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Deutsche Kunstkritiker.
Trotzdem ging er bald nach den Revolutionsjahren eine „echt romantische Heirat" ein, wie er sagt, „da ich und
mein schöner, braunäugiger, schlanker, achtzehnjähriger Schatz buchstäblich nicht „ein Bettchen, ein Tischchen,
einen Stuhl" unser eigen nennen konnten". Reizend sind seine Schilderungen aus der Zeit, die uns den Ein-
blick in die sympathischste Menschenseele geben. Einmal kam Pietsch auf die Idee, einer Zeichnung für die
„Illustrierte Zeitung" einen begleitenden Text beizufügen, und da dieser großen Beifall fand, kam Pietsch darauf,
seinem Stift die Feder zuzugesellen, bis diese jenen allmählich ganz verdrängen sollte, und er der beliebteste
Erzähler und Plauderer wurde, den speziell Berlin überhaupt hat.
Oft in einem Atem mit Pietsch wird Rosenberg genannt. Adolf Rosenberg
stammt aus Bromberg, wo er 1850 geboren wurde; er studierte in Berlin, promo-
vierte 1872, und machte darauf größere Reisen durch ganz Mitteleuropa. 1875 trat er
in die Redaktion der „Post" ein, für die er jetzt noch schreibt. Von seinen zahlreichen
verdienstvollen historischen Werken zu reden, verbietet hier der Raum, es seien nur die
Geschichte der modernen Malerei und die Münchener, Berliner und Düsseldorfer Maler-
schulen erwähnt. Auch in seinen kritischen Arbeiten muß man sein reiches Wissen und
seine bedeutende Arbeitskraft bewundern. Mit der jüngeren deutschen Künstlerschaft
geht er meist scharf ins Gericht, und so ist es denn nicht zu verwundern, wenn er
bei dieser nicht sehr beliebt ist und ihm der Vorwurf gemacht wird, daß ihm ein künst-
lerisches Empfinden abgehe. Wie dem auch sei, man wird Rosenberg stets Gewissen-
haftigkeit in der Erfassung seiner Aufgabe nachrühmen können. Nicht durchgedrungen
ist Rosenberg mit seinem Protest gegen Böcklin, von dem er 1878 schrieb „von nun an
geht es mit seiner Kunst bergab" und dann in die heute etwas seltsam klingenden Worte ausbrach: „welch
edler Geist ist hier zerstört".
Einen dritten Berliner Kunstkritiker wollen wir hier anfügen, der seinem künst-
lerischen Standpunkt nach ein Antipode Rosenbergs genannt werden muß. Es ist Jaro
Springer. 1856 zu Prag als der Sohn des bekannten, 1891 als Leipziger Professor
verstorbenen Kunsthistorikers Anton Springer geboren, studierte er zu Leipzig und Straß-
burg und ist seit 1882 Mnseumsbeamter in Berlin. Hier vermählte er sich mit
der Tochter des bekannten Historienmalers August von Heyden, dessen mutiges Ein-
treten für die Bestrebungen der jüngeren Berliner Künstlerschaft bekannt ist. Springer
hat sich um die Verfechtung moderner künstlerischer Ideen sehr verdient gemacht; seine
Kritiken zeigen, daß sie von einer impulsiven kraftvollen Persönlichkeit ausgehen, die die
momentanen Eindrücke durch ein gründliches Kennen der gesamten Kunstgeschichte zu einem
gesunden Urteil ausreifen zu lassen vermag. Er steht dadurch in einem wohlthuenden
Gegensatz zu einem Stück Berliner Geist, dem Verständigkeit über alles geht und der Jaro Springer,
aufhört zu verstehen, wenn es sich um feinfühlige Eindrücke handelt, wie sie erst die
neuere Kunst so recht zum Ausdruck gebracht hat, deren innerstes Wesen nirgends klarer Ausdruck findet, als in
Whistlers Expositionen, die Muther so herrlich übersetzt: Wenn der Abendduft die Ufer mild umschließt, die kleinen
Häuschen sich in milde Nebel baden, wie Glockentürme die niederen Schornsteine, die Speicher wie Paläste in die
Nacht starren, die ganze Stadt sich mit dem Himmel eint und Geisterland sich vor dem Auge aufthut — da ver-
steht der Philister nicht mehr, weil er aufhört, genau zu sehen. Doch dem Künstler weiht, nun in Tönen redend,
die Natur ihr schönstes Lied, ihm, ihrem Sohn und Meister, ihrem Sohn, weil sie ihn liebt, ihrem Meister,
weil er sie kennt. Für ihn sind ihre Geheimnisse entschleiert, für ihn ist ihre Unterweisung eine klare. Nicht
durchs Vergrößerungsglas sieht er ihre Blumen, um botanische Beobachtungen an ihnen zu machen, sondern
mit dem Blick des Ästheten, der aus der feinen Auswahl glänzender Farben und leuchtender Töne die An-
regung künftiger Harmonien schöpft.
