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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 10.1894-1895

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Springer, Jaro: Die 1895er Jahres-Ausstellung der Münchener Secession, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11055#0365

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X. Jahrgang. Deft 19.

1. Juli 1895.


„Die Kunst für Alle" erscheint in halbmonatlichen Heften von 2 Bogen reich illustrierten Textes und 4 Bilderbeilagen in Umschlag geheftet. Bezugspreis im
Buchhandel oder durch die Post (Reichspostverzeichnis Nr. 3883, bayer. Verzeichnis Nr. 441, k. u. k. österr. Zeitungsliste Nr. 1851) 3 M. 60 Pf. für das Vierteljahr

(6 Hefte); das einzelne Heft 75 Pf.

Die 1895 er Iahre^-Ausstettung der Münchener Secession.

von ckaro Springer.

I.

777>aS Jahr 1895 ist für die Münchener Knnst keines
der seltenen Kometenjahre, wie es etwa das war, in
dem die Pariser Impressionisten hier zum erstenmal ver-
blüffende Ausblicke zu neuen Zielen zeigten, oder das,
in dem die Schotten ihre neu entdeckten Wunder der
Malerei brachten, oder das, in dem die eben gegründete
Secession ihre erste gesonderte Ausstellung eingerichtet
hatte. Ein solches Jahr ist es nicht. Aber es ist doch
fruchtbar gewesen. Und bringt es auch keine neue Gruppe
von Künstlern mit ganz neuen Offenbarungen an die
Oberfläche, so zeigt es doch bei einzelnen eine hoch ge-
steigerte Potenz. So bei Julius Exter, der in diesem
Jahre am meisten überrascht. In diesem Bilde von ganz
ernster Größe, „Charfreitag" nennt er es, macht Exter
den bedeutsamen und weitausgreifenden Schritt vom talent-
vollen Künstler zum großen Meister. Ich werde, wie in
weiteren Fällen auch, um eine Beschreibung nicht herum
kommen. Exters „Charfreitag" ist ein dreiteiliges Bild
in prunkvollem Silberrahmen, ein breites Mittelbild und
zwei schmale Flügel. Die Hellen Flügel mit aubetenden
Engeln sind ganz dekorativ behandelt, gehören noch zum
Fram Stuck, von Leo Samberger. Rahmen und erhöhen die Wirkung des dunklen Mittel-

Intern. Kunstausst. 1695 des Vereins bild. Künstler (Secession) zu München, seldes, das in den drei Farben schwarz, blau sind grün

gehalten ist. Auf grüner Wiese knieen unter blauem
Nachthimmel schwarz gekleidete Bäuerinnen und Bauern, in langen Reihen sind sie zu stiller Andacht nieder-
gesunkeu und umgeben in weitem Kreis das Bild des Gekreuzigten, das ihnen in hellglühender Vision inmitten
der Wiese als tröstendes Charsreitagssymbol erschienen ist. Man hört nichts in der frischen Nacht als das
leise Murmeln frommer Sprüche und die zarten überirdischen Töne, in denen die himmlische Erscheinung ver-
flimmert. In allen Einzelheiten ist das Mittelbild aufs fleißigste durchgeführt, und wer es geschaffen hat, der
wird von nun an als einer unserer Besten zu zählen sein. Man hat ihn ja immer schon geschätzt, aber er
war doch flackernd, unruhig und ungleich, in dieser ersten ganz ausgereiften Leistung erstrahlt sein Talent in
Hellem, ruhigem und gleichbleibendem Glanze. Franz Stuck konnte, bei der Stellung, die er bereits ein-
nimmt, in dem Maße nicht überraschen wie Exter. Aber er giebt sich in dem Bilde der Sphinx doch so
gewaltig wie in anderen Arbeiten bisher nicht. Vor einem blutrotem Himmel liegt auf Hellem Felsen der
weiße, üppige Leib der Sphinx, mit ihren gewaltigen Tatzen drückt sie ihr Opfer, einen nackten braunen Mann,
fest an ihre schwellenden Brüste und küßt ihm in gierigen, brünstigen Küssen die Seele ans. Das Urbild

Di- Kunst für Alle X.

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