191
Lorem, der Regimentspudel oder Theaterdiener ſtand
in einem dünnen, fadenſch⸗inigen Röckchen dem Komiker
gegenüber, klapperte mit den Zähnen, und dachte, daß er
ſich mit Vergnügen die Haut abziehen loſſen wollte,
wenn man ihm dafür einen warmen Winterrock anziehen
würde. ö
Der Komiker ſah den Pudel, der Pudel den Komi-
ker an, und Einer ſo kläglich als der Andere; — denn
beide waren, ſo zu ſagen, auf den Pudel d. h. auf den
Hund gerommen. · BDq
öffne e ſich die Thür des Directionszimmers, —
ein kleines Mänuchen ſteckte den Kopf heraus, und ſprach,
indem er freundlich mit dem Kopfe nickte: „Ah! Musje
Aſenut, komme Sie errein — und Du kommen auch,
Lorenzꝰ ö
Das kleine, freundliche Mönnchen war Duport, der
ſo oft verkannte und mit Unrecht geſchmähte Bühnen-
leiter, der ſich durch weiſe Oeconomie und umſichtige
Geſchäftskenntniß bereits eine runde volle Million er-
worben hatte, obwohl er mit der Armſeligleit eines La-
zarus ſtets um einen Groſchen zu betteln ſchier.
„Was bringen Sie mir, mein lieber Aſenut?“ wie-
derholte er freundlich, als iym Komiker und Theater-
diener im Directioaszimmer gegenüberſtanden.
„Ach — ich bringe Nichts — im Gegentheil, ich
möchte was holen!“ jammerte Haſenhut, „Vorſchuß,
Vorſchuß, mein verehrteſter Herr Director! Um Gottes-
willen, Vorſchuß!“ ö
„Vorſchuß? Ei, ei, ſchon wieder? Wo ſollen ich
arme Mann ſo viel Vorſchuſſen err ehmen?“ ö
Der Winter iſt grob, — ich brauche Hol;, Wäſche,
Kleider, Stiefel, Schuhe für mich, Frau und Kinder, —
Zins für meine Wohnung dazu, — o Hilfe Rettung,
großmüthigſter Gönner, edler Freund in der Noth!“
„Wie viel brauchen Sie Vorſchuß, lieber Aſenut?“
„Vierhundert Gulden, Herre Director! Ich habe es
bei Keüzer und Heller ausgerechuet, da bleibt mir nicht
ein Gulten in der Taſche!“ ö
VVierhundert Gulden ſein ſehr viel Geld, aber ich
werde mir die Sache überlegen. Kommen Sie eute nach
der Mittag wieder zu mir und bringen Sie die Berech-
nung mit, mein lieber Aſenut.“
Der Komiker ſprang glücklich wie ein König zum
Zimmer hinaus. ö
„Du gehe zu Errn Wild, Lorenz,“ ſprach hierauf zu
„Er iſt unpäßlich, ich laſſe von
dieſem der Director.
Erzen bedauern und fra zen, ob er er morgen den Ma-
ſaniello ſingen kann? Laufen ſchrell, denu ich müſſen
aben gleich die Antwort.“
Der Tenoriſt Wild ſtand damals anf dim Gipfel
ſeines Ruhmes, den Dyport ganz vorteefflich auszubeuten
verſtand. Der gefeierte Sänger war zwar feſt engazirt,
ungeachtet deſſen wurde er fortwährend als Gaſt ange-
kündigt, und ſein Name erſchien täglich in großen Lettern
auf dem Theaterzettel. 2
Wild's Freunde ſprachen ſich oft mißbilligend gegen
dieſen artiſtiſchen Krämergeiſt aus, und der Sänger ſelbſt
wollte dieſen Unfug abgeſchafft wiſſen, — aber Duport
hatte ſtets taube Ohren für ſein Geſuch.
Nebenbei ſei hier bewerkt, daß Wild bereits einen
ſehr gefährlichen Rivalen gefunden hatte, — den Tenor
Binder nömlich, der nicht ohne Glück gegen ſeinen be-
rühmten Collegen in die Schranken trat. ——
„Der Herr Director laſſen ſich g horſamſt empfehlen
und fragrn, eb Herr Wild den Maſaniello morgen fin-
gen könnten?“ fragte der Theaterdiener zähneklappernd.
