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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 10.1894-1895

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Seydlitz, Reinhard von: Fälscherlust: gaunerologische Kunststudie
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https://doi.org/10.11588/diglit.11055#0291

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von R. v. Seydlitz.

229

der Kunststudierenden näher zu bringen. — Ist das
straffällig?

Natürlich nicht. Und manches Provinzialmuseum
kann froh sein, die Sachen zu erwerben, die es dann,
freilich mit dem Vermerk „Imitation" unauslöschlich
gebrandmarkt, zum Studium ausstellen mag.

Aber aus der Welt der Phantasie in die Wirklich-
keit zurückkehrend, fragen wir uns zunächst: wäre es
denn überhaupt möglich, ein ganzes Museum von Fäl-
schungen anzulegen, giebt's denn gar so viel
— r>ota bene gute! — Imitationen?

Ei du lieber Himmel — wenn man
unser schönes neuzuerbauendes Münchener
Nationalmuseum, das ein ganzes Straßen-
quadrat, mächtig breit hingelagert, bedecken
wird, bis unters Dach vollstopfte mit nur
den Sachen, die alle Museen der Welt gern
los wären, weil es in unglücklicher Stunde
angekaufte Fälschungen sind — das Gebäude
wäre bei weitem noch zu klein. Böse Mäuler
behaupten, es gäbe überhaupt kein Museum,
in welchem nicht der Fälschungsteufel hinter
irgend einem Prachtstück boshaft hervorlugt.

Greift so hoch, wie ihr wollt, in die un-
antastbarsten Regionen anerkanntester Perlen
alter Kunst hinein: überall trefft ihr den
Teufel, wie er grinsend euch einen echten
Rembrandt vorhält, auf einen echten Rubens
in Berlin hinweist, eine Fabrik echter Len-
bachs aufdeckt, einen ehrwürdigen herrlichen
Holbein, das zweite „Auge" der Dresdener-
Galerie, als uralte zwar, aber doch nicht
minder falsche Kopie der Darmstädter Ma-
donna enthüllt.

Und im Kunstgewerbe? Soll ich von den Fabriken
reden, welche zur römischen Kaiserzeit thätig waren,
skrupellose, eitle Sammler mit nachgeäfften Kostbar-
keiten ferner Länder, verschollener Völker zu ver-
sehen? Hat man doch im sorgfältigen Buchen und Re-
gistrieren des großen Assurbanipal, des gelehrten Königs
von Niniveh, Gelegenheit, zu erkennen, wie schwer ihm
damals schon das Erkennen und Ausscheiden echter und
falscher altassyrischer, baktrischer und sumerischer Altertümer
wurde. Wie viele alte Römer mögen mit gefälschten
griechischen Werken, mit imitierten Sachen aus angeb-
licher vasa murrbiua angeschmiert worden sein! Und
kaum war die Wüstenei des großen Völker-„Treck" (um
transvaalisch zu» sprechen) vorüber, da ging's wieder los
— am liebsten unterm Deckmantel der Religion. Die
Stadt Genua soll heute noch die große, angeblich aus
einem einzigen riesigen Smaragd geschnittene Gralsschale
bewahren, in der Christi Blut am Kreuze aufgefangen
wurde; das Ding ist natürlich ein gemeiner grüner
Glasfluß vom Wert einiger Pfennige. Wie viele uralte
schöne Fürstenkronen enthielten, beim Lichte moderner
Juwelierwissenschaft betrachtet, plumpe Glas- und Krystall-
brocken anstatt der Riesendiamanten, für welche die
fürstlichen Altvordern dermalen die Dinger schwer er-
kauft oder blutig erstritten hatten. Und — man denke
nur an den Tyrann von Syrakus mit seiner Sorge um
die Reinheit des Goldes in seiner bestellten Krone.
Einen Archimedes zu besitzen, der dann dem hohen Herrn
zu Gefallen das Naturgesetz des spezifischen Gewichtes

entdeckt und die betrügerischen Hofjuweliere entlarvt —
ja, das bodenlose Glück hat eben nur ein Tyrann von
Syrakus und kein andrer!

Ein so angenehmes leichtes Mittel, einen Kunst-
probierstein zur Erkennung jeglichen Falsifikates, möchte
heutzutage mancher mit Hunderttausenden bezahlen. Aber
der Kunstarchimedes ist noch nicht geboren und wird
schwerlich je das trübe Licht unsrer von Irrlichtern
durchflackerten Kunstwelt erblicken.

Giebt's denn nicht wenigstens ein Buch, in dem
man alle Fälschungen-?

Natürlich; worüber gäbe es kein Buch? Ein ganz
reizendes, lustiges Werkchen sogar; Paul Eudel schrieb
es und B. Bücher verdeutschte es; Fr. W. Grunow in
Leipzig verlegte das verdienstvolle Büchlein 1885. In
27 köstlich zu lesenden Kapiteln wird da alle Fälscher-
kunst unbarmherzig ans Helle Licht der öffentlichen Kennt-
nis gezogen, haarklein wird, gestützt auf langjährige Er-
fahrung am Fälschungsmarkte, all der tausendfältige
raffinierte Schwindel aufgedeckt, der mit prähistorischen
oder historischen, antiken, mittelalterlichen oder modernen
Kunstsachen aller Länder getrieben wurde und noch wird.
Was zieht da nicht alles an unserm erstaunten Auge
vorüber! Thonwaren von den Azteken und den alten
Moabitern, Glas, Gemälde, Münzen, Emailsachen und
Porzellane aller Art, Bücher, Autographen, Möbel,
Bronzen und Tapisserien, Waffen, Musikinstrumente,
Elfenbein .... Es nimmt kein Ende! Der bisher
vertrauensselige Sammler, der dies Buch durchlieft, läuft
Gefahr, von da ab jedes Beefsteak auf seinem Teller
für schmähliche Fälschung zu erklären, er wird einen ihm
verliehenen Orden, ehe er dafür dankt, zum Juwelier-
schicken, ob er nicht gefälscht sei — er wird, wenn er
in der Schweiz reist, mit dem Freunde des großen Tar-
tarin der Ansicht sein, daß die Berge nichts als ange-
strichene Coulissen, das Herdengeläute Theaterschwindel,—
daß mit einem Wort alles falsch sei... . außer dem
Geld, was man ihm abzapft. Er wird drei Viertel
seiner geliebten Sammlung in verzweifeltem Wüten zer-

Durstig. von Karl Hartmann.
 
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