Immer mehr reiht sich die Zahl der Namen, die genannt sein müßten. Da ist
H. E. von Berlepsch, über den mehr zu sagen wäre, als es der Raum gestattet.
Da ist Bierbaum, einer der feinsinnigsten Interpreten Jung-Münchens; Freihofer,
der getreue Mahner an den verjüngenden Quell ves Naturstudiums, von Seydlitz,
Schumann. Da ist Georg Voß, H. Bahr, Elias, Lier, Bie, Bernstein.
Die Arbeiten von G. Fuchs fielen auf. Diese in Deutschland; drüben in Österreich
stößt man auf noch manche hochbedeutende Erscheinung, deren vornehmste wohl Karl
von Lützow ist. Er wurde 1832 in Göttingen geboren und widmete sich anfangs
namentlich archäologischen Studien. Auf Veranlassung einiger älterer Freunde, wie
Lübke und Eggers, fing er früh an, neben seinen gelehrten Arbeiten auch für Zeit-
schriften zu schreiben, so 1856 für das von Eggers herausgegebene „Deutsche Kunstblatt"
Karl von Lützow. und im folgenden Jahre u. a. für die „Vossische Zeitung". 1863 siedelte er nach Wien
Adolf Röhenberg.
Deutsche Kunstkritiker.
Trotzdem ging er bald nach den Revolutionsjahren eine „echt romantische Heirat" ein, wie er sagt, „da ich und
mein schöner, braunäugiger, schlanker, achtzehnjähriger Schatz buchstäblich nicht „ein Bettchen, ein Tischchen,
einen Stuhl" unser eigen nennen konnten". Reizend sind seine Schilderungen aus der Zeit, die uns den Ein-
blick in die sympathischste Menschenseele geben. Einmal kam Pietsch auf die Idee, einer Zeichnung für die
„Illustrierte Zeitung" einen begleitenden Text beizufügen, und da dieser großen Beifall fand, kam Pietsch darauf,
seinem Stift die Feder zuzugesellen, bis diese jenen allmählich ganz verdrängen sollte, und er der beliebteste
Erzähler und Plauderer wurde, den speziell Berlin überhaupt hat.
Oft in einem Atem mit Pietsch wird Rosenberg genannt. Adolf Rosenberg
stammt aus Bromberg, wo er 1850 geboren wurde; er studierte in Berlin, promo-
vierte 1872, und machte darauf größere Reisen durch ganz Mitteleuropa. 1875 trat er
in die Redaktion der „Post" ein, für die er jetzt noch schreibt. Von seinen zahlreichen
verdienstvollen historischen Werken zu reden, verbietet hier der Raum, es seien nur die
Geschichte der modernen Malerei und die Münchener, Berliner und Düsseldorfer Maler-
schulen erwähnt. Auch in seinen kritischen Arbeiten muß man sein reiches Wissen und
seine bedeutende Arbeitskraft bewundern. Mit der jüngeren deutschen Künstlerschaft
geht er meist scharf ins Gericht, und so ist es denn nicht zu verwundern, wenn er
bei dieser nicht sehr beliebt ist und ihm der Vorwurf gemacht wird, daß ihm ein künst-
lerisches Empfinden abgehe. Wie dem auch sei, man wird Rosenberg stets Gewissen-
haftigkeit in der Erfassung seiner Aufgabe nachrühmen können. Nicht durchgedrungen
ist Rosenberg mit seinem Protest gegen Böcklin, von dem er 1878 schrieb „von nun an
geht es mit seiner Kunst bergab" und dann in die heute etwas seltsam klingenden Worte ausbrach: „welch
edler Geist ist hier zerstört".
