166
mit ſo gewaltſcmem Drrcke ertriff, daß ihre zarten,
kleinen Finger ſie ſchmerzten. Als dann bei des Pſarrers
eindringlich geſprechenen, feierlichen Worten: Was Gott
zuſammengefügt, das ſoll der Menſch nicht trennen, die
eken nech brennend heiße Hand urploͤtzlich eiskalt in
der ihren wurde, erſchrack ſie zum zweiten Male.
Nach der Trauung wollte Robert ſeine junge Frau
zurück in das wenige Schritte entfernte alte Pfarrhaus
führen, wo ſie ihren Brautſtaat mit einem einfachen
Reiſekleid vertauſchen ſolte. Das Ziel ihrer Reiſe war
ein nur wenige Meilen entferntes freundliches Städtchen,
und der Reiſewagen ſtard beneits fertig gepackt vor der
Thür, als ſie die Kirche verlißen. Elsbeth fand es da-
hex auch begreiflich, daß ihr Gatte ſo ſchnell wie mög-
lich ſie aus der an der Kirchthür ſie umdrängenden,
glückwünſchenden Menge fortzotz, indem er zur hochſten
Eile antrieb, da ſie ſonſt leicht in den drohenden Schnee-
ſturm gerathen könnten.
Als ſie nach haſtiger Beendigung ihrer Toilette wie-
der in's Zimmer trat, fand ſie Robert am Tiſch fitzend,
das Geſicht herabgebeugt auf beide Arme. Es war ganz
die Stellung eines geiſtig oder körperlich ſchwer Leiden-
den; ſie eilte daher erſchrocken auf ihn zu und fragte
ihn zärtlich beſorgt, ob er krank ſei. ö
„Krank? O nein“; dabei ſah er aber ſo verſtört
aus, daß ſie entſchieden ſagte:
„„Du biſt krank, ich weiß es gewiß. Ich will wiſſen,
was Dir fehlt, Robert?“
„Nichts, gar nichts!“ ſagte er lachend. „Ich war
in Gedanken vertieft. Das iſt Alles. Biſt Du bereit?“
Inm nächſten Augenblick lag Eſtebrügge hinter ihnen
und als ſie auf der einſamen Chauſſee dahinfuhren,
ſchloß er ſie feſt in die Arme und rief leidenſchaftlich:
„Endlich, endlich mein! Nun kann keine Macht im
Himmel und auf Erden uns mehr trennen!“
Während der Nacht fiel der Schnee in dichten Maſ-
ſen vom Himmel. Als Froau Dörnburg am nächſten
Morgen den Fenſtervorhang öffuete, fiel ihr Blick auf
eine unabſehbare Schneifläche, ſo weiß wie der Braut-
ſchleier, den ſie am vorigen Tage getragen.
Das Schneewetter hielt die ganze folgende Woche
an und machte die Straßen faſt unwegſam, als Doctor
Dörnburg ſeine junge Frau der neuen Heimath zuführte.
Die Nacht war bereits hereingebrochen, als ſie vor dem
Thor des Kloſterhofes anlangten. Sofort erſchien die
alte Trina mit freudeſtrahlendem Geſicht auf der Schwelle.
Der feſtlich erleuchtete kleine Vorplatz machte nach der
unbehaglich kalten einen ſehr freundlichen Eindruck, und
noch einledender ſah das helle, angenehm durchwärmte
Wohnzimmer aus, deſſen weitgeöffnete Thür einen ſolchen
Luxus an hellen Tapeten, weichen Teppichen, bequemen
Seſſeln, zierlichen Tiſchen und geſchmackvollen Zierrathen
aller Art erblicken ließ, wie er wohl ſelten in der Woh-
nung eines Landarztes zu finden war.
Am nächſter Morgen war die ganze Gegend in
dichten Nebel gehüllt. Es war ſo feucht und unbehag-
lich draußen, daß Dörnburg, bevor er zu Pferde ſtieg,
um ſetme A m machen, filngh
ö Hiatr Frau drin-
gend anempfahl, den Fuß nicht vor die Thür zu ſetzen.
