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Heidelberger Volksblatt (9) — 1876

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Nr. 103 - 109 (2. Dezember - 16. Dezember)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44635#0429

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Urtheil, die Freiſprechung des Geliebten, für den fie zit-
terte und betete! ö
Endlich nach langem Harren kehrte
aus dem Berathungszimmer wieder in den Saal zurück.
Es herrſcte eine feierliche Stille, als der Präſident mit
lauter Stimme den Ausipruch des Gerichts verkündigte.
Unter Annahme mildernder Umſtände wurde der Ange-
klagte mit einer Mehrheit von zwei Stimmen der fahr-
läſfizen Tödtung ſchuldig befunden unad zu einer neun-
monatlichen Gefängnißſtrafe verurtheilt, wobei ihm die
—— erlittene Unterſuchungshaft angerechett werden
odte. ö ö
Mit einer faft unnatürlichen Ruhe hörte Robert das
Urtheil an, welches ſein ganz's Leberszluck und alle ſeine
Hoffnungen vernichtete. Er war, wie er wußte, ein ver-
lorener Mann, ärmer und elender als er je vorher ge-
weſen, ſeine Laufbahn zerſtört, ſein Ruf geſchändet, ſrine
Ehre beflest, nur der Tod erſchien ihm noch wünſcheus-
werth. Die unverdiente Strafe konnte ihn nicht mehr
kümmern, das Gefängniß ihn nicht ſchrecken. Er hatte
mit der Welt abgeſchloſſen, das ganze Daſein war ihm
gleichgiltig. ö
Aus dieſer düſtern Reſignstion weckte ihn ein lauter
Schrei, gefolgt von einem dumpfen Fall, wirrem Geräuſch
und einer unruhigen Bewegung auf der Gallerie. Un-
wilkürlich blickte er empor. Eine arme Frau war bei
der Verkündigung des Urtheilsſpruchs in Ohrmacht ge-
ſurken und wurde von mitleidigen Nachbarn fortgeſchafft.
Wie durch einen Schleier erkaunte Robert das bleiche
Giſicht der armen Reſa, welche der rieſtige Krauſe in
ſeinen ſterken Armen hielt und gleich einem bilfloſen Kind
10 den Gedränge hoch emporhob und aus dem Saale
rug.
Gleichzeitig bemerkte er eine elegante Dame, deren
Züge ihm nur zu gut bekannt waren — ſeine Frau in
Begleitung des ihm verhaßten Flunker, im Begriff den
Saal eilend zu verlaſſen. Himmel und Hölle, Liebe und
Rache beſtürmten die Braſt des Gefangenen, als er in
ſeinen Kerker zurückkehrte, um die über ihn verhängte
Strafe zu verbüßen.

13.

Sechs Monate waren wieder vergangen; eine verhält-
nißmäßig kurze Zeit und doch für die Bethelligten von

hochſter Bedeurung, wenn mas bedenkt, daß ein einziger

flüchtiger Augenblick ſchon hinreicht, um einen Menſchen
glücklich oder elend zu machen, um unſere Hoffnung zu
erfüllen oder zu zerſtören, um Freude oder Trauer, Leben
oder Tod dem armen Sterbiichen zu bringen.
Während Robert noch im Gefängniß ſaß und ſich mit
finſteren Gedanken und Racheplänen trug, wachte die arme
Roſa an dem Lager ihres ſchwer kranken Kindes, das
der Arzt faſt aufgegeben hatte. Tag und Nacht wich ſie
nicht von den Lager des Kleinen, der ihr einziger Troſt,
ihre einzige Freude war. Sie darbte, hungert! und ar-
beitete vom Morgen bis zum Abend, um den Doktor und

der Berichtshof

die theure Medizin bezahlen zu rönnen, da ſie zu ſtolz
war, von ihren Freunden eine Unterflützung anzunehmen.
(Fortſetzung folgt.)

Vermiſchtes.

Durch die in allen Kreiſen) jetzt herrſchende
Geſchäftslofigkeit ift es wohl nicht zu verwundern, wenn
ein grocer Theil der Herren Prinzipale die Zahl ihres
Dienſtperſovais auf das Allernöthigſte beſchränkt und ein
groser Theil von Kommis, Laduerinnen ꝛc. beſchäftigungs-
los iſt. Die meiſt trarrige Loge dieſer Leute benützend,
tanchen jeht überall in Deutſchland und der Schweſz ſo-
genannte Stellenvermittlungsbüreaux auf, welche lant ibrer
grobartigen vielverſprechenden Annoncen eine Menge Stel-
len jeder Brauche zu beſetzen haben. Kein Wunder, wenn
in Folge ſolcher Aakündizungen diefe Büreanr eine Menge
Geſuche erharten. Wendet ſich nun ein Geſuchſteller oder
eine Geſuchſtellerin en ein folches Vermittlungsbüreau,
ſo erhalten ſie umgeherd ein lithogrophirtes Schreiben,
worin ihnen gegen ſofortige Einſendrug von 2 bis oſt
20 M. eize ſehr peſſende Stelle off rirt wird. Setzt
nun ſo ein armer Teufel ſeine paar Mark daran, in der
ſicheren Hoffnung, eine paſſende Stelle zu erhaltm, ſo
bekemmt er meiſtens gar krine Antwort, oder er wird
vachwiederholten Anfragen auf beſſere Zeiten vertröſtet;
ſein Geld iſt und bleibt aber verloren. Daß ſolche Ge-
ſchäfte ſehr einträglich ſind, hat erſt kürzlich eine Ge;
richtsverhandlung in Berlin gezeigt, wo ein ſolcher Schwind-
ler mit einer annoncirten Aufſeherſtelle meinem Monat
1400 Thaler verdient hat. Deßhalb ſei es eine Mah-
nung an alle Stellenſechende: „Verlangt ein Vermittler
Vorar sbezahlung (Porto ausgenommer), ſo iſt er groß-
tentheils ein Echwindler, der gar keine Stelle zu verge-
ben hat und nur von dem eingeſendeten Gelde der Be-
ſchwindelten lebt.“

(Gefährdeter Erwerb.) Erſter Bettler: „Derke
Dir, der alte Geheimrath der mich läglich vor ſeiner
Thür' ſitzen ſiebt, will mir mein krankes Bein beilen laſ-
ſen!“ — Zweiter Betiler: „Hoffentlich giebſt Du's ncht
zu und rumirſt Dir das Geſchäft!“ — Erſter Bettler:
„Gott bewabre! Aber ſo ſind nun einmal die reichen
Eier 4 gar richt ein bischen Glück gönnen ſie unſer
nem!“

(Lakoniſch.) Bertha; „Was geföllt Dir wohl an
Deinem Bräutigam am meiſften ?“ — Laura: „Daß er
mich heirathet.“ ö *

(Ein Geburtstagsgeſchenk) Liebes Weibchen
hier bring' ich Dir zu Deinem Geburtstag ein Stück der
feinſten Lrinwand. Deiner geſchickten Hand wird es ge-
lingen, — mir daraus ſochs feine Oberh'mden zu fer-
tigen. (Fl. Bl.)
 
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