Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Volksblatt (9) — 1876

DOI Kapitel:
Nr. 52 - Nr. 60 (1. Juli - 29. Juli)
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.44635#0239

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Volkisblatt.

Nr. 60.

Samſtag, den 29. Juli 1876.

9. Jahrg. ö

teſcheint Mittsoch und Samſtag. Preis monatlich 36 Pf Einzelne Nummer à 6 Pf. Man abonnirt beim Verleger, Schiffgaſſe 4
und bei den Trägern. Auswärts bei den Landboten und Poſtanſtalten.

Die Präſibeutin.
Kriminalgeſchichte von J. D. H. Temme.
Cortſetzung.)

Sie fühlte ſich nicht dadurch gekränkt.
Nein, mein lieber junger Freund erwiderte ſie mit dem
herzlichſten Tone ihrer Stimme. Ein Tanz mit mir würde
Ihnen kein Erſatz, vielmehr keine Genugthuung ſein, und
dieſe ſchulde ich Ihnen ſo ſehr. ö
Sie mir, gnädige Frau?ꝰ? ö
Es war zweifelhaft, auf welches der beiden erſten
Worte er den Nachdruck hube legen wollen, und doch war
der Unterſchied ein ſo weſentlich erheblicher.
Sie erbebte nicht mehr; ſie war wieder völlig Herrin
ihrer Situation, ihrer Rolle.
Zürnen Sie meiner armen
Glauben Sie mir —
Er mußte ſie doch unterbrechen. ö
Gnädige Frau, Sie legten meinen Worten einen Sinn
unter, den Sie nicht im entfernteſten haben ſollten.
Sie ſah ihn verwundert aa, als wenn ſie ihn frage,
was denn er habe ausſprechen wollen. ö

Komteß Helene, fuhr er fort, iſt ein Engel, nur in

Einem Punkte anders, als wie wir uns die Engel denken.
Sie ſind die Beſchützer der Menſchen, Komteß Helene be-
— 5 Schutzes, eines beſonderen Schutzes, gnädige
au ö
Die Dame biß ſich nicht auf die Lippen, aber im ern-
ſten Nachfinnen hatte ſie eine faſt wehmüthige Klage:
Wie ſehr haben Sie Recht, mein junger Freund. Sie
hat das argloſe Herz! Und ich kann nicht immer an ihrer
Seite ſein. Ich habe ſo manche andere, ſo ſchwere, ſo
bittere Sorge. ö
Sie brach ab. ö
Sie ging ſchweigend an ſeiner Seite weiter.
ſchwieg. Welchen Eindruck haben meine Worte auf ihn
gemacht? dachte ſie wohl. Was will ſie von mir? fragte
er ſich vielleicht. Vielleicht bedurfte es auch der Frage
nicht mehr bei ihm. —
Ein Rittmeiſter der Gardehuſaren, der beßte Reiter
des Regiments und der erſte Tänzer der R.ſider z ſchritt
auf das Paar .
Baron Teüfen tanzt hꝛute nicht, wie es ſcheint?
Nein, ſagte kurz der Baron.

Auch er

Helene nicht, bat ſie.

Gnädigſte Frau, darf ich um die Ehre bitten?
Die Dame hatte wieder ein freuadliches Lächeln.
Mein verehrter Herr Rittmeiſter, wenn die Tochter
anfängt zu tanzen, hört das Tanzen der Mutter auf.
Ich denke, nicht immer, meine Gnädigſte, erwiderte
der Rittmeiſter. Wenn Mutter und Tochter beide die
Zierde des Tanzes ſind, ſo — —
Der Nittmeiſter ſtockte; er konnte ſeinen Nachſatz nicht
finden. Er war wohl ein beſſerer Reiter und Tänzer,
als Denker, auch wenn es ſich nur um eine Schmeichelei
handelte. — ö
So hat der Tanz eine doppelte Zierde! ergänzle die
Dam:? ſeinen Satz. Und, fuhe ſie verbindlich fort, damit
unſer Tanz in Frage keine doppelte Zierde entbehre, ſehen
Sie das Fräulein von Holſtein dort: Sie tritt ſoeben ein.
Sie iſt die eleganteſte Tänzerin, gie der Rittmeiſter von
Bruch der eleganteſte Tänzer!
—Auf Ehre, gnädigſte Frau, ſagte vergnügt der Ritt-
meiſter von Bruch, Sie verſtehen einen Lorb zu verſüßen.
Er begab ſich zu dem eleganten Fräulein von Holſtein.
Mit einem verſüßten Korbe! mußte doch die Dame
hinter ihm herlächeln. ö ö
Mit einer faſt mütterlichen Herzlichkeit wandte ſie ſich
wieder zu ihrem jungen Begleiter. ö
Und welche Tänzerin ſuche ich nun für Sie aus, mein
lieber Baron? ö ö
Keine, gnädige Frau! ö
Ah, ſo wären Sie mir böſe! Das darf nicht ſein.
Ich hade einen dringende Bitte an Sie, und um ſie er-
füllen zu köanen, müſſen Sie gerade tanzen.
Er ſah ſie doch fragend an.
Helene, antwortete ſie der Fraze, bedarf eines Be-
ſchützers. Sie ſagten es ſelbſt. Werden Sie heute Ihr
Schutzengel. ö ö
Ich? Und gegen welche Gefahr?
Das war zu viel für das Mutterherz.
Sie drücken das Herz der Mutter, ſagte ſie.
Ich wollte es nicht, erwiderte er aufrichtig.
Sie drückte ihm die Hand. — ö
Wotlan! Werfen Sie zu Zeiten Ihre Blicke auf He-
lene. Sie werden Sie ſehen, und beobachtende Blicke ſind
Schutzengel. Die Frau von Bodenbach iſt ohne Tänzer.
Sie iſt eine liebenswürdige Dame und meine Freundin.
Ich führe Sie zu ihr. ö *T
Er widerſtand nicht mehr. Sie füßrte ihn zu der
Freundin.
 
Annotationen