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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 10.1894-1895

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Seidlitz, Woldemar von: Neues aus Dresden, [2]: Karl Mediz und Emilie Mediz-Pelikan
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https://doi.org/10.11588/diglit.11055#0217

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n..)

Karl Mediz und Emilie Mediz-Pelikoin.
von Iv. v. Zeidlitz.

or einigen Jahren veröffentlichte Obernetter in
München unter dem Titel: „Aus Belgien" eine
Mappe mit Nachbildungen nach Zeichnungen von Karl
Mediz. Da traten, neben einigen Landschaftsstudien,
die fein und scharf gezeichneten Bildnisse einer Reihe
wettergebräunter Bewohner der belgischen Küste hervor,
mit so liebevollem Eingehen in alle Einzelheiten durch-
geführt, daß man bald an Menzel, bald an
Leibl sich erinnert fühlte. Da rundete sich
das Ohr in der unerschöpflichen Mannig-
faltigkeit seiner Bildungen — wie auf den
meisterhaften Radierungen Stauffer-Berns;
da erstrahlte das Auge in feuchtem Glanze,
wie auf den Bildnisstichen Albrecht Dürers;
mit unerbittlicher Gewissenhaftigkeit waren
die tiefen Furchen der pergamentartig harten
Haut herausgearbeitet. Die detaillierende
Härte der Ausführung trat dadurch noch
stärker hervor, daß die herbe Außenseite dieser
starren Bauerntypen nur in seltenen Fällen
durch einen aus dem Innern dringenden
Strahl, ein Aufstackern des Gemütslebens er-
wärmt ward; nur Charakter zeigten die Köpfe,
der Mund war meist streng geschlossen, die
Augen starr auf einen Punkt gerichtet oder
verloren ins Weite blickend, die Brauen straff
zusammengezogcn. Die volle Sachlichkeit
und große Gewissenhaftigkeit des Künstlers
quollen, wie sich hier zeigte, aus einem
männlich gefestigten Charakter.

Im vergangenen Herbst stellte Mediz
bei Lichtenberg in Dresden neben zwei lebens-
groß gemalten Herrenbildnissen, die die
geschilderten Eigenschaften sogar in ver-
stärktem Maße zeigten, drei Landschaften
aus, die ihn plötzlich von einer ganz anderen
Seite kennen lehrten, nämlich als einen
Künstler, der bei aller Schärfe und Treue
der Nalurbeobachtung auch den Stimmungs-
reiz, welcher in jedem Naturausschnitt liegt,
sobald dieser nur mit poetischem Auge be-
trachtet wird, zu überzeugender Darstellung
zu bringen weiß. Auf dem größten der
Bilder war ein dichtgewachsener Birkenwald
zu sehen, ein nordischer, ungewohnter, ver-
achteter Gegenstand: wie vornehm aber und heiter zugleich
war das Gewirr von dünnen, glatten, weißen Stämmen,
die sich in scharfer Zeichnung von dem saftigen Grün des
Grases abhoben, während an ihren Wipfeln die spärlichen,
zarten Blättchen tanzten. Das Faunenpärchen, das da
hineingesetzt war, erwies sich als nicht nnr unnötig für
die Erzeugung einer poetischen Stimmung, sondern —
ganz abgesehen von der logischen Ungereimtheit — sogar
eher als störend. Jedenfalls war die Staffage auf dem
zweiten Bilde, einem Tannenwalde mit moosbewachsenen

*) I. s. in Heft 8 d. I.

Nachdruck verboten.

Stämmen bei roter Abendbeleuchtung, — ein altes
Weib, welches Reisig sammelt — besser gewählt. Auf
dem dritten Bilde aber war eine weite Ackerfläche dar-
gestellt, mit einem Paar vereinzelter Obstbäume im
Vordergründe, deren glatte Stämme allein zu sehen
waren; nur ein Reigen von vier buntgekleideten Kindern,
auf einer Wiese weit im Hintergründe, brachte einen

wenn auch gedämpften Ton des Lebens in diese feierliche
Stille der Natur.

Hier, in diesen Landschaftsbildern, war also dem
Künstler gelungen, was ihm bei seinen Bildnissen ver-
sagt geblieben zu sein schien: Empfindungsleben wieder-
zugeben und dadurch zum Gemüt des Beschauers zu
reden. Wohl mag dabei von Einfluß gewesen sein, daß
er sich in der Zwischenzeit mit einer Landschasterin ver-
mählt hatte, deren Sinn für die Poesie der Natur hoch
entwickelt ist, und zwar für jene gesunde, aus Erden-
duft und Himmelsfarbe quellende Poesie, die frei ist
von der Beimischung jeder falschen Sentimentalität. Bei

Die Aunst für Alle X.

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