Sie verſprach ihm dies auch bereitwilliz, wenn nicht
im Laufe des Tages das Wetter ſich vollſtändig ändern
würde. Den Vormittag über war ſie voͤllauf be-
ſchäftigt, denn die alte Trina ließ ſie nicht eher los,
als bis ſie ihr das gonze Haus mit allen darin befind-
lichen Schränken, Kaſten und Schubladen gezeigt hatte,
und bis ſie mit jedem einzelnen Stüt des ganzen In-
ventars vertraut war.
Da ſie die Speiſeſtunde wegen Doͤrnburgs weitläu-
figer Proxis erſt auf 5 Uhr feſtgeſetzt hatten, ſo fand
ſie roch Zeit, vor ſeiner Rückkehr ſich in ihrem Zimmer
vollſtändig wohnlich einzurichten und ihre Koffer auszu-
packen. Als ſie hierauf in's Wohnzimmer eintrat, um
nachzuſehen, ob auch Alles recht behaglich für Robert's
Empfang bereit ſei, fiel es ihr ſtoͤrend auf, daß die
Blumenvaſen ſo ganz leer daſtanden. Da in dieſem
Augenblick die Sonne gerade hell berein ſchien, ſo nahm
ſie raſch Mantel und Hut und eilte hinaus, um ein
paar Stechpalmenzweige zu pflücken, die ſie in großer
Menge am Rande des Kloſterteichs ſtehen ſah.
Mit vor ſichtigen Schritten ging ſie den ſchlüpfrigen
Gartenweg entlang, bis zu dem hochliegenden Ufer des
Teichs, deſſen Spiegel halb gefroren war. Als ſie einen
der Büſche zu ſich niederzog, wurde ſie von einem Sprüh-
regen geſchmolzenen Schnees überſchüttet. Sie beupte
ſich herab, um die Tropfen von Mantel und Kleid zu
ſchütteln. Da ſah ſie im feuchten Graſe zu ihren Füßen
elwas Glänzendes liegen. Sie bückte ſich, um es auf-
zuheben und ſah zu ihrer Verwunderung, daß es ein
Ring von ganz eigenthümlicher Arbeit mit einem Rubin
in der Mitte war. Der Anblick ergriff ſie mächtig.
Ganz eben ſolchen Riag hatte ſie einſt von ihrer Mutter
geerbt und ihn am Abend des letzten, traurigen Lebe-
wohls ihrem verſtorbenen Gatten an den Finger geſteckt.
Das Zuſammentreffen war zu ſeltſam, und mit aber-
gläubiſchem Schauer überzeugte ſie ſich von der wunder-
baren Aehnlichkeit, Form und Größe des Steins, die
antike Art der Faſſung, ja ſelbſt ein kleiner Flecken im
Rubin ſtimmten auf's Genaueſte überein. Es ſchien ihr
faft unglaublich, daß dies nicht ihr eigener Rirg ſein
ſollte, den ſie ja längſt an der Hand des todten Gatten
auf dem Meeresgrund begraben wußte.
Tief erſchüttert kehrte ſie in's Haus zurück, und als
ſie ſich hier bei raſch einbrechender Dämmerung in ihrem
Schlafzimmer allein ſah, überkam ſie ein ſolches Ent-
ſetzen, eine ſo namenloſe Angſt, daß ſte Hut und Mantel
auf das Bett warf und außer ſich die Treppe hinab in
das eben erleuchtete Wohnzimmer ſtürzte, wo ihr heim-
kehrender Ga:te ſie in ſeir en Armen auffing.
