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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 10.1894-1895

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Woermann, Karl: Die Natur und die Künstler
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https://doi.org/10.11588/diglit.11055#0135

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von Karl lvoermann.

Satz nach: „Übrigens muß er sich in diesen verschiedenen
Teilen dadurch vollkommen machen, daß er die Natur
beständig studiert". Was hat es dem guten Anton
Raffael genützt? Wie steht er als Künstler in den
Augen der unparteiischen Nachwelt da? Wie hält er
Stand neben Leonardo da Vinci, Dürer und Rembrandt,
die das Gegenteil behaupteten?

Der Antwort bedarf es nicht.

Vor ihm und nach ihm
steckte der Kunstunterricht des
vorigen Jahrhunderts in den
Krankenstubenschuhen der Nach-
ahmung andrer. Jahrelang
pflegte sogar hauptsächlich nach
Stichen der Gemälde der
Modemeister gezeichnet zu wer-
den. Kein Wunder, daß die
Kunst, die herauskam, abgeleitet
im vierten Grade war. Es
konnte schon als ein Fortschritt
erscheinen, daß Mengs wenig-
stens das Studium der alten
Meister selbst empfahl, wie auch
er sie an der Quelle studiert
hatte. Aber auch damit war
einem Kunstunterricht nicht ge-
holfen, der der Natur ent-
fremdet war. Setzte Jakob
Schmutzer es doch erst 1766 in
seiner neugegründeten Zeichen-
und Kupferstecherschule in Wien
durch, daß den Schülern Mo-
delle von beiden Geschlechtern
gestellt wurden und daß der
Lehrer der Landschaftsmalern
die obrigkeitliche Erlaubnis
erhielt, mit seinen Schülern
frei das Land zu durchstreifen,
um die Landschaft in der Land-
schaft zu studieren!

Wie es damit noch viel
später in Adrian Zinggs be-
rühmter Schule an der Dres-
dener Akademie bestellt war,
hat Ludwig Richter köstlich und
anschaulich geschildert: „Wir
lagen in den Banden einer
toten Manier", sagt er in
seinen Lebens - Erinnerungen,

„wie alle Zinggianer, waren
in einem Wust von Regeln und
stereotypen Formen und For-
meln dermaßen eingeschnürt,
daß ein lebendiges Naturgefühl,
die wahre, einfache Anschauung
und Auffassung der Dinge sich
gar nicht regen, wenigstens
nicht zum Ausdruck kommen konnte. Wir plagten und
mühten uns ab, die schablonenmäßigen Formen der ge-
zackten Eichenmanier und der gerundeten Lindenmanier,
wie Zingg sagte, so einzuüben, daß wir dergleichen mit
Leichtigkeit zeichnen konnten."

Was haben sie erreicht? Was ist aus ihnen ge-

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worden? Außer den Kunstgelehrten kennt und nennt
niemand mehr den Namen des einst allmächtigen Aka-
demieprofessors Adrian Zingg. Nur die sich von seiner
Manier befreit haben, wie Richter selbst, leben weiter.

Genug davon. Heutzutage giebt es wohl weder
einen Künstler noch einen Kunstgelehrten, weder einen

Akademieprofessor noch einen Sammler mehr, der nicht
grundsätzlich die Natur als die Hauptlehrmeisterin der
Kunst anerkennte. Die Natur verlangen wir durch jedes
Kunstwerk hindurchschimmern zu sehen; von einem
Meisterwerke aber verlangen wir','außerdem noch, daß
ein ebenso unmittelbares wie persönliches Verhältnis

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Zwei Großmütter, von F. Köppers?
 
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