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Spiegel uud das ſelbſtz frledene Lächeln um ihre Lippen
ſcheint der Anſicht der Mutter, daß ihr ein Platz unter
den himmliſchen Heerſchaaren gebühre, beizuſtimmen.
In dieſem Augenblicke tr'tt eine Dienſtmagd in das
Zimmer und wendet ſich an die alte Dame:
„Frau Gräſin, es iſt im Vorzimmer eine alte Frau,
die Sie dringend zu ſprechen wünſcht.“
„Jetzt? Ich hobe jetzt keine Zeit! Kann ſie nicht
morgen lommen? Wer iſt es über haupt, was wünſcht ſie.“
„Dle wollte nicht ihren Namen nennen, aber ſie bat
ſo dringend um ein ige Minuten Gehör, daß ich ſie nicht
habe zurückweiſen lönnen.“
Die alte Dame ſteht auf und geht raſch durch die
vitlen Zimmer. ö
Dort an der Thür des Vorziwmers wartet ein altes
Weib. Sie hat ein dünnes, buntes Kattunkle d an und
Kopf urd Seultern ig ein dunkles Tuch gehüllt. Auch
ihr Haer iſt grau, aber es ſind nur loſe und dürftige,
wirre Strähne, die dort unter dim dunkeln Tuch her-
vor über die einpefallenen Schläfe und die hektiſch ge-
rötheten Wanzen fallen.
Ob ditſes Antlitz einſt liebreizerd geweſen? Ob Reue,
ob Sorgen dieſe Furchen gezogen? Wer kann ſie leſeo,
dieſe Hieroglyphen, die das Elend mit eiſernem Griffel
in die Züge der Aruth gräbt?
„Womit kann ich Ihnen dienen ?“ erkundigt ſich
freunblich die alte Dame mit den filberglänzenden Löck-
chen an der noch ungsfurchten Stirne.
„Sie kenven uiich wohl richt?“ entgenet haſt'g das
Weib. „Wie ſollten Sie mich auch kennen, Cie haben
mich ja rie geſehen. Ich kin die Mutter Ihrer —
Tochter. Ich habe bs jtzt mein Virſprechen gehalten
und mein Kind nicht miederzeſehen. Yber nun erfahre
ich durch tinen Zufall, daß heute die Hochzeit meines!
Kindes iſt. Ich will ſie nur noch inmal ſehen, nur
tin einziges Mal ſprechen — ich komme gewiß nicht
wirder.“
Sie hatte mit fliegender Haſt geſprochen, als fürchte
ſie, unterbrochen zu werden, und nun huſtete ſie leiſe.
Die alte Darge iſt bei den Worten ver Bittſtellerin
ſchen zuſammengefahren. Nun aber trilt ſie theilnehmend
näher. Sie reicht der Frau, der Mutter ihrer Wera —
die Hard und littet ſi⸗, ſich zu ſetzen. ö
(Schluß folgt).
Vermiſchtes.
(Zum Duell Auersperg⸗Kolowrat.) Ueber
dieles Duell, das noch
meiner und lebhafteſter Erörterungen bildet, ertnehmen
wir dim „Salonblatt“ noch folgende auf den unmütel-
baren Hergang des tragiſchen Zweikampfes bezügliche
und nicht unintereſſante Oetails: Das Duell wurde
auf präcis 12 Uhr angeſetzt. Und als die Herren Auf-
ſtellung ger ommen hatten, ſtellte Graf Wurmbrandt die
uſuelle Anfrage wegen (twaiger Verſöhnung, Graf Wald-
mit dem Ausrufe;
ſtehenden
ſtein erwiderte jdoch: Nach dem Schimpf, der Fürſt
Auersperg angethan, ſei eine Verſöhnung unmöͤglich,
und es wurde nun vereinbart, auf fünfzehn Schritt Di-
ſtanz und auf ſitzende Kugeln zu ſchießen. Beim erſten
Treffen batte Fürſt Arersperg die Wahl der Waſſen.
Auf das Commando Drei wurde gefenert. Die Piſtole
des Fürſten Auersperg verſagte; die Piſtole des Für-
ſten wurde nun ausgſchoſſen; die Secundanten luden
die Waffen friſch und man ſoritt zum zweiten Tr.ffen.
Diesmal hatte Graf Kolowrat die Wahl der Waff v.
Auf das Kommando Drei wurde abermals gefeuert,
aber „un war es die Piſtole des Grafen Kolewrat, die
verſaste und die Kugel des Fürſten Auerspera ging
knapp über die Schulter des Grafen in einen Baum.