Einen dritten Berliner Kunstkritiker wollen wir hier anfügen, der seinem künst-
lerischen Standpunkt nach ein Antipode Rosenbergs genannt werden muß. Es ist Jaro
Springer. 1856 zu Prag als der Sohn des bekannten, 1891 als Leipziger Professor
verstorbenen Kunsthistorikers Anton Springer geboren, studierte er zu Leipzig und Straß-
burg und ist seit 1882 Mnseumsbeamter in Berlin. Hier vermählte er sich mit
der Tochter des bekannten Historienmalers August von Heyden, dessen mutiges Ein-
treten für die Bestrebungen der jüngeren Berliner Künstlerschaft bekannt ist. Springer
hat sich um die Verfechtung moderner künstlerischer Ideen sehr verdient gemacht; seine
Kritiken zeigen, daß sie von einer impulsiven kraftvollen Persönlichkeit ausgehen, die die
momentanen Eindrücke durch ein gründliches Kennen der gesamten Kunstgeschichte zu einem
gesunden Urteil ausreifen zu lassen vermag. Er steht dadurch in einem wohlthuenden
Gegensatz zu einem Stück Berliner Geist, dem Verständigkeit über alles geht und der Jaro Springer,
aufhört zu verstehen, wenn es sich um feinfühlige Eindrücke handelt, wie sie erst die
neuere Kunst so recht zum Ausdruck gebracht hat, deren innerstes Wesen nirgends klarer Ausdruck findet, als in
Whistlers Expositionen, die Muther so herrlich übersetzt: Wenn der Abendduft die Ufer mild umschließt, die kleinen
Häuschen sich in milde Nebel baden, wie Glockentürme die niederen Schornsteine, die Speicher wie Paläste in die
Nacht starren, die ganze Stadt sich mit dem Himmel eint und Geisterland sich vor dem Auge aufthut — da ver-
steht der Philister nicht mehr, weil er aufhört, genau zu sehen. Doch dem Künstler weiht, nun in Tönen redend,
die Natur ihr schönstes Lied, ihm, ihrem Sohn und Meister, ihrem Sohn, weil sie ihn liebt, ihrem Meister,
weil er sie kennt. Für ihn sind ihre Geheimnisse entschleiert, für ihn ist ihre Unterweisung eine klare. Nicht
durchs Vergrößerungsglas sieht er ihre Blumen, um botanische Beobachtungen an ihnen zu machen, sondern
mit dem Blick des Ästheten, der aus der feinen Auswahl glänzender Farben und leuchtender Töne die An-
regung künftiger Harmonien schöpft.
Immer mehr reiht sich die Zahl der Namen, die genannt sein müßten. Da ist
H. E. von Berlepsch, über den mehr zu sagen wäre, als es der Raum gestattet.
Da ist Bierbaum, einer der feinsinnigsten Interpreten Jung-Münchens; Freihofer,
der getreue Mahner an den verjüngenden Quell ves Naturstudiums, von Seydlitz,
Schumann. Da ist Georg Voß, H. Bahr, Elias, Lier, Bie, Bernstein.
Die Arbeiten von G. Fuchs fielen auf. Diese in Deutschland; drüben in Österreich
stößt man auf noch manche hochbedeutende Erscheinung, deren vornehmste wohl Karl
von Lützow ist. Er wurde 1832 in Göttingen geboren und widmete sich anfangs
namentlich archäologischen Studien. Auf Veranlassung einiger älterer Freunde, wie
Lübke und Eggers, fing er früh an, neben seinen gelehrten Arbeiten auch für Zeit-
schriften zu schreiben, so 1856 für das von Eggers herausgegebene „Deutsche Kunstblatt"
Karl von Lützow. und im folgenden Jahre u. a. für die „Vossische Zeitung". 1863 siedelte er nach Wien
Adolf Röhenberg.