausſtellungsräume nicht allen An-
forderungen und Wünſchen genügt werden könre, ſo
zahlreich ſei der Zudrang der Ausſteller.
9 Zur Erwiederung verlas General Grant folgende
ede:

„Es iſt für geeignet erachtet worden, bei Gelegenheit

dieſer hundertjährigen Feier in Philadelphia Probeſtücke
von unſern Leiſtungen auf dem Gebiete der Induſtrie
und der ſchönen Künſte, der Literatur, Naturwiſſenſchaft
und Philoſophie, ſowie auch auf dem weiten Felde der
Landwirthſchaft und des Handels zuſammenzubringen,
damt wir die Vorzüge und Gebrechen derſelben deſto

beſſer würdigen und auch unſerm eruften Verlangen, die

Freundſchaft mit den üdrigen Mitgliedern der großen
Familie der Völker zu pflegen, beſtimmten Ausdruck ver-
leihen können. Die aufzeklärten, Ackerbau, Handel und
Gewerbe treibenden Völker der Welt find eingeladen
worden, entſprechende Proben ihrer Geſchicklichkeit hier-
her zu ſenden und dieſelben unter den gleichen Bedin-
gungen im freundſchaftlichen Wettüreit mit unſern eige-
nen anzuſtellen. Dieſer Eir ladurg haben ſte mit Wärme
Folge geleiſtet. Dafür ſagen wir ihnen unſern herzlichen
Dauk. Die eingeſandten Gegenſtände, ihre Schönheit
und ihr Nutzen werden heute von den Directoren dieſer
Ausſtellung zur Anſchauung geboten werden. Es freut
uns zu wiſſen, daß der An lick der Proden von der
Kunſifertißkeit aller Nationen ungemiſchtes Vergnügen
gewähren und zugleich werthwolle praktiſche Kenntniß ſo
vieler merkwürdigen Leiſtungen der wunderbaren Ge-
ſchicklichkeit bieten wird, die in vorgeſchrittenen Gemein-
weſen thätig iſt. — Vor hundert Jahren war unſer
Land jung und nur theilweiſe hewohnt. Unſere Bedürf-
niſſe haben uns genöthizt, unſere Mittel hauptſächlich
auf den Bau von Wohnungen, Werkftätten, Schiffen,
Docs, Magazinen, Straßen, Kanälen, Maſchinerie u.
ſ. w. zu verwenden. Der größte Theil unſerer Schulen,
Kirchen, Bibliotheken und wohlthätigen Anſtalten iſt im
Laufe der letzten hundert Jahre errichtet worden. Be-
laſtet mit dieſen großen nothwendigen Anfangsarbeiten
vie keinen Aufſchub duldeten, haben wir doch, wetteifernd
mit älteren und weiter vorgeſchrittenen Nationen in Ge-

offen.“

ſetzes⸗ und Heilkunde und Theologie, in Wiſſenſchaft,
Literatur, Philoſophie und den ſchönen Künſten zu Stande
gebracht, was dieſe Ausſtellung aufweiſen wird. Stolz
auf das, was wir gethan haben, bedauern wir, daß wir
nicht mehr gethan haben. Unſere Leiſtungen ſind jedoch
groß genug geweſen, um es unſern Leuten leicht zu ma-
chen, hötzeres Verdienft, wo immer es ſich findet, anzu⸗-
erkennen; und nun Mitbürger, hoffe ich, daß eine ſorg-
fältige Prüfung deſſen, was zur Ausſtellung vorliegt,
Euch nicht nur tiefe Achtung vor der Kunſtfertigkeit und
dem Geſchmacke unſerer Freunde einflößen, ſondern auch
mit den Fertſchritten zufrieden ſtellen wird, die unſer
eigenes Volk während der letzten hundert Jahre gemacht
hat. Ich fordere Euch auf, mit den verehrlichen Com-
miſſären großmüthig mitzuwirken, um den glänzenden
Erfolg dieſer internationalen Ausſtellung zu ſichern und
den Aufenthalt unſerer fremden Gäſte, die wir herzlich
willkommen heißen, nützlich und angenehm für ſie zu
machen. Ich erkkäre die internationale Ausſtellung für
Hiermit war die eigentliche Eröffnungs⸗Cermonie zu
Ende. Der Präſident und der Kaiſer von Braſilien
begaben ſich in die Maſchinenhalle, wo ſie gemeinſam
die gewaltige Dampfmaſchine von 1600 Pferdekraft in
Bewegung ſetzten, welche den meiſten kleineren Maſchi-
nen der Ausſtellung die benöthigte Kraft mittheilt. Da-
mit war alſo auch eine thatſächliche Handlung zur Kenn-
zeichnung des Beginnes geſchehen. Der Präfident ſollte
in dem Pavillon der Ausſtellrgsrichter noch einen Em-
pfang abhalten, aber es kam nicht dazu. Anftatt deſſen
zerſtreuten ſich die verſammelten Ehrengöſte in die ver-
ſchiedenen Ausſtellungsgebäulichkeiten, um das ſchon Vol-
lendete zu beſichtigen.

(Ein ſalomoniſches Urtheil.) Die „Preßb. Z.“
erzählt folgendes ſcharfſinnige Urtheil eines jüdiſchen Rab-
biners: In Bilke haben zwei Iſraeliten vor den jüdi-
ſchen Oſterfeiertggen ein ambulantes Compagniegeſchäft
auf — Gänſe et blirt! ſie hauſirten nämlich mit den
fetten gerupften Gänſen. Der Eines, welcher mit dem
Geld manipulirte, legte den Erlös für den Ver kauf einer
Gans — lauter Kupfergeld — in den Bauch einer an-
dern kodten Gans, der andere ſtahl den Inhalt des Gans-
bauches, was natürlich zu einem Conflict zwiſchen den
beiden Gänſehändlern führte. Der Tüäter leugnete ſtand-
haft und der Compagnon ging in ſeiner Bedrängniß zum
Rabbiner, um demſelben den Fall anzuzeigen. Der Rab-
biner citirte beide vor ſich und erklärte, der Angeklagte
möge ſein ganzes Kopfergeld in ein Glas Waſſer wer-
fen; wenn das Geld auf den Boden des Glaſes falle,

dann ſei er unſchuldig. Der Dieb folgt erfreut der An-

ordnung des Rabbi und das hineingeworfene Geld ſank
natürlich anf den Boden des Glaſes. „Gewonnen!“
triumphirte der Dieb. „Dieb!“ rief der Rabbi ent-
rüſtet, denn auf dem Waſſer zeigten ſich Fettaugen, ein
Beweis, daß das Geld aus dem Innern der Gans ge-
nommen war!
 
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