Rittsgeiſter Graf Wurmbrandt ftellte nun die Frage,
was zu geſchehen habe, wenn die Piſtolen das nächſte
Mal wieder verſagen wür den; nach einer andern Verſion
ſoll er bemerkt haben: „Wir werden doch nicht bis in
Nacht hinein ſo fortſchießen?“ Graf Waldſtein erwiderte:
„Pardon!“ Die Piſtole des Graſen Rolowrat wurde
wieder ausgeſchoſſen, beide Piſtolen friſch geladen, die
Gegner zielten nun ſehr ſcarf und auf das Rowr-
manto Drei wurde zum dritten Male gefeuert. Im
ſelben Momerte wankte Fürſt Auersperg, Graf Wurm-
brandt ſprang raſch auf den Sinkenden zu und drückte
die Kugel, die durch den Unter leib gegangen war, heraus
„Bylandt, raſch die Doctoren!“
Graf Kolowrat eilte ſelbſt nach dem Arzte, und wäh-
rend der Verwundete in ein nahe gelegenes Luſſchlöß-
chen, welches fich im Parke befindet, gebracht wurde,
holten Bylandt und Graf Kolowrat ein großes Lavoir
mit Waſſer für den Verwondeten. Die Docloren er-
klärten die Verwundung für nicht gefährlich. Nach er-
folgtem Duelle verſicherten die Herren Secundanten
gegenſeitig, daß mit der größten Correctheit
vorgegangen worden ſei, und verſicherten ſich gegenſe tig
der größten Hochachtung und erklärten die ganze Ange-
legenheit für gänzlich ausgeglichen. Als intereſſantes
Moment muß hervorgehoben werden, daß Jeder der
beiden Duellanten einen Revers dei ſich trug, welcher
ungefähr folgender maßen lautete: „Ich Endesgefert gter
erkläre hiermit mit meiner eigenhändigen Unterſchriſt,
daß ich heute Mittags wegen Lebensüberdruß meinem
Leben durch einen Piſtolenichuß ein Ende machte.“ Wir
haben nur noch über den Grafen Kolowrat hinzuſügen,
daß deſſen Vater, der verſtorbene FML. Graf Kolowrat,
Yntemals infam kaſſirt wurde, ſondern im Gegenttzeil von
Kaiſer mehrfache Auszeichnungen erfahr und daß ſeine
Mutter voa einem ruſſiſchen Adel entſtammte.
immer den Gegenſtand allge-
(Küßt unſere Kleinen nichtl) Unter der vor-
Ueberſchrift bringt der „Düſſ. Anz“ von einem
„Arzte“ die rachfolgende Mahnung, die weitere Ver-
breitung verdient: Eine ſchauderhafte Unfitte iſt es, nie
Kinder zu küſſen. Wir brauchen abſichtlich den Ausdruck
„ſchauderhaft“, weil wir uns zart ausdrücken wollen
und die Bezeichnung „mörderiſch“ uns ſchon auf der
Spiegel uud das ſelbſtz frledene Lächeln um ihre Lippen
ſcheint der Anſicht der Mutter, daß ihr ein Platz unter
den himmliſchen Heerſchaaren gebühre, beizuſtimmen.
In dieſem Augenblicke tr'tt eine Dienſtmagd in das
Zimmer und wendet ſich an die alte Dame:
„Frau Gräſin, es iſt im Vorzimmer eine alte Frau,
die Sie dringend zu ſprechen wünſcht.“
„Jetzt? Ich hobe jetzt keine Zeit! Kann ſie nicht
morgen lommen? Wer iſt es über haupt, was wünſcht ſie.“
„Dle wollte nicht ihren Namen nennen, aber ſie bat
ſo dringend um ein ige Minuten Gehör, daß ich ſie nicht
habe zurückweiſen lönnen.“
Die alte Dame ſteht auf und geht raſch durch die
vitlen Zimmer. ö
Dort an der Thür des Vorziwmers wartet ein altes
Weib. Sie hat ein dünnes, buntes Kattunkle d an und
Kopf urd Seultern ig ein dunkles Tuch gehüllt. Auch
ihr Haer iſt grau, aber es ſind nur loſe und dürftige,
wirre Strähne, die dort unter dim dunkeln Tuch her-
vor über die einpefallenen Schläfe und die hektiſch ge-
rötheten Wanzen fallen.
Ob ditſes Antlitz einſt liebreizerd geweſen? Ob Reue,
ob Sorgen dieſe Furchen gezogen? Wer kann ſie leſeo,
dieſe Hieroglyphen, die das Elend mit eiſernem Griffel
in die Züge der Aruth gräbt?
„Womit kann ich Ihnen dienen ?“ erkundigt ſich
freunblich die alte Dame mit den filberglänzenden Löck-
chen an der noch ungsfurchten Stirne.
„Sie kenven uiich wohl richt?“ entgenet haſt'g das
Weib. „Wie ſollten Sie mich auch kennen, Cie haben
mich ja rie geſehen. Ich kin die Mutter Ihrer —
Tochter. Ich habe bs jtzt mein Virſprechen gehalten
und mein Kind nicht miederzeſehen. Yber nun erfahre
ich durch tinen Zufall, daß heute die Hochzeit meines!
Kindes iſt. Ich will ſie nur noch inmal ſehen, nur
tin einziges Mal ſprechen — ich komme gewiß nicht
wirder.“
Sie hatte mit fliegender Haſt geſprochen, als fürchte
ſie, unterbrochen zu werden, und nun huſtete ſie leiſe.
