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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 10.1894-1895

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Personal- u. Atelier-Nachrichten - Ausstellungen und Sammlungen - Vermischte Nachrichten - Kunstliteratur u. vervielfältigende Kunst - Vom Kunstmarkt
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Ausstellungen und Sammlungen.

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absoluten Zuverlässigkeit zu erklären ist; denn jeder erkennt, daß
er die Welt gern ebenso sehen möchte, wie dieser Künstler sie zu
sehen weiß. Mit ihm verglichen, empfindet Eugen Kampf reicher,
milder; er ist auch wählerischer in seinen Motiven, er komponiert
mehr und stimmt gern auf einen feinen Ton. Infolge dessen
erscheint er vielseitiger als Jernberg, obgleich er dessen leiden-
schaftliche Liebe zur Ebene und ihren Lüften teilt, und sie nur
ausnahmsweise nicht zu Worte kommen läßt, wie er denn diesmal
neben einer meisterhaft beleuchteten Dorflandschaft einige Strand-
bilder und eine Waldstudie bringt. Helmuth Liesegang hat,
vielleicht kräftiger als sonst, als Hauptbild ein schlichtes, stimmungs-
volles Motiv bearbeitet: eine weite, öde Heide, auf die eine Schaf-
herde in herbstlicher Kühle aus dem Dorfe hinauszieht — auch
er hängt ja zum Glück an dem Lande, das er bewohnt, und weiß
ihm immer neue, intime Reize abzugewinnen. Und wenn Gustav
Wendling und H. Hermanns nach Holland gehen und außer
anderen Motiven uns der eine Dordrecht in feinen, Hellen
Dünsten jenseits des glitzernden Wassers, der andere den Dord-
rechter Hafenquai bei Laternenlicht zeigt, so bleiben sie nicht
minder in der Atmosphäre, die den Düsseldorfer Landschaftern
im Grunde das natürlichste, zuträglichste Element ist und wohl
auch immer sein wird. — Neben diesen allen beansprucht Ä.
Henke, der Tiermaler, einen Platz für sich. Ihm sind weidende
Rehe aufs schönste gelungen, und es ist erstaunlich, wie lebendig
und leuchtend sie sich aus dem braunen Tone ihrer dürren Ginster-
büsche herausheben. Von den Figurenmalern des Vereins
haben sich leider die meisten bloß mit kleineren Gaben eingestellt.
Von Willy Spatz sehen wir nur eine Zeichnung, von Theodor
Rocholl nur Radierungen, die ihn aber dafür von einer manchem
wahrscheinlich neuen Seite, nämlich als Romantiker und Poeten,
erkennen lassen; Gerhard Jansen hat den Kopf eines lachen-
den alten Weibes, derb und skizzenhaft angelegt und vielleicht
eben deshalb von durchschlagendster Wirkung, beigesteuert; dazu
noch zwei seiner originell aufgefaßten und mit eigentümlicher,
kräftiger Koloristik durchgeführten Kueipenbilder. Seine Neigung
fesselt ihn offenbar an die fidele, aber rauchige Welt Jan Steens
und Brouwcrs; wie andere Wege wandelt dagegen sein Klub-
genosse Alexander Frenz! Ein ausgesprochener Sinn für
anmutige, liebliche Formen, für südliche Grazie, leitet ihn auf
Nymphen und Kindergestalten, und seine schöpferische, Idyllen
träumende Phantasie entfernt ihn vom naiuralistischen Realismus.
Er würde uns das heute so seltene Schauspiel eines berückenden
Idealisten bieten, wüßte er sich nur immer im künstlerischen
Gleichgewicht zu halten. Aber er scheint sein Gefühl für das
Kolorit noch nicht vollständig zu dem durchgebildet zu haben,
was er selbst erreichen will; er schwankt und tastet auch öfters in
den Formen und überrascht gelegentlich durch kleine Absichtlich-
keiten in der Auffassung, während er durch Vornehmheit und
Geist entzücken könnte. Ihm wäre, dringender als manchen
anderen, eine monumentale Aufgabe zu wünschen, an der er
seine Kräfte messen und stählen würde; daß man sich jedoch auch
ohne eine solche auf der Höhe erhalten kann, zeigt das Beispiel
von Arthur Kampf. Er hat die Ausstellung mit einer be-
deutenden Anzahl größerer und kleinerer Werke beschickt, unter
denen sich kein eigentliches Hauptstück befindet; aber dadurch, daß
sie alle durchaus voll Charakter und selbst bei nur skizzenhafter
Ausführung voll Präzision sind, liefert er den Beweis, wieviel
ein gewissenhafter, innerhalb seiner ihm naturgemäßen Ästhetik
entwickelter Künstler sich abzuringen vermag. Wie Jernberg
seiner Landschaft, so steht Kampf den Seiten des Lebens gegen-
über, die in ihm einen Nachhall und Widerklang finden: mit
echtem und schlichtem Gefühl und mit der Fähigkeit, für jedes
voll empftrndene Motiv die Übersetzung in überzeugende Farben
und Formen zu schaffen. Er scheint für das Treiben, die Leiden-
schaften und das Leiden der einfachsten Menschen am meisten
Sinn zu haben; eben deswegen versenkt er sich so tief in die
Gegenstände, die er aus dieser Sphäre behandelt, daß er eigent-
lich in jedem Bilde anders gestimmt und mit anderen Mitteln wirkend
auftritt. Wie warm und duftig ist sein „Ostermorgen" mit den
Ausflüglern am Rheinufer, wie schwer, trübe und peinvoll da-
gegen der „Ausgang des Kranken" (Ölskizze), wie gedämpft und zu-
gleich so malerisch ist die Färbung in der „Andacht der Wall-
fahrer von Kevelaer" (Aquarell)! Und während man glauben
sollte, daß ihm, dem Historienmaler, Bildnisse minder gut lägen,
bleibt er auch auf diesem Gebiete seiner eindringenden Kunst des
Jndividualisierens treu: er giebt zwei Kinderporträts in lebens-
großer Gestalt von frappant lebendiger Auffassung, breiter Be-
handlung und großer koloristischer, an Velasquez erinnernder
Kraft und —ftin merkwürdigem, aber gelungenem Gegensätze zu

