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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 10.1894-1895

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Pecht, Friedrich: Julius Adam
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https://doi.org/10.11588/diglit.11055#0070

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Julius Adam.

in dessen Mal- und Komponierschule erhielt. Freilich sank er da rasch von den olympischen Göttern
zu den oberbayrischen Bauern herab, blieb aber doch wenigstens noch im Mittelalter, als er deren Tänze
auf seinem ersten größeren Bilde schilderte. Auch bei einer „Märchenerzählerin", die den Bauern folgte,
ging er erst zu den Kindern über und blieb bei ihnen auch „in den Himbeeren". Nun aber verließ
er die Akademie und malte daheim noch einen „getreuen Eckart", den die Leser der „Kunst für Alle" als einen
ziemlich langweiligen Kerl vor Jahren kennen gelernt haben (Jahrg. VI S. 217). Wenig befriedigt von seinem bis-
herigen, lediglich seinen Lehrern entlehnten Stoffkreis, versuchte er dazwischen, nach dem Beispiel seines berühmten
Onkels Benno zur Tiermalerei überzugehen, wendete sich aber nicht wie dieser den Hunden, sondern den
Katzen zu. Gleich der erste Versuch gelang so, daß man den bis dahin ganz im Fahrwasser der Dietzschule
Segelnden hier gar nicht wieder erkannte, und er ein neuer Mensch geworden schien. Selbstverständlich war,
daß der Kunstverein das Bildchen erwarb, das aller Welt gefallen. Damit war sein Schicksal als Katzen-
maler entschieden, denn, da er diese zierlichen Geschöpfe unaufhörlich um sich herum hatte und sie so sehr viel
genauer studieren konnte, als mittelalterliche Bauern, so wurden ihre Darstellungen auch so viel besser, daß
seine Katzen sofort alle reißend abgingen und sein Lob in der halben Welt sangen. Brachte er doch zu der
Darstellung dieser interessanten Vierfüßler gerade das mit, was bei derselben unerläßlich ist: einen kerngesunden
Humor, der ihr neckisch graziöses Wesen vortrefflich wiedergab, und jene feine Beobachtung des Details, die
der Auffassung erst das rechte Leben zu verleihen weiß. In dieser Beziehung auf den Humor ist Adam selbst
dem berühmten Schweizer „Katzenrafael" Mind aus dem vorigen Jahrhundert weit überlegen, wie nicht
minder seiner einzigen ernsthaften Rivalin in der Gegenwart, der Brüsselerin Fräulein Henriette Ronner,
obwohl diese das Zarte, Weiße, Sammtartige des Balgs, wie selbst das Geschmeidige der Bewegung kaum weniger
gut wiedergiebt, wenngleich auch seine Technik, ans deren Meisterschaft hier so viel ankommt, eine vollendete
genannt werden kann. Man braucht übrigens bloß den derbgesunden Kopf unseres Malers mit seinem scharf
beobachtenden, aller sentimentalen Schwärmerei weltweit abgewendeten Blick zu sehen, um zu begreifen, daß

der für die Wiedergabe von Katern und
Kätzchen weit eher geschaffen ist, als für
die von Madonnen oder selbst Märchen-
prinzessinnen. Dafür hat er aber bei jenen
die köstlichsten Einfälle oder vielmehr dem
Leben der Tiere blitzschnell abgestohlene Be-
obachtungen. So kann man gewiß in der
Art nicht leicht etwas Lustigeres sehen als
die beiden Kätzchen, die in Abwesenheit
der Spinnerin in ihren Rocken als „hohe
Schule" hinaufgestiegen sind und nun von
da herab wohlgefällig auf die unten warnend
stehende Frau Mama herabschauen. Wie
fein sind dann die Studienköpfchen der
beiden Angorakätzchen I Oder wie tief ge-
mütlich die Familienszene im Freien, wo
die Mama sich's im Genüsse des „dolce
far niente" auf der Schürze einer Heuerin
bequem gemacht und da den vorbeipassie-
renden Käfern oder Mäusen auflauert,
während die lieben Kleinen gerne die herum-
flatternden Schmetterlinge fangen möchten.
Noch köstlicher ist die Frühstücksszene, wo
wir unter Aufsicht der Mutter fünf Spröß-
linge um die offenbar mit heißer Milch
gefüllt gewesene „leere Schüssel" versammelt
finden, wo aber selbst die vordersten noch
vorsichtig zögern, voll Furcht, sich an der
Milch den Mund zu verbrennen. Da ist
jeder Einzelne so trefflich individualisiert,
daß man ihrer aller Charakter sofort unter-
scheiden zu können glaubt! Denn daß
diese so drolligen und anmutig schäkernden
Wesen eben doch svon Natur aus Raub-

Studien. von Julius Adam.
 
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