„Der Herr Dirtclor kann ſicher auf mich rechnen“,
entgegnete Wild. „Ich werde morgen den Maſaniello
ingen. Aber zum Teufel, Du klapperſt ja mit den Zäh-
üis eb Du das Fieber hätteſt. Was feblt Dir
„Ein Winterrock fehlt mir, denn
dommerröckchen bin ich faſt zum
in meirem leichten
Eisklumpen erſtarr.. ö
„Ein Winterock fehlt Dir? Da könnte Dir gehol-
fen werden. Siehe, dort am Nagel hängt ein prächti-
ger Winterrock, den ſolſt Du haben, wenn morgen mein
Name nicht in großen Lettern auf dem Theaterzettel er-
ſcheint. Wenn Du durch irgend ein Kunſtſtückchen das
erreichen kannſt, gehört der Winterrock Dir.“
Lorenz kratzte ſich zwar hinter den Ohren, als er
vor Duport erſchien, — er hatte aber dem oh die Cou-
rage, denſelben von dem ſonderbaren Handelsvertrage
in Kenntniß zu ſetzen.
„So? Err Wild aben Dir einen Winterrock ver-
ſprochen, wenn ſein Name morgen nicht in großen Buch-
ſtaben auf der Theaterzettel ſtehen? Sage Errn Wild,
er werde nicht ſtehen, und olen Dir den Winterrock ab.“
Eine balbe Stunde ſpäter ſtolzirte der Theaterpudel
in einem famoſen Winterrock einher.
Der Theaterdicener war glöcklich abgefertigt, — wie
aber der Komiker und der Tenor? ö
Nachwittogs führte Duport den Komiker auf den
Trödil⸗ oder Tandels arkt, verſorgte ihn und ſeine ganze
Familie mit Röcken, Wäſche und Schuhwerk, ſchickte ihm
zwei Klafter Holz in's Haus, zahlte ſeinen Zins und
alle kleineren Schulden. Dann gab er ihm noch ſrchs-
zig Gulden baar. ö ö
„Sehen Sie, mein lieber Aſenut, ich aben Alles ge-
kauft und gezahlt, genau nach Ihrer Berechnung, — Sie
haben noch ſechszia Gulden in der And und ſind mir
nur zweihundert Gulden ſchuldig. Ich aben alſo baare
zweiundert Gulden für Sie erſpart. Das machen Alles
der Tandelmarkt und meine Sparſamkeit.“
Am ar dern Tage erſchien noch in viel größeꝛen ellen-
langen Letiern nicht Wild — ſondern Birder als Ma-
ſauizllo apf dem Theaterzertl aͤngekündigt.
Jetzt kratzte ſich Wild hinter den Ohren — er hatte
mit ſinem ſchören Winterrocke ein verteufelt ſchlechtes
Ceſchäft gemecht. ‚
Lorem, der Regimentspudel oder Theaterdiener ſtand
in einem dünnen, fadenſch⸗inigen Röckchen dem Komiker
gegenüber, klapperte mit den Zähnen, und dachte, daß er
ſich mit Vergnügen die Haut abziehen loſſen wollte,
wenn man ihm dafür einen warmen Winterrock anziehen
würde. ö
Der Komiker ſah den Pudel, der Pudel den Komi-
ker an, und Einer ſo kläglich als der Andere; — denn
beide waren, ſo zu ſagen, auf den Pudel d. h. auf den
Hund gerommen. · BDq
öffne e ſich die Thür des Directionszimmers, —
ein kleines Mänuchen ſteckte den Kopf heraus, und ſprach,
indem er freundlich mit dem Kopfe nickte: „Ah! Musje
Aſenut, komme Sie errein — und Du kommen auch,
Lorenzꝰ ö
Das kleine, freundliche Mönnchen war Duport, der
ſo oft verkannte und mit Unrecht geſchmähte Bühnen-
leiter, der ſich durch weiſe Oeconomie und umſichtige
Geſchäftskenntniß bereits eine runde volle Million er-
worben hatte, obwohl er mit der Armſeligleit eines La-
zarus ſtets um einen Groſchen zu betteln ſchier.
„Was bringen Sie mir, mein lieber Aſenut?“ wie-
derholte er freundlich, als iym Komiker und Theater-
diener im Directioaszimmer gegenüberſtanden.
„Ach — ich bringe Nichts — im Gegentheil, ich
möchte was holen!“ jammerte Haſenhut, „Vorſchuß,
Vorſchuß, mein verehrteſter Herr Director! Um Gottes-
willen, Vorſchuß!“ ö
„Vorſchuß? Ei, ei, ſchon wieder? Wo ſollen ich
arme Mann ſo viel Vorſchuſſen err ehmen?“ ö
Der Winter iſt grob, — ich brauche Hol;, Wäſche,
Kleider, Stiefel, Schuhe für mich, Frau und Kinder, —
Zins für meine Wohnung dazu, — o Hilfe Rettung,
großmüthigſter Gönner, edler Freund in der Noth!“
„Wie viel brauchen Sie Vorſchuß, lieber Aſenut?“
„Vierhundert Gulden, Herre Director! Ich habe es
bei Keüzer und Heller ausgerechuet, da bleibt mir nicht
ein Gulten in der Taſche!“ ö
VVierhundert Gulden ſein ſehr viel Geld, aber ich
werde mir die Sache überlegen. Kommen Sie eute nach
der Mittag wieder zu mir und bringen Sie die Berech-
nung mit, mein lieber Aſenut.“
Der Komiker ſprang glücklich wie ein König zum
Zimmer hinaus. ö
„Du gehe zu Errn Wild, Lorenz,“ ſprach hierauf zu
„Er iſt unpäßlich, ich laſſe von
dieſem der Director.