Die alte Darge iſt bei den Worten ver Bittſtellerin
ſchen zuſammengefahren. Nun aber trilt ſie theilnehmend
näher. Sie reicht der Frau, der Mutter ihrer Wera —
die Hard und littet ſi⸗, ſich zu ſetzen. ö
(Schluß folgt).
Vermiſchtes.
(Zum Duell Auersperg⸗Kolowrat.) Ueber
dieles Duell, das noch
meiner und lebhafteſter Erörterungen bildet, ertnehmen
wir dim „Salonblatt“ noch folgende auf den unmütel-
baren Hergang des tragiſchen Zweikampfes bezügliche
und nicht unintereſſante Oetails: Das Duell wurde
auf präcis 12 Uhr angeſetzt. Und als die Herren Auf-
ſtellung ger ommen hatten, ſtellte Graf Wurmbrandt die
uſuelle Anfrage wegen (twaiger Verſöhnung, Graf Wald-
mit dem Ausrufe;
ſtehenden
ſtein erwiderte jdoch: Nach dem Schimpf, der Fürſt
Auersperg angethan, ſei eine Verſöhnung unmöͤglich,
und es wurde nun vereinbart, auf fünfzehn Schritt Di-
ſtanz und auf ſitzende Kugeln zu ſchießen. Beim erſten
Treffen batte Fürſt Arersperg die Wahl der Waſſen.
Auf das Commando Drei wurde gefenert. Die Piſtole
des Fürſten Auersperg verſagte; die Piſtole des Für-
ſten wurde nun ausgſchoſſen; die Secundanten luden
die Waffen friſch und man ſoritt zum zweiten Tr.ffen.
Diesmal hatte Graf Kolowrat die Wahl der Waff v.
Auf das Kommando Drei wurde abermals gefeuert,
aber „un war es die Piſtole des Grafen Kolewrat, die
verſaste und die Kugel des Fürſten Auerspera ging
knapp über die Schulter des Grafen in einen Baum.
Rittsgeiſter Graf Wurmbrandt ftellte nun die Frage,
was zu geſchehen habe, wenn die Piſtolen das nächſte
Mal wieder verſagen wür den; nach einer andern Verſion
ſoll er bemerkt haben: „Wir werden doch nicht bis in
Nacht hinein ſo fortſchießen?“ Graf Waldſtein erwiderte:
„Pardon!“ Die Piſtole des Graſen Rolowrat wurde
wieder ausgeſchoſſen, beide Piſtolen friſch geladen, die
Gegner zielten nun ſehr ſcarf und auf das Rowr-
manto Drei wurde zum dritten Male gefeuert. Im
ſelben Momerte wankte Fürſt Auersperg, Graf Wurm-
brandt ſprang raſch auf den Sinkenden zu und drückte
die Kugel, die durch den Unter leib gegangen war, heraus
„Bylandt, raſch die Doctoren!“
Graf Kolowrat eilte ſelbſt nach dem Arzte, und wäh-
rend der Verwundete in ein nahe gelegenes Luſſchlöß-
chen, welches fich im Parke befindet, gebracht wurde,
holten Bylandt und Graf Kolowrat ein großes Lavoir
mit Waſſer für den Verwondeten. Die Docloren er-
klärten die Verwundung für nicht gefährlich. Nach er-
folgtem Duelle verſicherten die Herren Secundanten
gegenſeitig, daß mit der größten Correctheit
vorgegangen worden ſei, und verſicherten ſich gegenſe tig
der größten Hochachtung und erklärten die ganze Ange-
legenheit für gänzlich ausgeglichen. Als intereſſantes
Moment muß hervorgehoben werden, daß Jeder der
beiden Duellanten einen Revers dei ſich trug, welcher
ungefähr folgender maßen lautete: „Ich Endesgefert gter
erkläre hiermit mit meiner eigenhändigen Unterſchriſt,
daß ich heute Mittags wegen Lebensüberdruß meinem
Leben durch einen Piſtolenichuß ein Ende machte.“ Wir
haben nur noch über den Grafen Kolowrat hinzuſügen,
daß deſſen Vater, der verſtorbene FML. Graf Kolowrat,
Yntemals infam kaſſirt wurde, ſondern im Gegenttzeil von
Kaiſer mehrfache Auszeichnungen erfahr und daß ſeine
Mutter voa einem ruſſiſchen Adel entſtammte.
immer den Gegenſtand allge-
(Küßt unſere Kleinen nichtl) Unter der vor-
Ueberſchrift bringt der „Düſſ. Anz“ von einem
„Arzte“ die rachfolgende Mahnung, die weitere Ver-
breitung verdient: Eine ſchauderhafte Unfitte iſt es, nie
Kinder zu küſſen. Wir brauchen abſichtlich den Ausdruck
„ſchauderhaft“, weil wir uns zart ausdrücken wollen
und die Bezeichnung „mörderiſch“ uns ſchon auf der