ihnen — auf mattgestimmtem, etwas seltenem Hintergründe den
aufs feinste und sauberste durchmodellierten Kopf eines Herrn,
der, vermutlich ein Gelehrter mit mehr Begabung für Synthese
als für Analyse, durch die Profilstellung bei nicht eben plastischen
Zügen seiner Charakterisierung nicht geringe Schwierigkeiten be-
reitet haben mag. — Eine Anzahl Radierungen von allen Mit-
gliedern des St. Lukas läßt hoffen, daß die dritte Publikation
des Vereins, die diesjährige Mappe, demnächst erscheinen wird.

ft 8. Berlin. Bei Schulte hängen wieder neue Bilder.
Vorn im kleinen Saale bei elektrischem Licht, also so ungünstig
wie möglich unter-
gebracht, sind —
wenn ich richtig
gezählt habe —
sieben Bilder von
Arnold Böcklin
zu sehen. Es waren
einige alte Be-
kannte darunter,
zum Teil aus
Privatbesitz zu-
sammengeliehen.

Aber Böcklins Bil-
der sind immer wie
alte, beste Freunde,
die man sich herz-
lich freut, häufig
und immer wieder-
zusehen. Da war
das zauberische
Meermärchen Tri-
ton und Nereide,
der gespenstische
braune Gesell, der
sich hinter dem Fel-
sen mit dem aus-
gestreckten lockenden
weißen Frauenleib
hoch emporreckt, da
war ein Exemplar
der heimlich stillen
Toteninsel, da war
der beschauliche
Sommertag. Neu
waren hier das
Bild der Herodias,
das Haupt des
Täufers auf einer
Schüssel tragend
und mit seltsamem
Ausdruck sich ab-
wendend und das
merkwürdige Bild:

„Franziskus den
Fischen predigend".

Ein Bild in zwei
Abteilungen, oben
ein sonnendurch-
glühtes Meer mit
felsigem Ufer, der
hagere Heilige
spricht in fanati-
schem Eifer zu den
Fischen, die bis
weit hinaus die
plumpen Köpfe aus
dem Wasser strecken,
vorn hat sich ein
großer Haifisch auf
die Klippe geworfen, der mit besonders frommem Blick zum Heiligen
aufschaut. Unter diesem Bild ein schmaleres, dem Hauptbild ver-
bunden wie die Predella eines altitalienischen Altarwerkes, mit
der blauen Meerestiefe, in der die großen Fische den kleinen
nachjagen, um sie zu verschlingen, wenig eingedenk der frommen
eindringlichen Lehre, die sie oben gehört haben. Ganz wie die
Menschen, die kaum in der Kirche von ihren sündhaften Gedanken
lassen und die draußen, sowie das fromme Wort verhallt ist,
den alten bösen Lüsten folgen. In ihren frischen Farben leuchten
die Bilder von den Wänden, um ihre beste Wirkung aber werden

Sonnenblume.
 
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