Erzen bedauern und fra zen, ob er er morgen den Ma-
ſaniello ſingen kann? Laufen ſchrell, denu ich müſſen
aben gleich die Antwort.“
Der Tenoriſt Wild ſtand damals anf dim Gipfel
ſeines Ruhmes, den Dyport ganz vorteefflich auszubeuten
verſtand. Der gefeierte Sänger war zwar feſt engazirt,
ungeachtet deſſen wurde er fortwährend als Gaſt ange-
kündigt, und ſein Name erſchien täglich in großen Lettern
auf dem Theaterzettel. 2
Wild's Freunde ſprachen ſich oft mißbilligend gegen
dieſen artiſtiſchen Krämergeiſt aus, und der Sänger ſelbſt
wollte dieſen Unfug abgeſchafft wiſſen, — aber Duport
hatte ſtets taube Ohren für ſein Geſuch.
Nebenbei ſei hier bewerkt, daß Wild bereits einen
ſehr gefährlichen Rivalen gefunden hatte, — den Tenor
Binder nömlich, der nicht ohne Glück gegen ſeinen be-
rühmten Collegen in die Schranken trat. ——
„Der Herr Director laſſen ſich g horſamſt empfehlen
und fragrn, eb Herr Wild den Maſaniello morgen fin-
gen könnten?“ fragte der Theaterdiener zähneklappernd.
„Der Herr Dirtclor kann ſicher auf mich rechnen“,
entgegnete Wild. „Ich werde morgen den Maſaniello
ingen. Aber zum Teufel, Du klapperſt ja mit den Zäh-
üis eb Du das Fieber hätteſt. Was feblt Dir
„Ein Winterrock fehlt mir, denn
dommerröckchen bin ich faſt zum
in meirem leichten
Eisklumpen erſtarr.. ö
„Ein Winterock fehlt Dir? Da könnte Dir gehol-
fen werden. Siehe, dort am Nagel hängt ein prächti-
ger Winterrock, den ſolſt Du haben, wenn morgen mein
Name nicht in großen Lettern auf dem Theaterzettel er-
ſcheint. Wenn Du durch irgend ein Kunſtſtückchen das
erreichen kannſt, gehört der Winterrock Dir.“
Lorenz kratzte ſich zwar hinter den Ohren, als er
vor Duport erſchien, — er hatte aber dem oh die Cou-
rage, denſelben von dem ſonderbaren Handelsvertrage
in Kenntniß zu ſetzen.
„So? Err Wild aben Dir einen Winterrock ver-
ſprochen, wenn ſein Name morgen nicht in großen Buch-
ſtaben auf der Theaterzettel ſtehen? Sage Errn Wild,
er werde nicht ſtehen, und olen Dir den Winterrock ab.“
Eine balbe Stunde ſpäter ſtolzirte der Theaterpudel
in einem famoſen Winterrock einher.
Der Theaterdicener war glöcklich abgefertigt, — wie
aber der Komiker und der Tenor? ö
Nachwittogs führte Duport den Komiker auf den
Trödil⸗ oder Tandels arkt, verſorgte ihn und ſeine ganze
Familie mit Röcken, Wäſche und Schuhwerk, ſchickte ihm
zwei Klafter Holz in's Haus, zahlte ſeinen Zins und
alle kleineren Schulden. Dann gab er ihm noch ſrchs-
zig Gulden baar. ö ö
„Sehen Sie, mein lieber Aſenut, ich aben Alles ge-
kauft und gezahlt, genau nach Ihrer Berechnung, — Sie
haben noch ſechszia Gulden in der And und ſind mir
nur zweihundert Gulden ſchuldig. Ich aben alſo baare
zweiundert Gulden für Sie erſpart. Das machen Alles
der Tandelmarkt und meine Sparſamkeit.“
Am ar dern Tage erſchien noch in viel größeꝛen ellen-
langen Letiern nicht Wild — ſondern Birder als Ma-
ſauizllo apf dem Theaterzertl aͤngekündigt.
Jetzt kratzte ſich Wild hinter den Ohren — er hatte
mit ſinem ſchören Winterrocke ein verteufelt ſchlechtes
Ceſchäft gemecht. ‚