Er ſah auf den erſten Blick, vaß etwas Beſonderes
vorgefallen ſein mußte und mit ſchneidendem Ton, wie
aus ar gſtbeklemmter Bruſt, fragte er: ö
„Was baſt Du? Was iſt vorgefallen?“
Sie erzählte ihm ihr Erlebniß und ſchloß mit der
naturlichen Frage:
mit ſo gewaltſcmem Drrcke ertriff, daß ihre zarten,
kleinen Finger ſie ſchmerzten. Als dann bei des Pſarrers
eindringlich geſprechenen, feierlichen Worten: Was Gott
zuſammengefügt, das ſoll der Menſch nicht trennen, die
eken nech brennend heiße Hand urploͤtzlich eiskalt in
der ihren wurde, erſchrack ſie zum zweiten Male.
Nach der Trauung wollte Robert ſeine junge Frau
zurück in das wenige Schritte entfernte alte Pfarrhaus
führen, wo ſie ihren Brautſtaat mit einem einfachen
Reiſekleid vertauſchen ſolte. Das Ziel ihrer Reiſe war
ein nur wenige Meilen entferntes freundliches Städtchen,
und der Reiſewagen ſtard beneits fertig gepackt vor der
Thür, als ſie die Kirche verlißen. Elsbeth fand es da-
hex auch begreiflich, daß ihr Gatte ſo ſchnell wie mög-
lich ſie aus der an der Kirchthür ſie umdrängenden,
glückwünſchenden Menge fortzotz, indem er zur hochſten
Eile antrieb, da ſie ſonſt leicht in den drohenden Schnee-
ſturm gerathen könnten.
Als ſie nach haſtiger Beendigung ihrer Toilette wie-
der in's Zimmer trat, fand ſie Robert am Tiſch fitzend,
das Geſicht herabgebeugt auf beide Arme. Es war ganz
die Stellung eines geiſtig oder körperlich ſchwer Leiden-
den; ſie eilte daher erſchrocken auf ihn zu und fragte
ihn zärtlich beſorgt, ob er krank ſei. ö
„Krank? O nein“; dabei ſah er aber ſo verſtört
aus, daß ſie entſchieden ſagte:
„„Du biſt krank, ich weiß es gewiß. Ich will wiſſen,
was Dir fehlt, Robert?“
„Nichts, gar nichts!“ ſagte er lachend. „Ich war
in Gedanken vertieft. Das iſt Alles. Biſt Du bereit?“
Inm nächſten Augenblick lag Eſtebrügge hinter ihnen
und als ſie auf der einſamen Chauſſee dahinfuhren,
ſchloß er ſie feſt in die Arme und rief leidenſchaftlich:
„Endlich, endlich mein! Nun kann keine Macht im
Himmel und auf Erden uns mehr trennen!“
Während der Nacht fiel der Schnee in dichten Maſ-
ſen vom Himmel. Als Froau Dörnburg am nächſten
Morgen den Fenſtervorhang öffuete, fiel ihr Blick auf
eine unabſehbare Schneifläche, ſo weiß wie der Braut-
ſchleier, den ſie am vorigen Tage getragen.
Das Schneewetter hielt die ganze folgende Woche
an und machte die Straßen faſt unwegſam, als Doctor
Dörnburg ſeine junge Frau der neuen Heimath zuführte.
Die Nacht war bereits hereingebrochen, als ſie vor dem
Thor des Kloſterhofes anlangten. Sofort erſchien die
alte Trina mit freudeſtrahlendem Geſicht auf der Schwelle.
Der feſtlich erleuchtete kleine Vorplatz machte nach der
unbehaglich kalten einen ſehr freundlichen Eindruck, und
noch einledender ſah das helle, angenehm durchwärmte
Wohnzimmer aus, deſſen weitgeöffnete Thür einen ſolchen
Luxus an hellen Tapeten, weichen Teppichen, bequemen
Seſſeln, zierlichen Tiſchen und geſchmackvollen Zierrathen
aller Art erblicken ließ, wie er wohl ſelten in der Woh-
nung eines Landarztes zu finden war.
Am nächſter Morgen war die ganze Gegend in
dichten Nebel gehüllt. Es war ſo feucht und unbehag-
lich draußen, daß Dörnburg, bevor er zu Pferde ſtieg,
um ſetme A m machen, filngh
ö Hiatr Frau drin-
gend anempfahl, den Fuß nicht vor die Thür zu ſetzen.
