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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 10.1894-1895

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Springer, Jaro: Die 1895er Jahresausstellung der Münchener Secession, [2]
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Stier, A.: Aphorismen
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https://doi.org/10.11588/diglit.11055#0408

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224 Die 1895er Iahresansstellung der Münchener Secession. — Aphorismen, von A. Stier.

Eines der größten, aber nicht eines der besten Bilder in der Sccessionistenansstcllung ist „Die Nacht"
von Fritz Haß, einem jungen Maler, der schvn weit bessere Proben seines Talentes gegeben hat. Einen
lebensgroßen oder gar überlebensgroßen weiblichen Akt, der nicht in Zeichnung, in Modellierung tadellos ist, sollte
inan in einer solchen Ausstellung gar nicht zu sehen bekommen. Unter den Tausenden von Bildern der Pariser
Salons sind Hunderte von Akten, und der schlechteste ist doch immer noch eine schnlmäßig saubere Arbeit.
Nicht weniger leicht hat sich der Maler mit dem männlichen Akt auf seinem Bilde gethan. Die Aufnahme
in den auserwählten Kreis der Secession verdankt das Werk Wohl nur dem schonen Znsammcnklang seiner
tiefen, dunklen Töne und dem obwaltenden Bedürfnis nach größeren Bildflächen. Ein niedliches und gut
gemaltes nacktes Figürchen brachte Lorenz Ai ü ller (Mainz) in seiner „Siesta". K arl 0. Fe r e n c z y s „Adam"
ist als Aktmalerei ebenfalls zu loben, als Bild aber ist es von einer gewissen Ungeschlachtheit nicht freiznsprechcn.
Dieser Adam hat ein wenig das Aussehen eines Athleten, der nach einer Gelegenheit zur Vcthütigung seiner
Muskelkraft sucht.

Ein anmntendes Stück neuer deutscher Romantik stellt Karl Hartmanns großes Bild „Bei der
Waldfrau" dar. Zwei arme Kinder sind in den tiefen Wald geraten und erblicken in einer Lichtung die wenig
Zutrauen erweckende Gestalt einer uralten Hexe, die ihre Raben füttert. Auf einen Stecken anfgespießt, trocknen hinter
ihr Fliegenschwämme in der Sonne. Als Maler hat Hartmann mit diesem Bilde wieder einen stattlichen
Schritt vorwärts gethan, wenn seine Manier auch immer noch etwas breiter und einfacher werden dürfte; als
Erzähler hat er den traulich-gruseligen Ton des deutschen Märchens wunderbar getroffen. Auch L. v. Z n m b n s ch

befindet sich mit seinem eigenartigen Bild „Die Hoch-
nothpehnlichcn" ans dem Gebiete der Romantik, wenn
auch dazu noch ein starker Zug von Satire sein Werk
durchweht. Wir sehen einen Galgenhügel lind hoch
oben auf luftigem Gerüste, von Raben umflattert, hängt
ein armer Teufel, an dem aber der irdischen Gerechtig-
keit Genüge gethan wurde. Die Hochnothpeynlichen
in Perücken und Richtertalaren schreiten den Berg
herab, gefolgt von dem Henker Tod und einem alten
Weiblcin aus Krücken. Die elf Perückenhänpter der
Richter sind mit viel Geist und Witz charakterisiert,
und wer in ihre bornierten und fanatischen Gesichter
blickt, mag ein Stoßgebet znm Himmel senden, der
liebe Gott möge ihn nie in die Klanen der Hochnoth-
pehnlichen geraten lassen, auch als Unschuldigen nicht,
denn die Herren sind felsenfest der Überzeugung, daß
der Mensch in allererster Linie für das Strafgesetzbuch
geboren sei. Vielleicht ist der Delinquent, der da oben
am Galgen zappelt, auch dieser Überzeugung und nicht
der wahren Gerechtigkeit zum Opfer gefallen.

(Ei» Schlnßartikel folgt.)

-DG Aphorismen, Os--

von A. Stier.

In der Ausstellung,
wenn doch alle, die zum Schaue» käme»,

Auf die Bilder sähe» u»d nicht auf die Name»!

welch herrlich Bild! Sie sage», die Manier
Sei ganz veraltet; — die kurzsicht'gen Thoren!
lsat doch dies Bild die allergrößte Zier,

Die Macht der Schönheit, »imincrmehr verloren.

Bur was der Mode diente, kann veralten,

Das echte Annstwerk muß den wert behalten.

Begeisterung laß zur Lcwund'rnng reifen
lind nicht als blinden Taumel dich ergreifen!

Bildnisstudie, von Karl Gussow.

Inlern. Runstausst. MS des Vereins tnld. Rknsller (Secession) zu München.
 
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