Sie verſprach ihm dies auch bereitwilliz, wenn nicht
im Laufe des Tages das Wetter ſich vollſtändig ändern
würde. Den Vormittag über war ſie voͤllauf be-
ſchäftigt, denn die alte Trina ließ ſie nicht eher los,
als bis ſie ihr das gonze Haus mit allen darin befind-
lichen Schränken, Kaſten und Schubladen gezeigt hatte,
und bis ſie mit jedem einzelnen Stüt des ganzen In-
ventars vertraut war.
Da ſie die Speiſeſtunde wegen Doͤrnburgs weitläu-
figer Proxis erſt auf 5 Uhr feſtgeſetzt hatten, ſo fand
ſie roch Zeit, vor ſeiner Rückkehr ſich in ihrem Zimmer
vollſtändig wohnlich einzurichten und ihre Koffer auszu-
packen. Als ſie hierauf in's Wohnzimmer eintrat, um
nachzuſehen, ob auch Alles recht behaglich für Robert's
Empfang bereit ſei, fiel es ihr ſtoͤrend auf, daß die
Blumenvaſen ſo ganz leer daſtanden. Da in dieſem
Augenblick die Sonne gerade hell berein ſchien, ſo nahm
ſie raſch Mantel und Hut und eilte hinaus, um ein
paar Stechpalmenzweige zu pflücken, die ſie in großer
Menge am Rande des Kloſterteichs ſtehen ſah.
Mit vor ſichtigen Schritten ging ſie den ſchlüpfrigen
Gartenweg entlang, bis zu dem hochliegenden Ufer des
Teichs, deſſen Spiegel halb gefroren war. Als ſie einen
der Büſche zu ſich niederzog, wurde ſie von einem Sprüh-
regen geſchmolzenen Schnees überſchüttet. Sie beupte
ſich herab, um die Tropfen von Mantel und Kleid zu
ſchütteln. Da ſah ſie im feuchten Graſe zu ihren Füßen
elwas Glänzendes liegen. Sie bückte ſich, um es auf-
zuheben und ſah zu ihrer Verwunderung, daß es ein
Ring von ganz eigenthümlicher Arbeit mit einem Rubin
in der Mitte war. Der Anblick ergriff ſie mächtig.
Ganz eben ſolchen Riag hatte ſie einſt von ihrer Mutter
geerbt und ihn am Abend des letzten, traurigen Lebe-
wohls ihrem verſtorbenen Gatten an den Finger geſteckt.
Das Zuſammentreffen war zu ſeltſam, und mit aber-
gläubiſchem Schauer überzeugte ſie ſich von der wunder-
baren Aehnlichkeit, Form und Größe des Steins, die
antike Art der Faſſung, ja ſelbſt ein kleiner Flecken im
Rubin ſtimmten auf's Genaueſte überein. Es ſchien ihr
faft unglaublich, daß dies nicht ihr eigener Rirg ſein
ſollte, den ſie ja längſt an der Hand des todten Gatten
auf dem Meeresgrund begraben wußte.
Tief erſchüttert kehrte ſie in's Haus zurück, und als
ſie ſich hier bei raſch einbrechender Dämmerung in ihrem
Schlafzimmer allein ſah, überkam ſie ein ſolches Ent-
ſetzen, eine ſo namenloſe Angſt, daß ſte Hut und Mantel
auf das Bett warf und außer ſich die Treppe hinab in
das eben erleuchtete Wohnzimmer ſtürzte, wo ihr heim-
kehrender Ga:te ſie in ſeir en Armen auffing.
Er ſah auf den erſten Blick, vaß etwas Beſonderes
vorgefallen ſein mußte und mit ſchneidendem Ton, wie
aus ar gſtbeklemmter Bruſt, fragte er: ö
„Was baſt Du? Was iſt vorgefallen?“
Sie erzählte ihm ihr Erlebniß und ſchloß mit der
naturlichen Frage: